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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Samstag 9. Mai 2009

Mit keinem Köder fischt Mephisto so glücklich als mit allem, was im Engeren und Weiteren unter den Begriff des Schlagworts fällt.
Christian Morgenstern

 

Blinde Kuh

paintball2Immer, wenn irgendetwas Schreckliches passiert, ist die große Stunde der Politiker. Nachdem die Betroffenheitsreden gehalten sind, fühlen sie sich zum Handeln genötigt. Das muß nicht Berechnung sein.  Mag sein, sie wollen wirklich etwas sinnvolles tun, mag aber ebenso sein, sie handeln reflexhaft im Hinblick auf den sich nähernden Wahltermin. Aus Sicht der Politiker nähert sich allerdings immer ein Wahltermin. Dann werden großspurige Ankündigungen gemacht und hektische Betriebsamkeit entfaltet.

Das ist dann die große Stunde der Lobbyisten. Nun gilt es, den Politikern klarzumachen, welche Aktionen geeignet wären. Aus der Sicht der Lobbyisten sind dies all die Aktionen, die für die Lobbygruppe positiv sind. Das nimmt zuweilen groteske Züge an. Aber richtig schlimm wird es erst, wenn sich die Politiker in Sackgassen verrennen und dann beschließen, Sachen einfach durchzuziehen, weil sie Angst haben, öffentlich einen Irrtum einzugestehen. Dann helfen ihnen die Lobbyisten auch nicht mehr, im Gegenteil, die machen sich unsichtbar.

Vox populi

Dazu gibt es derzeit zwei sehr aktuelle Vorgänge. Zum einen die Online-Petition gegen den geplanten §8a TMG, volkstümlich „Zensurparagraph“ genannt. Innerhalb von drei Wochen muss eine Online-Petition 50.000 Unterstützer finden. Das passiert wohl selten, was man allein daran merkt, dass der Bundestagsserver mit den Onlinepetitionen dieses mal streckenweise wegen Überlast nicht erreichbar war. Es gab zwei Petitionen zu dem Thema, Befürworter und Gegner. Die Befürworterliste hat inzwischen ein paar hundert Unterzeichner. Die Gegnerliste nahm innerhalb dreier Tage die Hürde aus dem Stand. Nun hätten sich bestimmte Minister hinstellen können und sagen können: „Ohne dem Petitionsausschuß heute schon vorgreifen zu wollen, kann ich doch für mich selbst feststellen, dass mich dieses Ergebnis zumindest unsicher gemacht hat. Ich werde die Sache noch einmal überdenken“. Ja, das wäre Größe. Das hätte so aussehen können:

Stattdessen war in der Tagesschau folgendes zu hören:

Die Hervorhebungen stammen natürlich von der YouTube-Bearbeitung, nicht aus der Tagesschau. Guttenberg gibt ein Interview, ohne die Petition gelesen zu haben? Bewußte Tatsachenverdrehung möchte ich ihm ja nicht unterstellen. Und wer ist die Lobbygruppe? Innocence in Danger natürlich. Das ist der Verein, von dem die Powerpointfolien und abstrusen Zahlenmodelle stammen, die von Frau von der Leyen eingesetzt werden. Das findet man, wenn sich den Vortrag von Julia Freifrau von und zu Weiler ansieht: „Mit einem Klick zum nächsten Kick„. Präsidentin des Vereins ist Stephanie Freifrau zu Guttenberg. Die Frau des Wirtschaftsministers. Der Schatzmeister entstammt nicht der Familie Schäuble, ansonsten passt alles zusammen. Eine genauere Darstellung findet sich bei Alvar Freude im Odem.blog.

Sind das nun sinistre Freimaurer, die Böses planen? Sicher nicht. Das ist ja das Schlimme. Es ist Mephisto, der sagt: „Ich bin die Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Bei diesem Verein könnte es umgekehrt sein.

Waffen und andere Haushaltsgeräte

Kommen wir zum anderen Vorfall: Es gibt bestimmte Dinge, die muss man unbedingt zuhause haben. Waffen gehören nicht wirklich dazu. Wieviele schreckliche Geschichten der jüngeren Vergangenheit enthalten das Motiv „der Täter nahm eine Waffe aus seinem Elternhaus“ oder „der Mann erschoß beim Reinigen seiner Waffe seine Frau“. Nach dem schlimmen Vorfall von Winnenden läuft alles wieder ab wie in einem schlechten Spielfilm, dessen Drehbuch man Szene für Szene vorherweiß.

