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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Freitag 7. März 2014

Alle Grausamkeit entspringt der Schwäche.
Lucius Annaeus Seneca

 

Ablenkungsmanöver (2)

putti_animWas ist eigentlich aus Sebastian Edathy geworden? Zur Erinnerung, übereinstimmend waren annähernd alle Menschen der Meinung, er gehöre zu der Sorte Menschen, mit denen ein anständiger Mensch nichts zu tun hat. Ebenso war gesichert, daß ihm bis jetzt nicht nachgewiesen werden konnte, etwas gemacht zu haben, was verboten ist. Oder, hier wird nun fein unterschieden, nichts strafrechtlich relevantes. Jedenfalls schlugen über ihm die Wogen der Empörung zusammen, schließlich war es ja irgendwas mit Kindern, das er angestellt hatte, und ganz feinsinnig hatte das BKA ja noch bemerkt, daß angeblich bislang noch jeder, der solche erlaubten Bilder besessen habe, auch illegale hatte. Wenn man lange genug suchte. Nicht, dass man bei ihm etwas gefunden hätte, aber, wie gesagt, das heißt so viel wie „noch nicht“, weswegen seine Partei schon mal höchst vorsorglich ein Parteiausschlußverfahren in Erwägung zieht.

Dem jetzigen Justizminister Heiko Maas dauert das zu lange. Kein Wunder, gehört er doch derselben Partei an und will auf jeden Fall verhindern, daß man am Ende ihn für irgendwas gar verantwortlich machen könnte. Daher muß nun dafür gesorgt werden, dass das, was Edathy nachweislich getan hat, auch schon verboten wird. Das trifft dann zwar rückwirkend auf Edathy nicht mehr zu, ist aber wunderbar geeignet zu erklären, wieso hier die Unschuldsvermutung gar so sehr außer Acht gelassen werden durfte.

Im Schnellschuß klang das Gesetz ultimativ protektiv für Kinder: Es dürfen überhaupt keine Bilder mehr von nackten Kindern zugänglich gemacht oder auch nur aufgenommen werden, der Begriff „Kinderpornographie“ soll so weit gefaßt werden, daß er alles umfaßt, was ein normaler Mensch ohnehin nicht anschauen würde. Dieser etwas kindlich naive Ansatz löste dann erstaunlicherweise Brauenrunzeln aus, so daß unser Justizminister noch nachlegte, die eigenen Kinder am Strand dürfe man weiterhin nackt photographieren.

Na bravo. Ich habe, wenn ich so was höre, ein mulmiges Gefühl. Das ist keine Rechtspflege mehr, das ist Aktionismus, um die Massen ruhigzustellen. Selbstverständlich müssen unsere Kinder geschützt werden, aber vor wem? Vor was genau? Während der ganzen Diskussion um diese Affaire fielen mir ein paar Fragen ein:

  • Die SZ hatte als Titelbild einen kleinen Buben, verkleidet als Papst, wie er vom echten Papst hochgehalten wird. Der Bub könnte sein Leben lang stolz auf dieses Bild sein, nur leider plärrt er, was das Zeug hält. Er will nicht vom Papst gehalten werden und er will sicher nicht, daß ich mir dieses Bild ansehe, vor allem später. Wer hat der Zeitung die Erlaubnis gegeben? Die Eltern? Die das Kindeswohl im Auge hatten? Vielleicht wäre es dem Buben lieber gewesen, er wäre nackt und fröhlich auf dem Bild.
  • Wer glaubt, das sei ein Einzelfall, schaut sich mal bei YouTube und Facebook um. Was Eltern da von ihren Kindern ins Netz stellen dürfputten-philipp-otto-runge-grte den armen Kindern eines Tages sehr peinlich sein. Was kein Plädoyer dafür sein soll, auch hier das Strafrecht zu erweitern.
  • Danke, Herr Maas, daß ich in Zukunft meine Kinder nackt photographieren darf. Aber wissen Sie was? Danke nein. Ich habe sicherheitshalber nachgesehen, selbst bei Badewannenbildern, die es von vermutlich allen europäischen Kindern gibt, sind sie angezogen, und wenn es mit Schaum ist.
  • Wie stehen Sie, Herr Maas, in Zukunft zu der Frage, ob Briefmarkensammler in Zukunft straffrei ausgehen sollen? Ich denke da an dieses Bild:

Wie gerne gäbe ich dem recht, der nun sagt, das alles hier sei eine polemische Übertreibung. Lassen wir uns mal von diesem neuen Gesetz überraschen. Dass es irgendetwas an der Situation von Kindern ändert, denen Böses angetan wird, bezweifle ich stark. Es erinnert mich vielmehr an die Aktion eines Pfarrers in Italien in den 70ern des letzten Jahrhunderts, der sich weltweit Gespött aussetzte, weil er den Putti in seiner Kirche himmelblaue Höslein häkelte, da er die nackigen Engelchen anstößig fand.

Wie, Engel sind keine Kinder? Falsch, selbst 20-jährige, die sich als „Kinder“ verkleiden, fallen unter „Kinderpornographie“. Oder, noch besser, gemalte Pornos, beispielsweise Hentai aus Japan, wo die Protagonisten alle aussehen wie Kinder, sind verboten. Natürlich habe ich sicherheitshalber ein erlaubtes Bild aus dem Internet gesucht (Quelle: Wiki commons, Autor: Niabot).

Das alles heißt nichts anderes, als daß in Deutschland auch gemalte Bilder von nackten Kindern verbote sind. Das ist pikant, denn die Bilder von Ernst Ludwig Kirchner dürfen gezeigt werden, auch wenn Experten der Meinung sind, es ginge darauf um Pädophilie. Konsequenterweise müßte man die Bilder vernichten.

Der Hintergrund: In Deutschland herrscht die Meinung, daß man bereits durch das Betrachten von Bildern sexuell umgeprägt werden könne. Frau von der Leyen, damals Familienministerin, nannte das geschmackvollerweise „angefixt“. Daher ist es logisch, daß Pornobilder von verkleideten erwachsenen Prostituierten genauso verboten sind wie Hentais.

Das Erschreckende: Mit der Aufweichung des Begriffes „Kinderpornographie“ verschwimmen die wirklich strafwürdigen Taten und  die echten Täter sind immer schwerer zu identifizieren.

Raphael_Raffael_Trionfo_Galatea_Angels_Engel_Putten_RAP79_k

 

Ein Kommentar zu “Ablenkungsmanöver (2)”

  1. Links 2014-03-08 | -=daMax=- sagt:

    […] Ablenkungsmanöver. Ein lesenswerter Kommentar zum Thema Kinder"pornographie" und dem schnell dahergeschluderten […]

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