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Samstag 21. August 2010

Auf dem Markt glaubt niemand an höhere Menschen.
Friedrich Wilhelm Nietzsche

 

Internet 3.0 Teil 2

In Teil 1 haben wir erfahren, daß die Netzbetreiber gerne die Contentprovider zur Kasse bitten würden. Die jedenfalls, die viel Geld verdienen. Gerecht scheint dies nicht, denn ohne die Inhalte im Netz wären vielleicht die Kosten geringer, aber es gäbe schon gar kein Netz. Trotzdem, dies ist ein freies Land (meistens), mit einem funktionierenden Markt. Wo also ist das Problem?

Selbst schuld

Die Netzbetreiber haben sich schließlich selbst in die mißliche Lage gebracht, in der sie nun sind. Aus Gier, hauptsächlich, und aus mangelnder Voraussicht. Ein Internetzugang kostet heute nichts mehr. Wer weiß denn noch, daß vor 15 Jahren ein Megabyte Traffic 5 DM gekostet hat? Großabnehmer, die ein ganzes Gigabyte nahmen, kamen vielleicht schon für unter 3000,- DM hin. Andererseits kamen vor 15 Jahren die Netznutzer oft mit weniger als 10 MB im Monat hin, wo heute bereits das Anschalten eines iPhone das fünffache verbraucht.

Keine Frage, das Netz transportiert heute viel mehr als früher, und jahrelang konnte man den Eindruck gewinnen, daß die Netzkapazität keine Grenzen mehr setzen würde.

Killerapplikationen

Die wichtigste Anwendung des Netzes war zu Beginn sicher der Transport von Mails. Gerne wurde berechnet, wieviel Mails weltweit verschickt wurden und ein Mißbrauch des Netzes wurde streng geahndet.

Heute sind achtzig Prozent des transportieren Mailaufkommens einfach Müll, Spam, werden nicht gelesen, sondern einfach weggeworfen. Die Kosten, die hier entstehen, sorgen gelegentlich für Stirnrunzeln, aber an der Verstopfung der Netze sind sie nicht beteiligt. Auch wenn die durchschnittliche Mail heute zehnmal größer ist als vor zehn Jahren, würde man es im Netz kaum noch messen können, würde man für einen Tag keine Mails mehr transportieren. Andere Anwendungen kamen, das sogenannte World Wide Web mit seinen sogenannten Multimedialen Inhalten, also hauptsächlich datenintensiveren Bildern neben den Texten. Das war nichts gegen die Übertragung von Tondateien, trotz der Erfindung von mp3, und das wiederum ist nichts gewesen, gemessen am Datenaufkommen für Videos. Daß HD nicht einfach nur ein neues Format ist, sondern wieder einen echten Sprung in den zu transportierenden Datenmengen ausmacht, läßt ahnen, daß der Verbrauch von Netzressourcen keinesfalls zurückgehen wird. Wo steuern wir hin? Lebensechte Avatare in hyperrealistischen 3D-Umgebungen in immer raffinierteren Spielen? Holographische Übertragung, Reisen werden überflüssig, die Sehenswürdigkeiten werden direkt zum Touristen gebracht, Konferenzteilnehmer tragen Namensschilder, auf denen vermerkt ist, ob sie real anwesend sind oder nur virtuell? Science Fiction, klar. Aber was gestern noch SF war, ist heute schon Standard.

