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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Dienstag 8. August 2017

Der Edle strebt nach Harmonie, nicht nach Gleichheit. Der Gemeine strebt nach Gleichheit, nicht nach Harmonie.
Konfuzius

 

Der Aufreger der Woche

Ganz offensichtlich hat die Saure-Gurkenzeit schon begonnen: ein Google-Mitarbeiter bemerkt, dass Männer und Frauen nicht gleich seien und schon beginnt nicht nur ein Shitstorm, sondern tausende Kilometer entfernt fällt auch die Presse über den Mann her. Aber was genau ist passiert?

Jener Mitarbeiter von Google, ein Ingenieur, wie es heißt, männlich, wie es heißt, legt in einem internen Schreiben dar, daß er glaube, dass Männer und Frauen unterschiedlich seien.  Ui ui ui – vermintes Gelände. Noch dazu in den USA, wo man, ähnlich wie bei uns, den Rest der Geschichte nicht erzählen muss. Es ist eh klar, wie es weitergeht.

Dabei ist die Behauptung erst einmal nicht falsch. Ich selbst habe mit wirklich vielen Frauen und Männern in technischen Abteilungen zusammengearbeitet und dabei beobachtet, dass Frauen und Männer unterschiedlich an Probleme herangehen. Eigentlich eine Binsenweisheit, insbesondere, wenn man konstatiert, daß es sich hier um statistische Beobachtungen handelt. Natürlich gibt es die geniale Programmierin, und erst recht gibt es den völlig unbegabten männlichen Techniker. Weibliche Nerds? Klar gibt es die. Ich kann nur für jede Nerdine 10 Nerds aufzählen. Ist so. Und wenn ich höre, dass ein Programmierer 36 Stunden durchprogrammiert hat, dann zusammengebrochen ist, aber die Software lief, dann stelle ich mir einen Mann vor. Wenn ich höre, dass das eine Aushilfe war oder eine frisch eingestellte Programmierkraft, stelle ich mir immer noch einen Mann vor, trotz der sprachlich weiblichen Variante. Am Gendern liegt es also nicht, eher an meiner persönlichen Erfahrung.

Aber ist das denn überhaupt schmeichelhaft für die Männer? Was genau ist hier der Aufreger? Daß Männer auf eine gewisse brutale Art konzentrierter sein können als Frauen, wieder rein statistisch betrachtet?  Wobei ja keine Aussage darüber getroffen wurde, ob das gut oder schlecht, anerzogen oder genetisch bedingt, freiwillig oder zwanghaft ist. Auch läßt es keine Schlussfolgerung für den einzelnen Menschen zu. Und darüber ist es sehr wohl erlaubt nachzudenken. Der Googlemitarbeiter befürchtet allerdings, dass dabei nichts herauskommen wird.

Worum es ihm geht, wird schnell klar. Er meint, mit Quoten und ähnlichen Methoden künstliche Zahlengleichheit herzustellen, sei kontraproduktiv. Vermutlich hat er das intern bereits ein paarmal geäußert und wurde dafür scharf kritisiert. So beginnt sein Text mit

Google’s political bias has equated the freedom from offense with psychological safety, but shaming into silence is the antithesis of psychological safety.

Ich würde das so übersetzen:

Googles politische Voreingenommenheit hat das Freisein von Beleidigungen gleichgesetzt mit psychologischer Sicherheit, aber durch Beschämung zum Schweigen zu bringen ist das Gegenteil von psychologischer Sicherheit.

Dabei schwingt für shaming durchaus auch to name and shame someone mit, jemanden öffentlich anprangern. Und ich habe keine gute Übersetzung für psychological safety, besser wäre vermutlich „psychische Sicherheit“. Davon unabhängig: Was will der Autor damit sagen? Es fordert eine offene Diskussion. Interessant ist, was in der Presse zu finden ist, hier die „Übersetzung“ in einer Redaktionsmeldung (www.pressetext.com)

„Die politische Voreingenommenheit bei Google, jegliche [potentielle] sexistische oder rassistische Beleidigung zu unterbinden, um psychologische Sicherheit zu gewährleisten, führt dazu, dass manche aus Scham zum Schweigen gebracht werden. Und das ist das Gegenteil von psychologischer Sicherheit.“

Geht es nur mir so? Das ist nicht dasselbe. Und genau so bin ich auch draufgekommen, das genauer zu überprüfen, denn zunächst dachte ich „dieser Unglückswurm ist schon so angepasst, daß er selbst seine eigenen Einlassungen als sexistische Beleidigung ansieht!“ Aber das erschien mir einfach zu wenig logisch.

So suchte und fand ich den Text im Netz und zitiere nochmal daraus:

Differences in distributions of traits between men and women may in part explain why we don’t have 50% representation of women in tech and leadership. Discrimination to reach equal representation is unfair, divisive, and bad for business. We need to stop assuming that gender gaps imply sexism. Discriminating just to increase the representation of women in tech is as misguided and biased as mandating increases for women’s representation in the homeless, work-related and violent deaths, prisons, and school dropouts.

Ohne jetzt alles zu übersetzen, die zentrale Aussage lautet:

Wir müssen aufhören zu denken, dass Ungleichheit der Geschlechter irgendwas mit Sexismus zu tun hat.

Und da hat er zweifelsohne recht. Aber es wird ihm nichts nützen. Auch wenn Danielle Brown, Googles Diversity-Leiterin, eine Mail an alle Angestellten geschickt hat, in der sie sagte, Google wolle eine Kultur, in der jene mit abweichenden Sichtweisen sich sicher fühlen könnten, ihre Ansichten zu teilen. Das kriegt sie vielleicht Google-intern hin, außen herrscht die Inquisition. Man muss sich nur anschauen, was geifernd über dem Artikel von pressetext.com getitelt wurde:

 

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