SvB-Blog

Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

  • Kategorien

  • Archive

  • Neueste Beiträge

  • Neueste Kommentare

  • Top XVII

Donnerstag 15. November 2012

Dilemma: der Lohn der Konsequenz.
Ambrose Gwinnett Bierce

 

Dies ist keine Übung!

Heute war es also so weit: Zum ersten Mal in diesem Jahrtausend fiel in München großflächig der Strom aus, und zwar richtig. Eine kleine Panne in einem Umspannwerk, drei Transistoren mit je 100 kVA hat es zerlegt, wie man hört. So etwas ist durchaus spektakulär, das knallt richtig, es raucht und kleine Porzellanteile fliegen herum, aber andererseits sind diese drei Transistoren so groß auch wieder nicht: 300 kVA reichen bei weitem nicht, um auch nur eine einzige Firma wie SpaceNet zu versorgen.

Und doch: nach diesem Vorfall ging das Netz in die Knie und schon verbrachte geschätzt jeder zweite Münchener sein Frühstück bei Kerzenlicht. Für einen Internetprovider und Rechenzentrumsbetreiber ist das nicht lustig. Natürlich haben wir ein paar ordentliche Dieselaggregate. Natürlich haben wir einen ganzen Lagerraum voller Batterien, die reichen Stunden und werden doch nur benötigt, bis der Diesel angesprungen ist. Aber dennoch: geht der Strom aus, gibt es kein Internet mehr. Nicht für uns, nicht für unsere Kunden. An diese Abhängigkeit wird man erinnert, wenn so etwas passiert.

Alles glatt gegangen, kein Ausfall bei uns, und der Strom ist auch längst wieder da. Eine Stunde später, um neun Uhr vormittags, wird im Radio bereits mit Anrufern diskutiert, ob das die ersten Vorboten der Energiewende wären. Auf unser zuverlässiges Stromnetz zu verzichten fiele uns schwerer als wir zunächst annehmen. In den Sechzigern fiel bei uns oft der Strom aus. Kindheitserinnerung. Mein Vater hatte immer ein Päckchen Streichhölzer und einen Kerzenstumpen am Sicherungskasten deponiert. Lag die plötzliche Dunkelheit nicht einfach nur an einer der chronisch überlasteten Sicherungen, so kam er mit der Kerze zurück und bald brannten im Wohnzimmer sieben oder acht davon.

Heute hat wohl kaum einer noch so ein Notfallset griffbereit. Ausfälle haben wir nicht, fertig. So etwas haben Amerikaner und Italiener, aber wir nicht. Und das ändert sich jetzt? Nur wegen der Energiewende?

Gut, daß keine Panik aufkommt, aber wieso eigentlich? Niemand spricht über die großen Projekte, die schwer zu stemmen sein werden, neue Trassen, die gebaut werden müssen und die die Demokratie auf die Probe stellen werden, denn angesichts der schweren Durchsetzbarkeit öffentlicher großer Bauvorhaben spricht man heute schon von einer „Verkürzung“ des Rechtswegs. Also, wieso schweigt die normalerweise doch recht gesprächige Volksseele? Das mag einerseits seinen Grund darin haben, daß wir eben doch mehr Dichter und Denker haben als Elektroingenieure. Wir können zwar alle Papst, Nationaltrainer und Bundeskanzler, aber Energiepolitik ist nicht einfach. Auch nicht für Politiker. Die sind jedoch mit etwas anderem beschäftigt: Tarnen und täuschen, Ablenkung ist alles.

Und so kommt es zu einer grotesken Stromkostendiskussion, die seit Wochen nicht mehr abebben will. Bizarre Sache das, es scheint tatsächlich so zu sein, daß steigende Preise für wachsende Kosten verantwortlich sein könnten. Das will niemand vorhergesehen haben? War das nicht mal Sinn der Sache? Strom ist zu billig, lasst ihn uns teurer machen, dann kaufen die Leute freiwillig Energiesparlampen und sparen auch sonst Strom? Hieß das damals nicht so? Aber wieso sollte man die Leute zu Energiesparmaßnahmen ermutigen, wenn man das durch simple Verbote regeln kann – das zusätzlich eingenommene Geld entlastet ja trotzdem den Haushalt.

