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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Dienstag 25. November 2008

Sokrates: "Und die Feinde? Muß man auch ihnen bezahlen, was man ihnen schuldig geworden ist?" Polemarchos: "Allerdings; was man ihnen schuldig ist, muß man bezahlen. Ich glaube, der Feind schuldet dem Feinde Böses; so gebührt es sich!"
Plato

 

Schuld und Sühne

Ich denke heute an drei Männer. Einer davon saß über vierzig Jahre im Gefängnis. Dann brachte er sich um (oder wurde umgebracht, aus diesen Spekulationen halte ich mich raus). Bis zu seinem Tod hatte er keine Chance auf vorzeitige Entlassung. 45 Jahre war er, als er das tat, wes­wegen er verurteilt wurde. 93 Jahre war er bei seinem Tod. Zwanzig Jahre lang hatte er sich, so heißt es, distanziert von den Überzeugungen, die ihn schuldig werden ließen. Ich spreche von Rudolf Heß.


Der andere hatte mit 26 Jahren bei Überfällen vier Menschen ermordet. Zwei Jahre später wurde er zum Tod verurteilt. Hingerichtet wurde ein anderer, der hieß genauso, aber er war nicht mehr derselbe Mensch. Bei seiner Hinrichtung war er 52 Jahre alt, fast genau doppelt so alt, wie er war, als er seine Verbrechen verübte. Er hatte Lesen und Schreiben gelernt und Kinderbücher geschrieben. In seinen Büchern trat er den Beweis der Wandlung an, er schrieb von Frieden und gewaltlosen Lösungen, wurde mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert. Ich spreche von Stanley Williams, genannt „Tookie“.

Der Dritte hatte Glück. Ein paar Leute hat er sicher umgebracht. Ein paar andere vielleicht. Niemals hat er Reue gezeigt, nicht einmal Mitleid mit seinen Opfern. Er ist etwa zur gleichen Zeit geboren worden wie Tookie. Auch seine Verbrechen fallen etwa in dieselbe Zeit wie die Tookie’s. Er wurde zu 15 Jahren zuzüglich sechs mal lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt. Und nun ist er frei. Nicht begnadigt, sondern im Rahmen eines bei uns „rechtsstaatlich ganz normalen Vorganges“ freigelassen auf Bewährung. Ich spreche von Christian Klar.

Nach zwanzig Jahren ist niemand derselbe. Vor zwanzig Jahren gab es noch kein Internet in Deutschland, tragbare Telephone kosteten ein Vermögen und waren nicht wirklich „handy“. Ach ja, und es gab noch die DDR. Wenn man Leute für ihre Verbrechen nicht sofort hinrichtet, tut man sich von Jahr zu Jahr schwerer damit. Mit derselben Überlegung kann man jemanden zu hundertmal lebenslänglich verurteilen, aber nach einem Vierteljahrhundert sitzt ein ganz anderer ein. Und den entläßt man, und als treuer Anhänger der Republik nennt man das nicht mal mehr Gnade, sondern sein gutes Recht. Weil keine Gefährdung mehr von ihm ausgeht, sagt man. Von Sühne redet keiner mehr.

Und so entschuldige ich mich bei den Familien Schleyer, Buback, Ponto und all den anderen, über die die RAF Leid gebracht hat, denn ich rede auch nicht von Sühne. Wer wie ich für die Freilassung von Heß und Tookie Williams war, tut sich schwer, konsequent gegen die Freilassung Klars zu sein. Auch, wenn es schwerfällt.

Ich bin nun kein Verbrecher, aber dennoch bin ich

froh, in Deutschland zu leben.

 

Ein Kommentar zu “Schuld und Sühne”

  1. SvB-Blog » Blogarchiv » Demjanjuk sagt:

    Was mich bei dem Fall Fall Demjanjuk so nachdenklich macht, habe ich zu früherer Zeit bereits in einem Artikel angesprochen: Schuld und Sühne.

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