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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Freitag 22. September 2017

Festina lente! (Beeile dich langsam!)
Lat. Sprichwort

 

Breitbandausbau und Digitalisierung

Es wird immer wieder gefordert, dass in Deutschland die Glasfasern ausgebaut werden müssten, sonst käme das mit der Digitalisierung niemals in Gang. Ist das so?

Breitbandversorgung

Die überwiegende Mehrheit der Deutschen hat durchaus Zugriff auf eine brauchbare Netzanbindung. Dass es noch unterversorgte Gebiete gibt, bekommt der Normalbürger nur zu spüren, wenn es ihn im Urlaub in entlegene Gegenden verschlägt. Dort genießt er die unberührte Natur, aber abends fällt ihm auf, dass unberührte Natur neben Stechmücken auch andere Nachteile haben kann.

Seit das Internet mobil geworden ist, gibt es eine zweite Form der unbrauchbaren Internetanbindung – das Funkloch. Das merkt man vor allem im Auto. Früher konnte man noch sagen, wer Auto fährt, soll nicht ins Internet schauen. Heute schaut das Auto selbst ins Internet, und da sollte das Netz doch da sein.

Kein Zweifel, die Netzinfrastruktur muss weiter ausgebaut werden und vielleicht hat ein Ministerialbeamter oder ein Bürgermeister eine gute Idee, wie man einen der privatisierten Telekommunikationsanbieter locken kann, auch in zunächst wirtschaftlichen weniger lukrativen Gegenden Präsenz zu entwickeln. Nicht, dass das nicht schon versucht worden wäre – der Erfolg hat sich nur lähmend langsam eingestellt.

Vielleicht liegt das auch daran, dass heute von der Politik immer gerne von Breitband schwadroniert wird – und dann geht es grad mal um ein paar jämmerliche MBit. Ehrliche Carrier verlegen keine DSL Infrastruktur oder betreiben Vectoring auf altem Kupfer, wenn man Breitband von ihnen erwartet. Vielleicht einigen wir uns darauf, eine „vernünftige Anbindung“ zu erwarten, was auch immer das dann im Einzelfall ist. Manchmal ist man froh, wenn man wenigstens jene „jämmerlichen paar MBit“ hat.

Was hat das alles mit der Digitalisierung zu tun? Nicht viel. In den USA ist die Internetversorgung durchschnittlich recht gut. Nimmt man aber die Großstädte aus und das Silicon Valley, geht der Schnitt dramatisch runter. Nicht einmal entlang der Highways ist man vor Funklöchern sicher, manchmal fährt man eine ganze Stunde, bis man wieder Empfang hat. Viele Spielfilme bauen ihre Handlung darauf auf, daher weiß man das eigentlich bei uns, aber das Silicon Valley überstrahlt alles.

Digitalisierung

Und nun, mal ehrlich, glaubt irgendwer, dass die Datenverbindungen ein Grund sind, wieso wir im Moment so fürchterlich abgehängt werden in Sachen Internet und Digitalisierung? In den USA wurde das Internet groß und das Silicon Valley entstand, als dort außerhalb der Ballungsgebiete nichts zu kriegen war und selbst heute sind die Funklöcher dort legendär. Natürlich, das Land hat auch viele dünn besiedelte Gebiete, aber was wollen wir denn hier vergleichen? In den dichter besiedelten Gebieten gibt es bei uns längst äußerst brauchbares Internet.

Verstehen wir uns nicht falsch: Die meisten modernen Anwendungen werden einen proof  of concept brauchen, irgendwo muss es das Netz von morgen bereits heute geben, vielleicht vergleichbar mit der Bay-Area. Aber das muss dann nicht die ganze Republik sein. Es geht also um Priorisierung und nicht um ein „Entweder-oder“. Der Ausbau der Netzkapazitäten bleibt wichtig, auch hier will ich Missverständnissen vorbeugen. Dabei Randgebiete auszuklammern ist nicht fair, alles recht. Aber es hat nichts mit der chronisch hinterherhechelnden Digitalisierungszene zu tun.

Vielleicht ist der wahre Grund bestürzend einfach: Bei uns haben sich Gesellschaft und Politik sehr lange Gedanken gemacht, wie man die Entwicklung verhindern kann, „das Internet in seine Schranken weisen“, als ob es eine kriminelle Vereinigung wäre. Und als nächster Schritt bereits kam die Frage, wie man das Internet verwenden könne, um noch mehr Informationen über seine Bürger abzugreifen, bis hin zu den schamlosen Überlegungen zum Staatstrojaner.

Von Festplattenbesteuerung und Zugangserschwernisgesetz zur EMail-Abhörschnittstelle (Legal Interception), Vorratsdatenspeicherung & Co: Das ist nicht das Klima, in dem sich die nächste Generation von Unternehmen gerne entwickeln wird. Und hat endlich jemand verstanden, dass man Daten schützen muss, indem man sie verschlüsselt, kommt von irgendwoher die Forderung nach einer Zweitschlüsselhinterlegungspflicht, oder gleich die Verschlüsselung zu verbieten.

Und damit nicht genug, angesichts des angerichteten Dramas bedroht man einfach die amerikanischen Unternehmen, anstatt hier für ein Klima zu sorgen, in dem hiesige Angebote gedeihen. Helle Köpfe gäbe es, Kapital auch, also können es nur die Rahmenbedingungen sein. Und da müsste eine Politik ansetzen, die etwas von der Materie versteht und sich traut, diese Themen endlich anzupacken. Man wartet höchstens auf die nächste Generation, die weniger Berührungsängste mit moderner Technik haben.

So wird das nichts. Und wenn nun einmütig alle Politiker den Breitbandausbau fordern (ja, von wem eigentlich?), dann handelt es sich in vielen Fällen vermutlich rein

um ein Ablenkungsmanöver

 

Ein Kommentar zu “Breitbandausbau und Digitalisierung”

  1. Armend Aliu sagt:

    Guter Beitrag. Daumen Hoch.
    Eins ist klar, wir sind in Deutschland deutlich hinten nach, was Technikausbau angeht. Egal ob es Netzausbau ist oder freies Wlan im Kaffee und öffentlichen Einrichtungen.

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