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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Donnerstag 16. Juli 2009

Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein
Johannes 8.7

 

Demjanjuk

demjanjukEin schwieriges Thema. Da hat jemand möglicherweise Verbrechen begangen zu einer Zeit, zu der all die, die über ihn zu Gericht sitzen werden, noch lange nicht geboren waren. Mit lebensversicherungsmathematischer Kälte könnte man nun ohne viel Widerspruch formulieren, daß er als 89-jähriger das Ende seines Prozesses vermutlich nicht erleben wird. Dennoch gibt es Leute, die für ihn durchaus noch die Zuständigkeit bei der irdischen Gerichtsbarkeit sehen.

Das Verbrechen: Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen. Mord verjährt nicht mehr in Deutschland und das gilt wohl auch für Beihilfe. Damals war Demjanjuk Anfang 20. Ein junger Mann, dem aber schon einiges widerfahren war. Heute ist er ein alter Mann, der noch viel mehr durchgemacht hat. Rund ein Viertel seines Lebens fand vor der fraglichen Tatzeit statt, drei Viertel danach.

Wie sein Leben verlaufen ist, wünscht man niemandem, unabhängig davon, ob die ihm zur Last gelegten Verbrechen nun tatsächlich von ihm begangen wurden oder nicht. Er hat inzwischen geraume Zeit in einer israelischen Todeszelle zugebracht, war mit dem Vorwurf konfrontiert, ein psychopathischer Killer zu sein („Iwan der Schreckliche“), wurde freigesprochen – das war definitiv eine Verwechslung, verlor dennoch die amerikanische Staatsbürgerschaft und wird nun als Greis erneut angeklagt.

Ist das christlich? Sicher nicht. Ist es gerecht? Das weiß ich nicht und zu glauben, das sicher beantworten zu können, wäre recht anmaßend. Aber eine Frage stelle ich mir, seit ich den Fall Demjanjuk verfolge: Ein Kriegsgefangener, vor die Wahl gestellt, mitzumachen oder die Konsequenzen zu tragen, der dann eventuell wirklich mitmacht… so einem vorzuwerfen, er habe ja nicht wissen können, ob die Konsequenzen wirklich ernsthaft gewesen wären, dazu gehört eine seelische Kälte, die mich schaudern läßt.

Es waren Deutsche, die ihn gezwungen haben, auf ihre Seite zu wechseln. Es waren unsere Vorfahren – und die Vorfahren des Staatsanwalts, der sich zur Aufgabe gemacht hat, einen alten Mann zur Strecke zu bringen. Mögen die Opfer über die Täter richten, in Deutschland sehe ich keine Legitimation für diesen Prozeß.

Ein früher hier zu lesender Artikel weist bei näherer Betrachtung Parallelen auf. Wenn es noch eines weiteren Argumentes bedurft hätte für die Wiedereinführung einer Verjährungsfrist für Mord,

hier wäre ein gewichtiges.

 

Ein Kommentar zu “Demjanjuk”

  1. agc sagt:

    Sie haben recht, es ist etwas Übertriebenes in der Behandlung der Sache. Allein, die Akten der Staatsanwaltschaft kennen wir nicht, die Anklage bis zu deren Verlesung vor der Öffentlichkeit auch nicht.

    Ich traue der münchner Staatsanwaltschaft einiges zu bei der Frage, ob der Prozeß Ausdruck der Würde einer bürgerlichen Gesellschaft oder Exzess eines heute bei uns endemischen Gerechtigkeitsfimmels werden wird. Da es die Chance gibt, daß die Causa zu einer ernsten Auseinandersetzung mit allen – gerade auch der von Ihnen angesprochenen – Gesichtspunkten führen wird, bin ich gegen die Verjährung der Verfolgung solcher Taten.

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