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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Mittwoch 1. April 2009

Alle Ideen, die man aus Büchern erhält, kann man tot nennen im Vergleich mit jenen, die man durchs Anschauen bekommt.
Nikolai Michailowitsch Karamsin

 

Ein unglücklicher Vergleich

wappenDer bayerische Innenminister Herrmann sollte sein Beraterteam einer kritischen Würdigung unterziehen. Die aktuelle Pressemitteilung ist jedenfalls recht unglücklich formuliert. Greift man das Resümee am Schluß gezielt heraus, geht die Sache sogar arg daneben:

Killerspiele widersprechen dem Wertekonsens unserer auf einem friedlichen Miteinander beruhenden Gesellschaft und gehören geächtet. In ihren schädlichen Auswirkungen stehen sie auf einer Stufe mit Drogen und Kinderpornografie, deren Verbot zurecht niemand in Frage stellt.

Die Wahrheit ist:

Kinderpornographie ist verboten. Es gibt keine Ausnahmen. Wer so ein Material besitzt und sogar vielleicht sammelt, ist krank. Niemand, der nicht schon krank ist, fängt aber so eine Sammlung an. Und solange wir uns auf Deutschland beschränken, gibt es keine Diskussion, was Kinderpornographie überhaupt ist. In den USA ist das anders. Dort wurde eine 15-Jährige wegen Verbreitung von kinderpornographischem Material belangt – es waren Photos von ihr in Unterwäsche auf einem fremden Handy gefunden worden. Das war in Wyoming. Weit weg, hoffentlich. Und nicht sehr hilfreich, wenn man schlimme Dinge bekämpfen will.

Drogen sind teilweise verboten. Es gibt eine Menge Ausnahmen. Manche machen nicht süchtig. Manche schon. Manche sind schnell tödlich. Wer Drogen ausprobiert, ist gefährdet. Auch wenn es wohl genetische Unterschiede auf die Suchtgefährung des Einzelnen gibt, so ist letztlich jeder gefährdet. Definiert man Drogen durch ihr Verbot mittels Betäubungsmittelgesetz, so sind natürlich alle Drogen verboten. Dass Drogen mit schlimmen Folgen verboten werden oder verboten gehören, stellt niemand in Frage. Die alte Forderung, bestimmte Drogen bei uns zu legalisieren, kennt aber vermutlich jeder. Somit kann man hier nicht von „niemand“ reden. Schade, dass die bayerische Staatsregierung Nikotin vom Drogenzettel wieder heruntergenommen hat. Liebe Raucher, seien Sie mir bitte nicht böse. Ich war einer von Ihnen, aber die bayerische Nichtraucherregelung war dennoch eine der Lichtblickentscheidungen der bayerischen Politik…

Gewaltspiele sind nicht verboten. Sie gehören sehr eng zu unserer Kultur. Oder überhaupt zum Menschen. Es gibt ein Spiel, bei dem Bauern geschlachtet werden, einfach so! Und alles nur, um am einen Mord vorzubereiten, einen Mord an einem König noch dazu. Aber kein Mensch will Schach verbieten. Oder Mensch-ärger-Dich-nicht. Zynischer schon ein Spiel, bei dem es um die Weltherrschaft geht. Wie oft habe ich schon die Welt von der Roten Armee befreit? Oder habe mit erdrückender Übermacht Indonesien überrannt, um doch in Australien einzufallen? Das Spiel heißt Risiko – und es hat mich nicht verroht.

Aber hier geht es nur um Spiele auf dem Computer. Fast immer ist die Rede von Counterstrike, denn da schießen Menschen auf Menschen. Naja, besser Avatare auf Avatare, und wenn ein Avatar getroffen wird, so zerplatzt er förmlich und rote Farbe spritzt herum. Nicht sehr realistisch, wenn man genau hinschaut, und das ist auch gut so. Gefühlt einhundert Prozent aller Amokschüler haben also Counterstrike auf ihrem Rechner. Dass das eine Studie festgestellt hat und dies zum Anlaß genommen hat, über Zusammenhänge zu schwadronieren, hat Harald Staun in der Frankfurter Sonntagszeitung vor einiger Zeit zu dem Ausruf getrieben „Wie erbärmlich ist so eine Studie“. Ist es doch so, dass man gefühlt auf 100% aller Rechner von (männlichen) Schülern Counterstrike findet! Was auch die Techniker von SpaceNet zu der maliziösen Aussage gebracht hat, dass damit auch erwiesen ist, dass alle Amokläufer Windows als Betriebssystem haben (Counterstrike läuft unter Windows).

Umgekehrt: Ein junger Mann, der in solchen Spielen nicht die völlig harmlose Fortsetzung des Spielens mit Holzschwertern erkennt, um den muss man sich Sorgen machen. Aber den findet man nicht durch Verbot von Spielen. Und so therapiert man ihn nicht, und so schließt man ihn notfalls auch nicht weg auf Nummer Sicher. Und erst recht ist nichts erreicht durch ein Gleichsetzen von Spielen mit Kinderpornographie und Rauschgift! Bei Spielen gibt es zu Recht eine Altersbeschränkung. Und man kann darüber diskutieren, ob bestimmte Spiele geschmackvoll sind. Und ich würden einem Vierzehnjährigen nicht erlauben, Tag und Nacht vor dem Computer zu sitzen. Auch nicht, wenn sein Spiel ein Schachprogramm ist. Aber ersetzen Sie hier mal den Gegenstand der Betrachtung, das Wort „Spiel“, durch das Wort „Kinderpornographie“!

Herr Staatsminister Herrmann, verzeihen Sie mir die offenen Worte: Lassen Sie sich mal von einem Jugendlichen ein paar Spiele zeigen. Spielen Sie selbst mal. Ermahnen Sie die, die jene Pressemitteilung verfasst haben. Verbieten Sie nicht einfach „irgendetwas“, damit etwas getan wird, auch wenn Ihre Berater Ihnen dies empfehlen, es wirke so entschlossen. Fördern Sie meinethalben künstlerisch wertvolle gewaltfreie Spiele. Seit Myst und Riven glaube ich auch, dass es so etwas überhaupt gibt. Aber Vorsicht, die laufen nur unter Windows. Und wir haben ja gerade gelernt, dass einhundert Prozent aller Amokschüler

Windows auf ihrem Rechner hatten.

 

Ein Kommentar zu “Ein unglücklicher Vergleich”

  1. deam.org » Blog Archive » Aggressive Zeiten wie diese sagt:

    […] ein wichtiger Querverweis: das Blog von Sebastian v. Bomhard – im speziellen die Posts “Ein unglücklicher Vergleich” und “Zensur und kein […]

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