Also Ausbau

Die Entwicklung war durchaus parallel: Das Netz der Netzbetreiber wurde in dem Maß breitbandiger, wie die Endnutzeranschlüsse zulegten. Ein Highspeed Internetanschluß war einmal ein ISDN-Anschluß. 64 Kbit/sec. Oder pfeilschnell mit Kanalbündelung, 128 Kbit/sec. Aber auch hübsch teuer. Heute gibt es DSL und die ISDN-Nutzer sind unterprivilegiert. Und nun gibt es tatsächlich Leute, die Verfassungsbauchweh bekommen, nur weil es Gemeinden gibt, wo man etwas schnelleres als ISDN nur bekommt, wenn man dafür mehr aufwendet als in den Ballungsgebieten, also Geld oder Bündelbestellungen. Das ist natürlich Spintisierei unterbeschäftigter Bürokraten, denn jeder potentielle Wohnort hat Vor- und Nachteile. Bevor ich umziehe, schaue ich halt genauer hin, wie die Versorgung ist, wo ich hinkomme. Internet wäre für mich ein Kriterium, eine gute Autobahnanbindung, ein Bahnhof oder Flughafennähe für andere ein anderes.

Wer bezahlt das eigentlich?

Netzausbau kostet Geld, keine Frage. Früher wurden Nutzer nach Verbrauch zur Kasse gebeten. Das Abrechnungssystem war sehr symmetrisch, Mautstationen waren sowohl bei den Einlässen, als auch bei den Auslässen des Netzes. Wer Daten sendete, zahlte und wer empfing, ebenfalls. Je mehr Traffic, desto mehr Geld, das dann für den Ausbau der Netzkapazitäten zur Verfügung stand. Bei den Sendern, also den großen Portalen oder Applikationshostern ist das heute noch so. Die Empfänger hingegen haben sich an sogenannte „Flat Rates“ gewöhnt. Für einen monatlichen Obolus, den sich jeder leisten kann, hat man unbegrenzt Zugriff auf das Netz. Niemand zwingt die Netzanbieter, derartige Produkte auf den Markt zu bringen, bis auf eben diesen Markt: Ein Konsumentenanschluß mit Verbrauchsabrechnung stößt auf Naserümpfen. Allenfalls ist ein sogenanntes „Fair Flat“-Modell erlaubt, bei welchen die überdurchschnittlichen Nutzer bei Netzengpässen bestraft werden.

Hatten die Netzbetreiber eben noch mit Worst Case Verbräuchen von drei bis vier Gigabyte pro Monat kalkuliert und sollten alle Mehrverbraucher als raubkopierende Musikkonsumenten ausgebremst werden, verzichten heute bereits die ersten auf ihren Fernseher und „schauen Internet“. Der Nachteil: Der Netzausbau finanziert sich eben nicht automatisch über die Nutzung. Dafür nun Google und Co die Schuld zu geben ist durchsichtig.

Markt und Macht

Dennoch begann das Muskelspiel: Große Anbieter wie die Deutsche Telekom oder richtig große wie Verizon wiesen immer lauter darauf hin, daß Google nicht nur den eigenen Provider, sondern auch sie bezahlen müsse. Diese Forderung erntete zu Recht nur Spott und Hohn: Für wen ist es schlimmer, wenn die Telekomkunden Google nicht mehr vernünftig erreichen, für Google oder die Telekom? Zahnlose Drohungen also damals, daher kamen schnell Forderungen nach der Politik. Allerdings verhallten auch diese ungehört. Die eine Hälfte der Politiker hält sich aus dem Internet raus, zu schwierig, zu riskant, zu leicht outet man sich als Dinosaurier, die andere Hälfte grübelt heute noch, wer Recht hat in diesem Streit.

Das Ergebnis: Breschen mußten geschossen werden in die Phalanx der Anbieter. Das ist der Markt. Und so kam es, daß Google und Verizon einen Spezialvertrag aufsetzten: Nicht für den Transport, sondern für den bevorrechtigten Transport bezahlt Google an Verizon. Das wird nicht viel sein, denn für Google war es sehr wichtig, einen Präzedenzfall zu schaffen.

Weitere Provider werden es nicht mehr so günstig bekommen.

Fortsetzung folgt …

 

Ein Kommentar zu “Internet 3.0 Teil 2”

  1. SvB-Blog » Blogarchiv » Internet 3.0 Teil 3 sagt:

    […] Internet 3.0 Teil 2 […]

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