GEZ noch?
Bei der Frage nach der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks prallen mit schöner Regelmäßigkeit die Fronten aufeinander. Mit Häme, Destruktivismus und gelegentlich amüsanter Polemik dreschen alle möglichen Interessengruppen aufeinander ein. Sachlichkeit wird eher als hinderlich empfunden.
Dabei ist alles doch so einfach. Wollen wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Der ganze Rest beantwortet sich quasi von selbst. Und? Wollen wir? Jetzt kommt oft das berühmte Opernargument: „Ich nutze es nicht, wieso also sollte ich dafür zahlen?“ Das ist zwar piefig und spießig, aber man hört es doch immer wieder. Man zahlt doch nicht für die konkrete Nutzung, sondern für die Existenz! Ich lebe gerne in in einer Kulturstadt, die eine Oper hat. Ich gehe da auch hin. Eine ordentliche Großstadt braucht auch ein Fußballstadion. Da gehe ich eher selten hin. Und ein Konzerthaus. Da würde ich gerne hingehen, aber das geht sich viel zu selten aus. Andere haben andere Prioritäten – und dennoch käme ich nie auf die Idee, auf Jugendzentren zu verzichten, nur weil ich sie gerade selbst nicht nutzen werde.
Ich will Schulfunk, auch wenn ich ihn mir nicht selbst anschaue. Ich mag diese merkwürdige „volkstümliche Musik“ nicht. Aber ich mag Musik, die sicher auch nicht allen gefällt. Private Sender fühlen sich allenfalls für mainstream zuständig. Und das Spiel läßt sich weitertreiben: Wer finanziert die Stadtbücherei – die Leser? Und die Volkshochschulen? Kindergärten? Kinderspielplätze? Straßen in Gegenden, wo ich nie hinfahren werde? Die Argumentation ist absurd.
Aber nun wird es kompliziert. Die Argumentation rund um die Finanzierung ist nämlich ebenso absurd. Den Berechnungsschlüssel an Geräten festzumachen war blauäugig und führte nur zu Diskussionen, ob ein Telephon ein Rundfunkempfänger ist. Oder ein PC nicht doch auch ein verkappter Fernseher. Das war ein Eigentor. Und die verantwortlichen Politiker? Die wußten vermutlich alle, daß man Gebühren, denen direkt keine Leistung entspricht, Steuern nennt. Aber das ist das Problem – zu Zeiten wie diesen sind Steuern ein vergiftetes Thema. Das scheidet aus – Subsidiarität! wird gemahnt, oder „schlanker Staat“. Dabei wäre Subsidiarität hier genau das Argument der Wahl: Der Staat soll sich um Themen kümmern, die er selbst besser kann. Rundfunk auch für Nischen, Qualität vor Kommerz, ohne Quotendruck, interessant für alle Teile der Bevölkerung. Vermutlich wird man einen gewissen Teil der Gebühren in eine effiziente und klarere Überwachung der Öffentlich-Rechtlichen stecken müssen – sonst geben die glatt das Geld an Stellen aus, für die es ja Wettbewerb gäbe. Sogenannte Blockbuster machen die Privaten auch. Bundesliga? Eigenproduktionen? Ein Regulierer hätte hier viel zu tun. Dafür könnten wir sicher sein, auch weiterhin zumindest demokratisch kontrollierte Nachrichten zu haben.
Ein aktueller Fall liegt bereits vor. Die Öffentlich-Rechtlichen hatten etwas, das im Zeitalter des Internet unverzichtbar scheint und das keiner der Privaten auch nur ansatzweise auf die Beine gestellt hatte. Etwas, das viele Menschen interessierte: Ein öffentliches Archiv, für alle zugänglich, im Internet. Viele Sendungen zum Recherchieren. Viele Texte, Hintergrundberichte, beispielsweise zu Tagesschaubeiträgen.
Dies alles wurde mit viel Engagement erstellt und laufend ergänzt. Für viel Geld. Und nun wird das alles einfach weggeworfen – seit 1. September. Das Argument: Die Privaten, die nicht einmal ansatzweise so ein Angebot haben, könnten das ja auch irgendwann irgendwie machen wollen, daher muß das Angebot wieder vernichtet werden. Was für ein Schildbürgerstreich! „Depublizieren“ nennt man das, ein guter Kandidat für das Unwort des Jahres. Vermutlich haben das noch nicht viele Menschen mitbekommen, denn der Protest und das öffentliche Kopfschütteln hielt sich in Grenzen – womit nicht den tatsächlich Protestierenden und den Kopf Schüttelnden ein Vorwurf gemacht werden soll, eher all denen, die das nicht mitgekriegt haben. Oder denen, die dachten wie ich: So ein Unsinn kommt eh nicht durch, da muß ich gar nicht protestieren.
Und nun haben wir den Salat.
Empfehlung: Schauen Sie doch mal, was bei depub.org gemacht wird …