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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Freitag 23. Mai 2008

Das Geld ist ein vorzügliches Mittel, um die Armut zu ertragen
Alphonse Allais

 

Geistige Armut

Bildungsentwicklung in HypothetienDie Armutsdiskussion nimmt kein Ende, die Statistik wird weiter bemüht. Die Politiker sind aufgeschreckt: Der Spitzensteuersatz, der 1950 etwas unter einem Prozent der deut­schen Steuer­zahler betroffen hatte, gilt heute für die komplette Mittel­schicht. Die natürlich trotzig sofort verarmt. Das hat die Regierung also eingesehen und greift – zumindest partiell – zu einem gewagten Mittel. Ein kühner Schach­zug! Die mittleren Einkommen sollen endlich entlastet werden (und die höheren abgeschafft, aber das ist ein anderes Thema). Aber es funktioniert nicht, die Politiker sind entsetzt: Die Armut nimmt weiter zu. Was die Politiker nicht verstehen: Sie selbst verstärken die Armut, indem sie den Leuten mehr Geld geben. Unklar? Greifen wir zu einem Gleichnis.

Ein fernes Land, nennen wir es Hypothetien, hat 100 Millionen Einwohner. Eine OECD-Kommission stellt fest, dass leider 19 Millionen der Einwohner faktische Analphabeten sind. Bildungsferne Schichten. Oder drastischer: Totale Bildungs­unter­schicht, geistiges Prekariat, sogar geistig unfähig, zu arbeiten (so etwas bekommt man bei uns vom Staat auch schrift­lich, nachzulesen bei Lawblogger Udo Vetter). Weitere 30 Millionen sind Drei­viertel­an­alpha­beten, weitere 40 Millionen Halb­analphabeten, noch mal 10 sind Viertel­an­alpha­beten, also von erträglicher Bildung. Eine Million der Bürger können sogar lesen und schreiben und somit Informationen nicht nur via Fernsehen entgegennehmen. Statistisch gesehen ist also jeder Bürger dort ein Drittel­an­alpha­bet, oder anders aus­ge­drückt, die Bildungs­rate ist 0,36.

Nach einer Definition der WTO gilt als geistiges Prekariat, wer nur die Hälfte weiss von dem, was der Durchschnittsbürger weiss. Damit bekommt jeder, der zu mindestens drei Viertel Analphabet ist, die geistige Armut bescheinigt. Oder direkt: 19 Millionen bedauernswerte Menschen haben ein geistiges Armutszeugnis. Aber die Kultuspolitik betritt die Bühne, mit eingelegter Lanze: Eine gigantische Alphabetisierungskampagne wird durchgezogen. Und sie ist erfolgreich, aus jeder Schicht werden zwei Drittel zur nächsthöheren Schicht qualifiziert. Die Anzahl der totalen Analphabeten sinkt auf etwas über 6 Millionen. Am besten ist es um die Bürger mit erträglicher Bildung bestellt, diese Schicht hat sich verdreifacht, die Bildungs­ober­schicht sogar fast verachtfacht.

Der Bildungsgrad ist nun bei 0,53. 50% davon sind 0,27. Nach der WTO-Formel sind also 29 Millionen unterhalb dieser Marke zu finden. Das heisst, die Volltrottel haben um mehr als ein Drittel zugenommen.

Genau so funktioniert die Armutsdiskussion. Nur dass so höchstens von Mißständen ab­ge­lenkt wird. Und dass, wer monetär arm ist, diesen Zustand ändern will. Bei den geistig Armen bin ich da nicht so sicher, aber die bekommen ja dafür

irgendwann das Himmelreich.

 

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