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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Sonntag 16. August 2009

Die Tabuverbote entbehren jeder Begründung, sie sind unbekannter Herkunft; für uns unverständlich, erscheinen sie jenen selbstverständlich, die unter ihrer Herrschaft leben
Sigmund Freud ("Totem und Tabu")

 

Verfassungsfeindliche Gartenzwerge

asv_hakenkreuzEs gibt noch Nazis. Aber sie sind schwer zu erkennen, leider, sie dürfen sich ja nicht zu erkennen geben. Und umgekehrt ist nicht jeder einer, der nur aussieht wie ein Nazi. Oder sich wie einer geriert. Ist jeder ein Nazi, der den Arm zum Hitlergruß hebt? Es gibt Leute, die meinen, ja, jeder. Auch ein Gartenzwerg mit Hitlergruß ist ein Verstoß gegen einschlägige Gesetze. Vielleicht aber bauscht auch der Spiegel die Sache etwas auf, immerhin hat die Staatsanwaltschaft sich ja nicht einmal zu „richtigen“ Ermittlungen durchringen können.

Der Gartenzwerg war in einem Schaufenster einer Nürnberger Galerie ausgestellt. Die Figur streckt den rechten Arm zum Hitlergruß nach vorn. Zwischenzeitlich wurde der Zwerg aus dem Schaufenster entfernt.
Die Vorermittlungen hätten ergeben, dass weder der Künstler noch der Galerist in der Vergangenheit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendeten.

Schade, denkt der Spiegel. Immerhin hatten sie einen Monat vorher noch von einer Justizposse geschäumt. Vielleicht verfrüht, wie sich herausstellt. Eine Justizposse ganz anderer Art hatte sich vorher in Gera zugetragen. Dort war jemand verurteilt worden, weil er 100 T-Shirts mit dem Aufdruck „Blood and Honour/C18“ hatte. C18 ist hier nicht irgendein Kohlenstoffisotop, sondern eine Naziterrororganisation in – ja, und da kommt man kurz ins Grübeln, in Großbritannien. Dort haben die Menschen mehr Freiheiten, wie es aussieht – und können auch schön ihren Charakter als Randgruppe unter Beweis stellen. Ich halte das für verfassungsstützend.

Schwieriger finde ich schon die Überlegung, ob „Blood and Honour“ wirklich unmittelbar an Nazis erinnert. Ja, gewiß, man lernt, „Blut und Ehre“ sei der Wahlspruch der Hitlerjugend gewesen. Mein Gott. Betrachtungen zum Thema Reinblütigkeit stellen bereits die Kinder an, die Harry Potter lesen. Mudbloods, Schlammblütler, werden die Magier genannt, in deren Ahnenreihe sich auch Muggles befinden, Nicht-Magier. Natürlich sagen das nur die bösen Slytherins, nicht wir Ravenclaws. So gesehen ist „Blut und Ehre“ sicher rassistisch gemeint gewesen, und nicht als Aufforderung, die Ehre bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Nun, seit Aids hat das Blut als Reinheitssymbol etwas an Strahlkraft verloren, und der Ehre bekommen die Ehrenmorde nicht gut. Was schade ist, Ehre sollte durchweg positiv besetzt sein.

Also, Blut und – hier räuspere ich mich sicherheitshalber – Ehre darf man nur sagen, wenn zwischen den beiden Begriffen mehr als nur „und“ steht, die Worte an sich sind nicht verboten. Aber „Blood and Honour“ ist doch nicht deutsch – wie kann man glauben, daß echte deutsche Nationalsozialisten sich jemals einen nichtdeutschen Claim – Verzeihung, Wahlspruch – gegeben hätten? So gesehen ist es beruhigend, dass der BGH das Urteil aus Gera aufgehoben hat. Unsere Gesetze reichen ja hin zur Ächtung von Gewaltverherrlichung, mehr als ausreichend. Ob hier 100 T-Shirts alleine ausreichen, ist wiederum zu bezweifeln.

Und das zeigt die ganze Tragik des §86a StGB – es geht ja nur um Kennzeichen. Hakenkreuze, Hitlergruß, Reichskriegsflaggen, SS-Runen. Um Schlupflöcher zu stopfen steht da nichts von „Nazis“. Aber jeder denkt an Nazis, denn noch nie wurde der §86a auf Hammer und Sichel, Hammer und Zirkel, Pentagramme oder sonstige Symbole notorischer Gegner unserer Verfassung angewandt. Und somit ist die Strafverfolgung einseitig, tabuorientiert, dogmatisch, irrational. Das hätten wir nicht mehr nötig – unserer Demokratie drohen die Gefahren aus ganz anderer Richtung. Also, schaffen wir den 86a doch einfach ab.

Das wäre auch insofern nicht schlecht, als sogar amtierende Justizminister mit der Anwendung des Paragraphen überfordert waren. Eine ehemalige Justizministerin wollte verhindern, daß jemand die Domain „Reichskriegsflagge.de“ eintragen lassen könne. Dabei darf man das Wort durchaus verwenden. Nur eben die Fahne nicht. Das wollte sie nicht einsehen, aber es gibt die Domain. Harmlos, wie es scheint, aber es geht ja auch um die kaiserliche Reichskriegsflagge, die ist ja sowieso nicht verboten, oder? Also weg mit dem 86a und weg mit seiner Anwendung in der heutigen Form, dann erschrickt niemand mehr über spiegelverkehrte Hakenkreuze auf seinem indischen Teppich und geflochtene Lederknöpfe werden nicht mehr skandalisiert.

Für die Zahlenmystiker: Es ist kein Zufall, daß dieser Paragraph überhaupt bei 86 gelandet ist. Wie man anläßlich dieser sinistren C18-Deutung als „Combat Adolf Hitler“ lernt, steht also 18 für AH. Adolf Hitler. Wir wußten das schon seit der grünbraunen Bierverschwörung. „HH“ steht für Heil Hitler, Hamburg ist entlarvt. Amtlich war der Entwurf vermutlich so beschriftet:

„Hitler, Führer, Adolf“. Also §86a.

Bildquelle: Bildblog, lesenswerter Beitrag über ein krasses Eigentor.

 

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