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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Sonntag 3. Juni 2012

There’s been a lot of speculation about what would be the official cover for Radiohead’s new album ‘In Rainbows’. A cover that went with the download on October 1st was ditched last minute. In the meantime, people have been making their own. Although, it was floating around already… we can now officially present you the final cover for ‘In Rainbows’ by Stanley Donwood… so you finally have something you can stick into your iTunes ...
ateaseweb.com (2007)

 

Mythos #3: Ohne das Internet ginge es den Künstlern besser

Das Internet ist zunächst ein Medium, das es erlaubt, Inhalte sehr schnell einem großen Empfängerkreis zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen die Inhalte nicht mehr kompliziert aufbereitet werden wie früher. Das kann per se nicht „böse“ sein.

Konkret heißt das: Wer heute Texte veröffentlichen will, kann das tun. Fertig. Mache ich auch. Niemand muß mehr einen Verleger beknieen, zig Absagen verdauen, herausarbeiten, wieso ein Buch überhaupt Käufer finden wird. Wer Musik macht, braucht zwar vielleicht immer noch ein Studio, aber dank Digitaltechnik haben sich auch hier die Kosten stark reduziert. CDs müssen nicht mehr vorproduziert werden, und zum Vergleich mit der Produktion von Vinylscheiben ist alles nahezu geschenkt. Das danken wir unter anderem zwei Neuerungen.

Zum einen ist es das MP3-Format, das auf die Musikindustrie erheblich mehr Einfluß hatte als das Internet, auch wenn dieses zweifelsohne eine Rolle spielt. Die Kette geht etwa so: Wegen des Internet haben alle Leute Computer und sind daher in der Lage, all ihre Musik in MP3 zu wandeln und verlustfrei zu tauschen. Die Betonung von „Verlustfreiheit“ versteht, wer sich noch an immer wieder kopierte analoge Kassettenaufnahmen erinnert. Somit ist es nicht nur MP3, sondern generell die Erfindung der digitalen Musikspeicherung gewesen, die den Musikmarkt grundlegend verändert hat.

Zum anderen sind es Portale wie vor allem Youtube, früher auch noch MySpace und andere, wo Musiker ihre Konsumenten erreichen. Davon haben sie zunächst nichts, aber sie erhöhen durch Klicks unbestritten ihren Marktwert, was sich in Livekonzerten oder Auftragsarbeiten direkt in Einkommen wandeln läßt. Hinzu kommt der immer wichtiger werdende Kanal „Spotify“, die ehrgeizige Streamingplattform, auf der annähernd alle Musikstücke für schmales Geld (oder auch kostenlos mit Werbung) zu haben sind. Spotify bezahlt die Künstler, aber damit reich zu werden dürfte einigen wenigen vorbehalten sein. Das ist ja wie in der wirklichen Welt, dürfte nun manch einer sagen, und ja, so ist es.

Wer Youtube und Co zu nutzen weiß und, das sollte man nicht übersehen, den Geschmack einer ausreichenden Anzahl von Leuten trifft, kann sein Glück machen. Es muß nicht erst ein Verleger bearbeitet werden, doch bitte gnädigst den Künstler unter seine Fittiche zu nehmen und dafür hinkünftig den Löwenanteil der Einnahmen einzustreichen. Nicht verschwiegen werden soll allerdings, daß von diesem Geld wiederum der Löwenanteil nicht in der Tasche des Musikverlegers landet, sondern in Produktionskosten, Marketing etc. Aber das genau hat sich heute geändert – im Internet produziert man günstiger und erfolgreiches Low-Budget-Marketing ist möglich, das wird niemand bestreiten. So wird auf Dauer nur der Verleger überleben, der sich als Dienstleister an seinen Künstlern begreift und ihnen auf dem existierenden Markt zu Einkommen verhilft und sich damit seinen eigenen Anteil auch gleich mitverdient.

Auch die Photographen haben mit Online-Bilddatenbanken endlich einen Weg gefunden haben, direkt mit potentiellen Käufern ihrer Kunst Kontakt zu haben. Daß sie sich dabei auch auch neuen Risiken ausgesetzt sehen, müssen sie eben bedenken bei ihren Geschäftsmodellen. Empfehlenswert dürfte es sein, das Bild erst nach Bezahlung in höherer Auflösung zu liefern. Oder eben das Bild zur beliebigen Nutzung in ein Portal einzustellen, das pauschal entlohnt.

Es wird klar: Künstler haben es heute sicher leichter als früher, zu produzieren, bevor sie jemand „entdeckt“ hat. Was noch lange nicht heißt, daß sie irgendwann auch nur eine müde Mark sehen werden, auch nachdem sie im Netz entdeckt wurden. Solange eine internetgestützte Kunstverbreitung noch die Ausnahme ist, sind die Chancen allerdings hoch. So hoch, daß auch etablierte Künstler zuschlagen und sich von den klassischen Vertriebsmethoden lösen und ihren eigenen Weg gehen. Und seien wir ehrlich, cooler ist es allemal, sein eigenes Ding zu machen. Jedenfalls cooler als seine Fans zu beschimpfen und zu unterstellen, alle wollten alles umsonst.

Das alles soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß es Geschäftsmodelle gibt, die ohne die modernen Techniken besser funktionieren würden. Aber das kann es ja nicht sein wie folgender Vergleich vielleicht illustrieren mag: Mit der Aufklärung und der darauf folgenden Demokratisierung Europas setzte der Niedergang der europäischen Fürstenhäuser ein, was wiederum vielen Künstlern in Fürstendiensten ihr Auskommen raubte. Ist das nun ein Grund, die Verantwortung dafür der Demokratie zu geben und zu fordern, daß man der Demokratie stärkere Beschränkungen auferlegen solle? Ersetzt man das Wort „Demokratie“ durch „Internet“,

kann man diesen Unsinn durchaus immer wieder lesen.

Bildquelle: ateaseweb.com. Radiohead brachte als erste Band eine komplettes Album im Internet zum freien Download heraus. Sie baten lediglich darum, ein jeder solle was bezahlen, wenn es ihm gefallen habe. Hat angeblich prima geklappt, bis auf die Sache mit dem Cover: Wo pappt man ein Cover an ein MP3-File?

——

Was bisher geschah:

Einleitung
Mythos #1: Geistiges Eigentum gibt es nicht
Mythos #2: Künstler haben es schwerer als früher

 

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