Keine clementia für Clement
Nun ist Wolfgang Clement aus der SPD ausgetreten. Die Kommentatoren sind völlig uneins. Von rätselhaftem Verhalten wird geschrieben. Von einem In-den-Rücken-Fallen gegen Müntefering, der sich gegen Clements Rauswurf ausgesprochen hatte. Unverständlich wurde der Austritt genannt und arrogant, aber im gleichen Atemzug wurde bedauert, daß Clement nicht mehr in der SPD ist.
Manche der Kommentare sind doch völlig überflüssig. Sein Austritt war doch eine klare Sache, es blieb ihm ja nichts anderes übrig. Die Frage war, ob Clement als aufrechter Sozialdemokrat gehandelt hat. Da wurde laviert und verhandelt, und am Ende entschied man sich, Clement nicht rauszuwerfen. Man hatte einen Kompromiß ersonnen. Nur leider hatte niemand daran gedacht, daß ein Kompromiß nicht immer das Mittel der Wahl ist. Manchmal kompromittiert er einfach nur. Clement konnte nicht anders.
Anders sieht es mit der Würdigung der Vorgeschichte aus – der Austritt war ja nur der bis dato letzte Akt eines Boulevardstücks. Die Kommentatoren sind hier natürlich ebenfalls unterschiedlichster Meinung – Clement war auch außerhalb der SPD ein Mann der Kontroverse. Kein Behutsamer, keiner, der eine Gelegenheit zur Profilierung ausließ, nur um vielleicht einmal nicht der Partei zu schaden. Aber ist er damit gleich ein schlechter Sozialdemokrat? Eher ein typischer. Das reicht noch nicht für eine eindeutige Meinung.
Er hat ziemlich zur Eskalation beigetragen oder sie vielleicht sogar komplett allein zu verantworten. Seine „persönliche Erklärung“, nachzulesen beispielsweise bei N-TV, gießt Öl nicht auf die Wogen, sondern ins Feuer:
Erstens: Der von mir verfasste, am 20. Januar dieses Jahres veröffentlichte Kommentar in der ‚Welt am Sonntag‘, in dem ich mich eine Woche vor der hessischen Landtagswahl pointiert kritisch mit den energiepolitischen Vorstellungen der SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti auseinandergesetzt habe, hat in den seither vergangenen gut sechs Monaten eine ungeahnt breite politische Diskussion ausgelöst. Das war und ist durchaus begrüßenswert, denn eine intensive Beschäftigung mit der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Zukunft unseres Landes unter den Bedingungen implodierender internationaler Rohstoffmärkte ist dringend geboten.
Bei der Diskussion geht es aber nicht um eine „intensive Beschäftigung mit der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Zukunft unseres Landes“ – es geht einerseits um seine Einmischung in den hessischen Wahlkampf und andererseits um seine von vielen als anrüchig empfundene Lobbyarbeit für RWE. Diese Rhetorik ist nicht schlecht, aber sie hat wohl nicht bei jedem verfangen.
Bemerkenswert ist auch der Schluß seiner Erklärung. Er zitiert Heinrich Albertz, 1966/67 Regierender Bürgermeister in Berlin:
In einer Gesellschaft, die sich demokratisch nennt, wird man sich daran gewöhnen müssen, dass manche den Mund auftun, wenn sie es für richtig halten, und auch Zeitpunkt und Ort ihrer Äußerungen selbst bestimmen.
Zwei Dinge fallen auf: Albertz hatte auch schon Probleme mit dem Rückhalt in der Partei, wie Clement. Und Albertz hatte von der demokratisch genannten Gesellschaft gesprochen. Damit hat er zwar gesagt, daß man seiner Partei in den Rücken fallen darf, wann immer und wo immer man das für richtig hält. Aber er hat nicht gesagt, dass die Partei das gut finden muß.
So endet die politische Karriere eines Mannes. Aber er hat ja bereits wieder neue Angebote: Wie in der Bild am Sonntag nachzulesen war (und sofort überall eifrig zitiert wurde), hat ihm Bundeswirtschaftsminister Glos eine Schnuppermitgliedschaft in der CSU angeboten. Das kann nur ein Scherz sein. Die CSU duldet doch Abweichungen noch viel weniger als die SPD, bei der die Demontage der Parteiführung zur Leitkultur gehört! In der CSU hätte Clement vermutlich 2,8 Pauli auf der nach unten offenen Pauliskala.
Und das wäre wohl ein bißchen zuviel der Ehre.