Und jetzt will es wieder keiner gewesen sein. Stattdessen wird darüber diskutiert, wie man doch alle Unternehmen dazu bringt, den teuren Strompreis zu zahlen. Keine Ausnahmegenehmigung mehr für KFZ-Zulieferer und Aluminiumerzeuger. Das könnte uns teuer zu stehen kommen, denn immer noch zeichnet sich nicht ab, daß uns irgendein Land auf diesem Weg folgen wird, und so leidet unsere Konkurrenzfähigkeit.

Male ich zu schwarz? Nun, in den USA entstehen gerade große Rechenzentren, in denen der Strom weniger kostet als bei uns nur die EEG-Abgabe: 2ct. für die Kilowattstunde. Im Internetrechenzentrum zählt die Stabilität, die Qualität der Anbindung und die Sicherheit. Physisch kann ein Server doch stehen, wo er will. Vielleicht sollten wir wirklich umziehen. Bevor unsere Kunden das ohne uns tun. Schauen wir also, welche Richtung diese Diskussion nimmt.

Nur, so werden wir nie erfahren, was höhere Kosten wirklich mit sozialer Gerechtigkeit zu tun haben. Die Politiker halten uns für zu blöd, zu erkennen, daß höhere Produktionskosten letztlich zu höheren Endverbraucherpreisen führen werden. Nicht nur auf der Internetrechnung, sondern bei allem, wo künstlich verteuerter Strom verbraucht wird.

Dazu braucht man kein Studium.

 

5 Kommentare zu “Dies ist keine Übung!”

  1. Anonymus sagt:

    Hallo Herr Bomhard,

    wer soll denn Ihrer Meinung nach die Kosten der Umstellung von fossilen Brennstoffen und Uran, hin zu erneuerbaren Energien bezahlen? Nur bzw. zum großen Teil die Privathaushalte? Wieso? Warum sollte ein Automobilzulieferer wie z.B. Continental mit einem Gewinn von über einer Milliarde Euro in 2011 sich nicht an der Umstrukturierung unserer Energielandschaft beteiligen, gerade wo er so viel davon benötigt und in Zukunft dadurch auch am meisten profitiert?

    Ist die Unberschwertheit zu wissen, dass man in ein paar Jahren nicht mehr mit dem Risiko einer Kernschmelze in unmittelbarer Nachbarschaft leben muss, nicht mindestens 20 Cent je Kilowattstunde wert?

    Und nun zur letzten Frage: Für wie blöd halten uns die Unternehmer, dass sie ständig behaupten, höhere Produktionskosten würden zwingend zu höheren Endverbraucherpreisen führen? Die deutschen Konzerne machen jedes Jahr Milliardengewinne und dem Deutschen Mittelstand geht es im Gros nicht viel schlechter. Zwischen Produktionskosten und Endverbraucherpreisen klafft eine so gewaltige Lücke, dass viele Unternehmer schon garnicht mehr wissen, wo sie denn ihre Zweityacht unterstellen sollen, oder wo sie Ihre Gewinne vor der Steuer verstecken können.

    Um diese Fragen zu stellen und zu beantworten, braucht man kein Studium.

