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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Montag 23. August 2010

Sicherheitspolitiker, die ansonsten gerne den öffentlichen Raum mit Kameras vollplflastern würden, regen sich plötzlich öffentlichkeitswirksam über Google Street View auf
Florian Stadler

 

Internet 3.0 Teil 3

Der Damm ist also gebrochen, Verizon und Google haben, wie in Teil 2 gesehen, einen Vertrag geschlossen. Ängstliche Zeitgenossen sehen damit das Ende des freien Internets und fordern, solche Verträge zu verbieten. Die Logik ist brisant: Wenn die Politik für sich in Anspruch nimmt, bestimmte Arten von Internetverkehr per Erlaß verlangsamen zu dürfen, vorgeführt in Frankreich, dann hat die Politik im Umkehrschluß natürlich auch die Möglichkeit, eine Verlangsamung zu verbieten. Eine Bevorzugung eines bestimmten Anbieters ist nichts anderes als eine vergleichsweise Verlangsamung seiner Wettbewerber.

Ein anderes Argument: Haben die Provider gerade noch für sich die Netzneutralität in Anspruch genommen, also die Verpflichtung, alle Daten ohne Rücksicht auf den Inhalt, absolut gleichberechtigt zu transportieren, können dieselben Anbieter doch nicht kurz darauf ihre moralischen Bedenken einfach einfach hintanstellen, nur aus pekuniären Interessen. Hier handelt es sich allerdings um ein Mißverständnis. Nicht die Inhalte der Datenpakete werden unterschiedlich behandelt, sondern die Pakete selbst. Und die geschieht nicht auf Weisung von Dritten. Vielmehr werden Verträge geschlossen über eben diese Ungleichbehandlung. Verletzt der Provider mit diesem Handeln seine Verträge mit seinen anderen Kunden nicht, könnte man sagen, die ist sein gutes Recht. Kunden, die das nicht wollen, können – und sollen! – einfach den Provider wechseln. Eine milde Form der Ungleichbehandlung ist heute schon überall zu beobachten. Videokonferenzen und Telephonate werden an einigen Stellen bei Engpässen besser behandelt als Mail oder sonstige auch asynchrion mögliche Kommunikation. Und einige Pakete werden bei Engpässen schlicht fallengelassen. Pingpakete beispielsweise. Merkt keiner, völlig legitim.

Zweischneidigkeit

Bleibt die Frage, ob man den Providern solche Verträge verbieten kann. Nun, hier ist ein freies Land. Trotz allem. Was für die Netznutzer gilt, muß auch für die Netzbetreiber gelten, da kann die Verbraucherministerin, Frau Aigner, noch so die ministerialen Augenbrauen hochziehen. Zwar ist nicht alles, was legal ist, ist auch legitim, aber solange ein Markt existiert und solange die Verbraucher wissen, was los ist, sind solche Vereinbarungen nicht zu beanstanden. Das waren allerdings nun ein paar spannende Voraussetzungen.

Die beruhigende Erkenntnis vorab: Die Provider werde solcherlei Dinge nicht im Verborgenen tun können. Spätestens ein paar Tage nach Bekanntwerden unfairer Verträge wird man im Netz genug Aktivisten finden, die unfaire Anbieter brandmarken.

Dem Durchschnittskonsumenten wird das allerdings egal sein, soviel steht fest. Leider. Er verliert nichts, aus seiner Warte zumindest. Im Gegenteil, sein Abschnitt des Netzes wird profitieren: Er kann weiter fernsehen, Google geht schön schnell. Ok, illegale Musikdownloads werden langsamer, aber da wird sich niemand (laut) beschweren können. Der Staat freut sich auch, zumindest die Internetregulierer – haben doch die Provider „bewiesen“, daß die Netzneutralität zumindest aushöhlbar ist.

Wettbewerb?

Wenn dann einige wenige Netzbetreiber, die sich selbst dann natürlich „die wichtigsten Netzbetreiber weltweit“ nennen werden, mit den größten Portalen Verträge abgeschlossen haben, wird es spannend werden. Der Markt ist rauh. Versuche, Wettbewerbern Steine in den Weg zu legen, gibt es seit jeher. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Hier in Deutschland hat die Telekom einige unrühmliche Beispiele geliefert. Seit ihrem späten Eintritt in den Internetmarkt, den sie eben noch bekämpft hatte,  hält sich die Telekom gerne nicht an Spielregeln. Dies kann sie, nur aufgrund der schieren Größe als ehemaliger Monopolist. In einem echten Markt käme mit so etwas keiner durch.

Ein Beispiel: Die Telekom besteht darauf, Geld zu bekommen für die Übergabe von Daten, die für sie bzw. ihre Kunden bestimmt sind. Wie das? Nun, im Internet gibt es sogenannte Austauschpunkte, Peering Points. Dort treffen sich die Provider virtuell mit ihren Daten und jeder übergibt an jeden die Daten, die für ihn bestimmt sind. Niemand verlangt Geld dafür, die Daten bis zu diesem Punkt zu bringen und niemand bekommt Geld dafür, Daten entgegenzunehmen. Das wäre ja völlig widersinnig, als ob ich von der Post Geld dafür verlangen würde, daß sie meine Briefe bei mir abliefern darf.

Unschuldsengel

Die Telekom macht so etwas mit Unschuldmiene. Als Telephonfirma kennt sie das auch: Für die Entgegennahme eines Telephongesprächs kann der Telephonbetreiber tatsächlich Geld verlangen, das sogenannte Terminierungsentgelt. Aber im Internet gilt das nicht. Hier hat schließlich jeder Endkunde seinen Provider für einen vollwertigen Anschluß bezahlt und alle Provider haben zusammen für die Vollwertigkeit zu sorgen. Anders geht es auch kaum. Niemand sieht einem Datenverkehr an, wer der Anrufer ist und wer der Angerufene. Im einen Fall verschicke ich aktiv Daten, im anderen Fall bin ich vielleicht ein Webserver, den jemand anderes aktiv abfragt. Eine „Terminierung“ gibt es nicht – so gesehen ist das Kostenteilungsprinzip sehr sinnvoll.

Hier wird es ähnlich laufen. Über die Datenlaufzeiten wird ein neuer Markt entstehen, dessen Eintrittshürden höher liegen werden. Verizon könnte zum Beispiel Google diese Durchleitungskosten wieder erlassen, wenn Google einfach nur bei Verizon hostet. Und nur Verizon kann dann schnelle Googlezugänge liefern. Unrealistisch? Nun, wenn Verizon oder ein sich noch bildender Verbund 80 Prozent der Netzugänge kontrolliert, kann durchaus jemand auf solche Ideen kommen.

Fazit

Nennt man garantierte Paketdurchleitzeiten neudeutsch Service Level Agreement, kurz SLA, kann eine Vereinbarung wie zwischen Google und Verizon getroffen nicht nur harmlos, sondern sogar technisch wünschenswert sein. Seit diesem Vertragsabschluß jedoch ist das Internet nicht mehr das, was es mal war. Aber das war es bei näherer Betrachtung noch nie. Trotz unfairster Attacken gab es aber bisher immer noch einen funktionierenden Markt, zumindest bei Langzeitbetrachtung. Sparen wir uns Emotionen und Illusionen – wo gehobelt wird, fallen Späne und wo Geld verdient wird, wird intrigiert. Jeder kämpft um ein noch größeres Stück Kuchen. Wieso auch nicht?

Alle denken immer nur an sich, nur ich, ich denk an mich.

 

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