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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Sonntag 4. Juli 2010

Ich halte es für einen der größten Beweise menschlicher Klugheit, sich in seinen Worten jeder Drohung oder Beleidigung zu enthalten. Weder das eine noch das andere schwächt den Feind, vielmehr machen ihn Drohungen nur vorsichtiger, und Beleidigungen steigern seinen Haß gegen dich und beflügeln ihn, nachhaltiger auf dein Verderben zu sinnen.
Niccoló Machiavelli

 

Harte Sanktionen für Leberwürste

Die diesjährige Weltmeisterschaft war geprägt vom exitus praecox, dem vorzeitigen Ausscheiden der Favoriten. Der noch wenige Tage amtierende Weltmeister und der Vize – Italien und Frankreich – raus in der Vorrunde. Und der designierte nächste Weltmeister, Brasilien, scheitert bereits im Viertelfinale. So gesehen ist es vielleicht nicht ratsam, überhaupt Weltmeister werden zu wollen, die anderen beleidigten Leberwürste werden den Sieg kleinreden. „Ja, Kunststück, nachdem alle Favoriten weg waren, habt Ihr Deutsche Euch angeschlichen und den Pokal gemopst.“

Die Urbevölkerung Südamerikas war da etwas klüger. Wenn man den auf die präkolumbianischen Zeiten spezialisierten Archäologen glauben mag, wurde nach einem Fußballmatch die unterlegene Mannschaft hingerichtet und als Imbiß gereicht. Na, wenn das mal keine Motivation ist, da kommt nicht einmal Jogi Löw dagegen an. Und niemand heult nach dem Spiel über irgendwelche Fehlentscheidungen des Schiedsrichters oder nicht gegebene Tore. Vielleicht spielen die Brasilianer aus dieser Tradition heraus so gut Fußball? Abgesehen von dem Niederlande-Spiel.

Ungnade für die Verlierer

Da mutet es nachgerade als mildes Urteil an, wenn der nigerianische Präsident Goodluck Johnson seine unterlegene Nationalmannschaft in Ungnade empfing. „Geht uns aus den Augen, Ihr Loser! Zur Strafe für Euer frühes Ausscheiden sollt Ihr zwei Jahre kein Auslandsspiel mehr bekommen, oder es sollen Euch die Füße abfaulen!“ Schlechter Verlierer, aber immer noch besser als Hinrichtung wie bei den Azteken. Oder waren es die Mayas?

Don’t mess with the BIG ones

Aber nun kommt die Pointe. Nachzulesen zum Beispiel in der Süddeutschen:

Die Fifa hat Nigeria ein Ultimatum gestellt. Sollte Staatspräsident Goodluck Jonathan nicht innerhalb der nächsten 48 Stunden die Sperre der nigerianischen Nationalmannschaft für allen internationalen Wettbewerbe aufheben, dann soll Nigeria mit massiven Sanktionen belegt und aus der Fifa ausgeschlossen werden. „Nigeria ist zu weit gegangen. Wenn sie ihre Position nicht innerhalb der nächsten 48 Stunden ändern, dann werden sie aus dem Weltverband ausgeschlossen“, sagteFifa-Generalsekretär Jerome Valcke: „Wir können es einer Regierung definitiv nicht erlauben, zu entscheiden, dass eine Nationalmannschaft mehr an internationalen Turnieren teilnimmt.“

Der Chef des internationalen Fußballverbands FIFA verbittet sich also die Einmischung der Politik in FIFA-Interna. Wow. Starke Worte. Aber wer mischt sich eigentlich wo ein? Wenn Nigeria nicht spielen soll, entscheidet das ein Franzose oder die durch ihre Regierung vertretenen Nigerianer? Selbst wenn man sich über die demokratische Legitimation der nigerianischen Regierung Sorgen machen zu müssen glaubt, dann ist doch Fußball nicht wirklich der Punkt, an dem man da sinnvoll mit Einmischung ansetzt. Aber die Einmischung war ja auch nicht FIFA contra Nigeria, sondern umgekehrt. Zumindest aus der Sicht der FIFA.

Nicht nur Nigeria. Auch Frankreich darf sich warm anziehen, wenn es nach der FIFA geht (Quelle: Express):

„Wir werden ganz genau hinschauen, was in Frankreich passiert. Ich habe die Sportministerin informiert, wie die Institutionen des Fußballs arbeiten. Ich habe ihr gesagt, dass sie sehr vorsichtig sein müssen“, sagte FIFA-Generalsekretär Jêrome Valcke am Samstag in Johannesburg.

Was ist das denn für eine großmäulige Sprache? Ja, wie mächtig sind die eigentlich?

Weltherrscher FIFA

So nahezu alles, was man mit Fußball assoziieren kann, ist mit Marken- und sonstigen Rechten der FIFA belegt. Und assoziieren kann man viel.

Ein Ostereierfabrikant, sich außerhalb der Ostersaison mit „Brotzeiteiern“ ohnehin nur mühsam über Wasser haltend, färbt während der WM als Gag seine Eier mit den charakterischen Achtecken schwarz und weiß ein. Ohne Lizenz. Einen Tag lang kann man die Eier bewundern, dann verschwinden sie aus den Läden und werden durch eine modifizierte Version ersetzt. Schwarze Punkte anstelle der Achtecken, na immerhin. Heftiger traf es den Metzger mit seinen WM-Würsteln. Dicke Abmahnung. Das Kürzel „WM“ gehört während der WM der FIFA. Wenn in der Zwischenzeit irgendwelche Weltmeisterschaften im Hallenhalma stattfinden, müssen die sich „Globalkontest“ nennen, oder so?

Südafrika hat angeblich 30 Milliarden in die WM für den Aufbau von Infrastruktur investiert. Profitiert haben dann aber nicht die kleinen Geschäftsleute und lokalen Anbieter, sondern wieder nur die großen Weltkonzerne, die sich die Lizenzgebühren leisten konnten.

Und das nicht nur am Ort des Geschehens, sondern weltweit. Nehmen wir ein einfaches Lokal. Wer ein WM-Spiel für seine Gäste übertragen will, bezahlt dafür 25 Euro. Dafür muß er sich aber zusätzlich verpflichten, jeweils zehn Minuten vor und nach dem Spiel nicht nur den Fernseher anzulassen, sondern auch den Ton in voller Lautstärke, um die Werbespots nicht zu beeinträchtigen und die Werbepartner der FIFA nicht zu vergrätzen.

Die Bierschande 2006

Das geht eindeutig zu weit. Aber es gibt Schlimmeres. Wir erinnern uns an die Bierschande von 2006: In einem durchaus auch fußballunabhängige Wohngebiete umfassenden Bannkreis rund um das Stadion in München beispielsweise durfte nur das Bier derjenigen Brauereien verkauft werden, die mit der FIFA einen Vertrag hatten. Mit anderen Worten nur ausländisches Bier, keine einzige bayerische Brauerei. Und da die immensen Kosten der FIFA-Lizenz wieder hereinkommen mußten, war dieses ungenießbare Bier auch noch doppelt so teuer.

Absurd …

Unbestätigten Meldungen zufolge durften die Weilheimer Autofahrer nur mit verhülltem Autokennzeichen (WM!!!) näher als 50 Kilometer an ein Stadion fahren und der Wuppertaler Unglücksrabe mit dem Kennzeichen W-M 2006 wurde damals verschleppt und sein Auto nie mehr gesehen.

Vielleicht ist mal an der Zeit, daß nicht die FIFA der Welt mit Sanktionen droht,

sondern umgekehrt?

 

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