  2. svb sagt:

    Sie, werter „Anonymus“, haben eine etwas kindliche Vorstellung von Unternehmern. Wer sagt denn, dass ein Unternehmer seine Preise rechtfertigen muß? In Wirklichkeit muß er Preise erzielen. Wenn es niemand bezahlt, ist er zu teuer. Steigen bei allen Unternehmen die Kosten, könnten alle Unternehmen gleichzeitig ihre Gewinne senken, um die Preise zu halten. Aber wenn sie das könnten: Dann hätten sie es schon vorher gekonnt und im Sinne der Umsatz- und Gewinnmaximierung auch gemacht. Das ist nicht Neoliberalismus, wie Sie glauben mögen, das ist Logik, fernab jeder Parteienideologie. Wer also Unternehmen besteuert, erhöht am Ende der Kette die Preise und hofft vielleicht, daß ihm das keiner anlasten wird. Man kann es ja auf die Unternehmer schieben. Das alles behaupten nicht „die Unternehmer“, das ist einfach Fakt.

    Wer hingegen irgendwelchen Klassenkampf-Quatsch von sich gibt („Zweityacht“), ist an Logik nicht interessiert. Sie verkennen auch, daß der Weg vom Unternehmensgewinn in die Kasse der Zweityachtenverkäufer erst einmal eine Entnahme voraussetzt, wobei wieder Steuern anfallen. Wer sagt denn, daß Unternehmensgewinne per se erst einmal böse sind?

    Und last but not least: Ich habe nirgendwo darüber geredet, wer etwas bezahlen soll. Wohl aber darüber, wer es bezahlen wird. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie das alles nicht sonderlich interessiert, da es nicht in Ihre Weltanschauung passt.

  3. Anonymus sagt:

    Vielen Dank Herr Bomhard für Ihre kleine Nachhilfe in Sachen BWL, die habe ich sicher nötig. Ich verlor mein Interesse daran nämlich, als ich durch eine offene Tür des Audimax der LMU den BWL-Dozenten brüllen hörte: „Warum sind wir alle hier, worum geht es uns hier eigentlich? Es geht hier einzig und allein um unseren persönlichen Gewinn!“ Spätestens seit diesem Zeitpunkt war mir klar, dass es Unternehmern, oder lassen Sie es mich genauer ausdrücken, Anteilseignern primär nicht um das Produkt, oder die Dienstleistung geht, die sie produzieren lassen, sondern um das, was am Ende des Tages / des Monats / des Jahres auf ihrem Konto landet.

    Zurück zum Thema: Soziale Gerechtigkeit bedeutet für mich, dass die „Starken“ mehr nötige Belastungen schultern müssen als die „Schwachen“. Wer stark und wer schwach ist, kann man denke ich auf folgender Grafik ganz gut sehen: http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/hbs_showpicture.htm?id=39218&chunk=2

    Tarifgebundene Löhne und Gehälter sind im letzten Jahrzehnt real leicht gestiegen, nicht tarifgebundene Reallöhne sogar gesunken. Wie sieht es bei den Unternehmensgewinnen und Vermögenseinkommen aus, Herr Bomhard? Wer ist stark, wer ist schwach?

    Unternehmensgewinne sind nicht böse, sie sind ungerecht. Sie sind deshalb ungerecht, weil Kapital (darf ich dieses Wort benutzen, ohne als Kommunist abgestempelt zu werden?) nicht arbeitet. Kapital (Geld, Immobilien, Maschinen) steht nicht jeden Morgen auf und geht arbeiten. Ich habe noch nie einen Euro gesehen, der mich morgens beim Bäcker bedient, genauso wenig wie ich ein Gebäude schon einmal am anderen Ende der Leitung hatte, als ich bei einem Unternehmen anrief. Die Arbeiter und Angestellten arbeiten, daher sollten diese auch den Löwenanteil davon erhalten, was nach Abzug der Kosten übrig bleibt. Ich stelle nicht in Abrede, dass auch die Kapitalisten (huch, schon wieder so ein Wort) einen Anteil dafür bekommen sollen, dass sie Ihr Kapital (woher das allerdings erst einmal kommt, ist ein anderes Thema) zur Verfügung stellen. Nur stimmt das Verteilungsverhältnis, zumindest meiner Meinung nach, ganz einfach nicht.

