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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Dienstag 29. Juli 2008

Es sieht nicht so aus, als ob die Natur die Menschen zur Unabhängigkeit geschaffen habe.
Luc Marquis de Clapiers Vauvenargues

 

Saure Gurken, die Helden und die Bösen

Marie TussaudDie sogenannte Sauregurkenzeit wird journalistisch unterschätzt. Es passieren gerade während der Parlamentsferien Dinge, die man sonst vielleicht übersehen hätte. Nehmen wir nur die lustige Geschichte, in der nicht nur die legendäre Madame Tussaud, sondern auch der nicht minder legendäre Franz Joseph Strauß eine tragende Rolle spielen.

Unter dem Motto „Helden und Bösewichter“ wurde in der Berliner Dependance von Madame Tussaud’s unter anderem eine Statue des mächtigsten Bayern seiner Zeit ausgestellt. Die Rede ist nicht von Ludwig dem Bayern, dem es als deutschem Kaiser nicht egal sein konnte, wer unter ihm Papst war. Auch nicht von Franz Beckenbauer, der auf die Laune des ganzen Landes Einfluß hat. Auf der Liste der mächtigen Bayern steht auch nicht Herr Beckstein, der erfüllt ja bereits zwei Kriterien davon nicht. Nein, wir wissen bereits, um wen es geht: Es war ihm egal, wer unter ihm Bundeskanzler war, das klingt fast so gut wie bei Ludwig IV. Benannt wurde er nach einem Flughafen: FJS. Und nun die Apotheose, die Aufnahme ins Pantheon, die zweitultimativste Ehre, die einem widerfahren kann. „Zweitultimativst“ darf man übrigens sehr wohl sagen, denn es findet sich auf dem Server des Goethe-Instituts(!) eine Steigerungsform von ultimativ

In Wachs abgebildet beim Mme. Tussaud’s. Das ist fast so gut wie die Aufnahme in die Walhalla. Wobei natürlich die Walhalla bei Regensburg gemeint ist, die von König Ludwig I., nicht die anderen Walhallas in North Dakota, South Carolina oder gar im Staat Victoria, Australien. Erst recht ist nicht der echte Walhall gemeint, der Saal auf Gladsheim in Asengard, wo Odin herrschend auf Hlidskialf sitzt. Das ist schon deshalb unvorstellbar, weil FJS einerseits diesen Hlidskialf für sich beansprucht hätte, andererseits mit Nordlichtern nach Wildbad-Kreuth 1976 schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Die Walhalla in Regensburg ist ihm sicher – die wirkliche Überraschung ist also das Wachsfigurenkabinett. Und dann noch in der Rubrik „Helden und Bösewichter“! Merkwürdig nur, daß klar zu sein scheint, welche Unterrubrik gemeint ist. Der Focus titelt:

Madame Tussaud’s stellt Strauß in Berlin als Bösewicht dar

Erneut sorgt das kürzlich in Berlin eröffnete Wachsfigurenkabinett Madame Tussaud´s für Aufregung. Auslöser ist die Darstellung des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß als Bösewicht. CSU-Parteichef Huber beschimpfte die Figur als „Sauerei“..

 Da hilft es nichts, dass Tussaud´s-Sprecherin Natalie Ruoß sagte, ob Held oder Bösewicht sei allein Interpretationssache des Besuchers. Einen Interpretationsspielraum scheint allerdings niemand zu sehen, und so fordern also Huber und die CSU-Granden, aber auch die Familien Strauß und Hohlmeier, Strauß dort wieder zu entfernen. Deutlich agiert auch einer, den man schon fast vergessen hatte: Markus Söder.

Der bayerische Europaminister Markus Söder forderte Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Eingreifen auf: „Es muss in London vorstellig werden, dass ein solches Vorgehen die bayerisch-englischen Beziehungen belastet.“ 

Aber das ist dann auch wieder unbegreiflich. Hatte doch 1799 Graf Montgelas weise verfügt, daß in Bayern Außen- und Wirtschaftsministerium zusammengehörten – und das blieb die meiste Zeit auch so. Typischerweise war der Ministerpräsident auch für das Außenministerium zuständig, der letzte war Heinrich Held (BVP), bis 1933. Nach dem Letzten kam das Letzte, Franz Ritter v. Epp (NSDAP) und die Gleichschaltung, und der war auch nicht mehr Ministerpräsident, sondern Reichsstatthalter. Vorbei war es mit der Souveränität.

Wer ist heute zuständig für bayerische Außenpolitik? Die CSU weiß es nicht mehr, denn ihr eigener Europaminister, Söder, meint jedenfalls, in Berlin um Hilfe in bayerischen Angelegenheiten ansuchen zu müssen. Und das Wirtschaftsministerium? Der bayerische Wirtschaftminister Huber.. äh, nein, wie hieß der doch gleich wieder? Ach, sagen wir einfach „Müller“, ach ja stimmt, Emilia Müller, hat seine diesbezüglichen Kompetenzen jedenfalls auch nicht wiedererlangt.

Aber ist das wirklich eine Sache der Diplomatie? Oder umgekehrt, wieso bekommen nur die Engländer den Ruhm, Bayern geärgert zu haben, ist Madame Tussaud nicht eigentlich mal Französin gewesen? Stimmt. In Wikipedia lesen wir:

Ihr Handwerk erlernte Marie Tussaud in Frankreich während der Revolution. Die Köpfe der Hingerichteten, aufgespießt auf Lanzen, verdarben recht schnell, bevor sie alle gesehen hatten. Deshalb wurden sie durch Wachsköpfe, gegossen in Totenmasken, ersetzt. Dieses Wissen und die Vorlagen der französischen Revolution bildeten den Grundstock der ersten Sammlung, die Madame Tussaud in London ausstellte.

Ich werde meinen Wunsch, im Wachsfigurenkabinett ausgestellt zu werden,

noch einmal überdenken.

Bild: Marie Tussaud.

 

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