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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Donnerstag 1. Juli 2010

Gott hat die Esel geschaffen, damit sie dem Menschen zum Vergleich dienen können.
Heinrich Heine

 

Ich bin jünger als Hitler

Es gibt nichts, was einem so viel mediale Aufmerksamkeit schenkt wie ein NS-Vergleich. Das wird manchmal von Politikern genutzt, dann hat es ein G’schmäckle, aber manchmal „passiert“ es auch Normalos. Wie zum Beispiel Katharina Müller-Hohenstein, die vom „Inneren Reichsparteitag“ geredet hatte.

Irgendwie ist ja doch den meisten klar, dass es sich dabei um einen ironischen Ausdruck handelt. Einen, den man im Dritten Reich nur unter guten Freunden verwendet hätte und da auch nur geflüstert. Dennoch war sich die veröffentlichte Meinung einig: Das war eine Entgleisung. Der Logiker reibt sich verwundert die Augen, der Historiker sperrt Mund und Nase auf und jeder Ausländer schüttelt mit dem Kopf.

Nun also Dieter Dehm: Er sagt, die Wahl zwischen Gauck und Wulff sei für ihn wie die Wahl zwischen Hitler und Stalin. Er ist kein Politiker, aber er nimmt für die LINKE an der Bundesversammlung teil. Daß die LINKE Gauck nicht mag, haben wir zur Kenntnis genommen, Gauck mag die LINKE ja auch nicht und hält sie für nicht regierungsfähig. Deshalb wollten wir ja Gauck, eben weil er nicht weichgespült war, sondern konsequent und sich bei den LINKEN nicht angebiedert hat, auf die Gefahr hin, daß die LINKE dem CDU-Kandidaten Wulff zum Bundespräsidentenamt verhilft. Aber das ist ein anderes Thema.

Was würden Sie tun, wenn Sie die Wahl hätten zwischen Hitler und Stalin?

Das hat er gesagt. Dehm will Gauck nicht und Wulff nicht und Hitler nicht und Stalin nicht. Es war nicht die Wahl zwischen Hitler und Gauck oder zwischen Stalin und Wulff, bei der sich Dehm nicht entscheiden konnte. Da wäre die hyperventilistische Empörung nachvollziehbar und angebracht gewesen. Von „unsäglichen Entgleisungen“ wurde schwadroniert. Und daß Dehm etwas zurücknehmen solle – was genau, wurde nicht gesagt, aber er hat „es“ inzwischen zurückgenommen. Was ihm nichts nützt, Dehm-Bashing ist weiterhin das Gebot der political correctness.

Man ist erinnert an Skandälchen der Vergangenheit. Herta Däubler-Gmelin (SPD), damals Bundesjustizministerin und sicher keines meiner Idole, sagt im September 2002 “

Bush will von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Das ist eine beliebte Methode. Das hat auch Hitler schon gemacht.

Nun ja. Wenn die Aussage A wahr ist und die Aussage B ebenfalls, dann ist auch A und B richtig. Ein wahrer Satz. Bush macht also was, was Hitler auch gemacht hat. Frühstücken, Schlafen, mit dem Hund rausgehen und von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken. Sollen wir jetzt alle nicht mehr Frühstücken, Schlafen und mit dem Hund rausgehen? Innenpoltische Schwierigkeiten haben ja die wenigsten Menschen auf der Erde.

Willy Brandt hatte sich 1985 über Heiner Geißler geärgert. Er wollte sagen, Heiner Geißler sei der größte Volksverhetzer aller Zeiten. Dann fiel ihm wohl auf, daß das angesichts des viel größeren Volksverhetzers Goebbels so wohl nicht gesagt werden sollte, und er sagte:

Heiner Geißler ist der größte Volksverhetzer seit Goebbels

Skandal! Ja, hätte er besser „Goebbels“ weglassen und doch „aller Zeiten“ sagen sollen?

Selbst der blöde Ausspruch von Oskar Lafontaine, den dieser 1982 seinem damaligen Partei-„Freund“ netterweise in aller Öffentlichkeit und voller Profilierungssucht entgegenschleuderte:

Helmut Schmidt spricht weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben.

Selbst dieser Ausspruch ist wahr. Skandalös? Kaum – eher unsachlich, völlig am Kern der Sache vorbei, rhetorischer Mikrophontest, was auch immer. Aber kein Skandal, nur weil ein Name und der Begriff KZ gemeinsam in einem Absatz stehen.

Ich denke, ich werde nun hingehen und eine Entschuldigung vom Autor dieses Blogs fordern. Er hat mich im Titel des Beitrags mit Hitler verglichen. Der Satz ist wahr, aber so ein ein Vergleich!?!?

Geht gar nicht.

Bildquelle: Tim Schaarschmidt

 

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