  4. svb sagt:

    Sie schreiben: „Zurück zum Thema: Soziale Gerechtigkeit bedeutet für mich, dass die “Starken” mehr nötige Belastungen schultern müssen als die “Schwachen”.“

    Ich hätte geschrieben: „Noch weiter weg vom Thema: Soziale Gerechtigkeit bedeutet, dass die Starken mehr nötige Belastungen schultern als die Schwachen.“ – ich weiss jetzt aber nicht, ob Sie die Unterschiede sehen?

    Zurück zum Thema: Sie haben mich nicht überzeugt.

    1. Eine Steuer, die vermeidbar ist, trifft nicht Arme stärker als Reiche. Eher umgekehrt. Was ist daran sozial ungerecht?
    2. Wer Unternehmensgewinne abschöpfen will, sollte nicht die Produktionskosten erhöhen, sondern das tun, was er eigentlich tun will: Die Gewinne besteuern, und zwar am besten erst bei der Entnahme. Das war aber ohnehin Ihr Thema und hat mit meinem Artikel nichts zu tun.
    3. Sie haben an einer Stelle Recht: Nicht jeder, der das Wort „Kapital“ in den Mund nimmt, ist Kommunist (gibt es die überhaupt noch? Und was meinen Sie mit „abgestempelt“?). Als Marx seine Thesen entwickelt hat, ging es darum, daß dem Arbeiter die Differenz zwischen dem Wert seiner Arbeit und der reinen Subsistenz vorenthalten wird, wodurch ein Monopol an Eigentum an Produktionsmitteln entsteht. Was hat das mit dem 21. Jahrhundert zu tun?
  5. Anonymus sagt:

    Ihr Thema war Energiepolitik. Sie kamen zu dem Punkt, dass der Weg zu erneuerbaren Energien durch steigende Preise für wachsende Kosten verantwortlich ist. Dann beklagten Sie, dass versucht wird auch die viel Energie benötigenden Unternehmen dazu zu bewegen, diese höheren Kosten zu zahlen. Irgendwer muss sie zahlen, oder? Also kommt man eben doch zu der Frage, wer das bezahlen soll, vorausgesetzt natürlich auch Sie sind der Meinung, dass wir diesen Weg überhaupt gehen sollten.

    Es gibt, korrigieren Sie mich, sollte ich falsch liegen, zwei Arten von Einkommen. Das Einkommen durch Arbeit und das Einkommen aus ökonomischen Kapitalerträgen. Wenn der Staat nun ein Vorhaben finanzieren will, das die Individuen nicht besser selbst erledigen können, muss er diese Einkommen durch Abgaben belasten. Das führt mich zu der Frage, in welcher Höhe welches Einkommen belastet werden sollte.

    Leistung sollte belohnt werden, auch und vor allem durch Einkommen, wenn durch die Leistung Einnahmen erziehlt werden. Und so komme ich für mich zu der Antwort, dass Erträge aus ökonomischen Kapital wesentlich höher belastet werden müssen, als Einkommen aus Arbeit. Kapital leistet selbst nämlich garnichts. Kapital ist nur Mittel zum Zweck.

    Und jetzt wieder zum Thema: So lange Unternehmen Gewinne machen, können sie auch höher belastet werden, ohne das zwingend der Preis ihrer Produkte beim Endverbraucher steigen muss! Oder würden Kapitalisten dann aufhören, ihr Kapital in die reale Wirtschaft einzubringen? Geht es nicht darum, der Gesellschaft Produkte zur Verfügung zu stellen? Geht es letztlich doch nur darum, seinen persönlichen Gewinn zu maximieren?

    Und wenn Sie mich fragen, was sie ja auch taten: Auch heute wird Arbeitern und Angestellten die Differenz zwischen dem Wert ihrer Arbeit und dem Existenzminimum vorenthalten. Nicht mehr in dem Ausmaß wie zu Marx‘ Zeiten, wofür die Arbeiter auch viel Schweiß und Blut lassen mussten, aber einen gerechten Lohn erhalten sehr viele von ihnen auch heute nicht.

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>