Es wird nach Ursachen gesucht. Ist der Täter jünger als 30, waren es die Computerspiele. Beinahe jeder junge Mensch hat Computerspiele und viele davon sind gewalttätig. Wie übrigens die meisten Spiele (Schach? Bauernopfer! Monopoly? Gegner in den Ruin treiben! Mensch Ärger Dich nicht? Gegner aus dem Feld schlagen! Räuber und Gendarm? Ha!). Gewalttätige Computerspiele für Kinder zu verbieten ist aber nicht sonderlich zielführend, denn die sind bereits verboten. Schade – ein schöner Ansatz für Populismus vertan.

Der Generalverdacht

Nun sind nicht alle Politiker in einem Schützenverein. Manch einer kommt durchaus auch auf die Idee, dass eine große Anzahl der bei Schulschießereien und Familiendramen zum Töten verwendeten Waffen aus dem Umfeld von Jägern und Schützenvereinen stammten. Und so bleibt das Bombardement mit Emails, Briefen, Anrufen und Faxen nicht aus: Jetzt Waffen zu verbieten hieße, alle die ehrbaren Jäger und Schützen unter „Generalverdacht“ zu stellen. Schreibt die Schützenlobby. Und fügt vielleicht bei, dass in Arizona/USA ungefähr zehnmal so viele Waffen unterwegs sind wie bei uns. Die Zahl der Morde und Unfälle aber nur doppelt so hoch ist. Was beweist, dass die relative Gefährdung mit dem Austeilen von Waffen sogar abnimmt. Quelle dazu? Gibt es nicht, ich traue nur Statistiken, die ich mir selbst ausdenke, und für die Briefe der Waffenlobby kann ich auch leider nur mit Unterstellungen dienen. Nennen wir es „Indizienbeweis“, denn es geht weiter:

Ja, sagt der Politiker, das alles sieht er ein. Vor allem das mit dem Generalverdacht, denn der Vorwurf kam ein bisschen häufig in letzter Zeit und nun kommt er sogar von vermuteten Gesinnungsfreunden. Und so denkt er laut darüber nach, „Paintball“ zu verbieten. Die haben keine Lobby, daher fällt auch völlig unter den Tisch, dass Paintball erst ab 18 erlaubt ist und meines Wissens auch bei den älteren Schulamokläufern gar kein Thema war. Mir ist Paintball egal, ich spiele es nicht. Nicht aus Überzeugung, einfach nur so nicht, wie ich auch nicht Modellfliegerei betreibe oder Buddelschiffe baue.

Wo bleibt die Logik?

Dennoch: Fällt nur mir auf, dass vom zu vermeidenden Generalverdacht nur bei den Jägern und Schützen die Rede ist, aber nicht bei den Spielern? Ist Paintball nicht viel harmloser als Fechten? Ringen? Boxen? Somit bleibt nur, dass die Paintball-Fans keine Lobby haben und die Politiker wenig Phantasie.

Sonst würden sie nach jedem Verkehrsunfall Stockcar-Rennen verbieten. Und nicht nur wegen BSE müsste man das Spiel „Blinde Kuh“ verbieten:

Schließlich werden dort offen Sehbehinderte diskriminiert!

Bildquelle: www.canadianscenariopaintball.com

 

3 Kommentare zu “Blinde Kuh”

  1. SoGC sagt:

    Nicht zu vergessen die gefährliche Wirkung von Wasserpistolen und Schneebällen, genau wie Paintball – ein Spiel bei dem „auf Mitspieler geschossen und deren Tötung simuliert“ wird (SZ vom 8. Mai 2009). Wieviele Leute hatten noch gleich gelbes und grünes Blut? Ich hoffe jedenfalls, dass meine Kinder sich mal anspritzen, bewerfen und einseifen dürfen mit was sie wollen.
    Vielen Dank für diesen Lektüregenuss 🙂 !

  2. SvB-Blog » Blogarchiv » Hinterhofabsprachen sagt:

    […] Befürworter der Sperrplattform, denn dort wird es nicht versanden. Zum einen wird dafür schon die Ehefrau des Wirtschaftsministers sorgen. Und zum anderen hat der Minister selbst bereits erklärt, jeder, der dieses Gesetz nicht […]

  3. SvB-Blog » Blogarchiv » Wie steht’s um unsere Demokratie? sagt:

    […] Blinde Kuh […]

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