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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Samstag 5. Februar 2011

Realität ist der Zustand, der aus Mangel an Alkohol entsteht.
aus Irland

 

Kann ich E605 tanken?

Versetzt man handelsübliches Superbenzin mit zehn Prozent Ethanol, erhält man einen Treibstoff, der „E10“ genannt wird. E10? Ist Misstrauen angesagt? Zunächst klingt ja alles wie eine gute Idee. Mit E10 werden weniger fossile Brennstoffe benötigt.

Und was war wieder schnell Ethanol? Das hieß mal Äthanol, aber Ä10 wäre eine Marketingkatastrophe. Man nennt es auch Alkohol. Was in dem Zusammenhang gefährlich ist. Man hört soviel von komasaufenden Jugendlichen und allgemein zunehmender Blödheit. Daher ist Sorge zu tragen, daß es nicht Mode wird, direkt aus der Zapfsäule an den Tankstellen zu saugen. „Hey, Alter, da kann isch noch voll audofahn, is ja nur 10 Prozent oder so“.

Also, man darf dieses Zeug nicht überall hineinfüllen. Auch nicht in jedes Auto, daher wird gerade überall diskutiert. Die Aktion birgt Risiken, bringt sie auch was? 5 Prozent Ethanol waren es, jetzt sind es 10, also 5 Prozentpunkte mehr. Das heißt, pro 20 Liter Tankinhalt spart die Aktion nun einen Liter Benzin aus fossilen Brennstoffen ein. Brutto, muss man leider hinzufügen, denn der Verbrauch wird leicht ansteigen. Andere Effekte sind bedenklicher. Solange auf dieser Welt Leute verhungern, finde ich es zynisch, aus Essen Benzin zu machen. Auch die Befürchtung, dass für die Treibstoffproduktion gewaltige Flächen Regenwald geopfert werden müssen, macht es nicht besser.

Andererseits ist es manchmal vielleicht wirklich notwendig, Druck auszuüben, um unseren Planeten zu retten. Hier ist die Politik gefordert. Und was die Probleme angeht, das ist alles eine Frage, die man ja klären kann. Zum Beispiel auf den offiziellen Webseiten des Bundesumweltministeriums:

Stand: 13.01.2011

Fragen und Antworten zu E10

Was ist E10?

E10 bezeichnet Benzin, das gegenüber dem bisherigen Benzin einen höheren Anteil an Ethanol enthält. „E“ steht für Ethanol, die Zahl „10“ gibt an, dass das Benzin bis zu 10 % Ethanol enthalten kann. Bisher betrug der Ethanolanteil im Benzin bis zu 5 %. Bei dem im Benzin enthaltenen Ethanol handelt es sich um den Biokraftstoff Bioethanol. Dieser Biokraftstoff wird aus Pflanzen gewonnen, die umweltverträglich angebaut werden.

Aha! Der Regenwald bleibt geschont. Und es ist Biokraftstoff, also ist alles in bester Ordnung. Als echter Wutbürger machen mich diese Formulierungen sehr misstrauisch, also lese ich genauer nach, in der Bio­kraft­stoff-Nach­haltig­keits­ver­ord­nung, über die Ministerium zusammenfassend schreibt:

Strom und Kraftstoff aus Biomasse müssen nachhaltig erzeugt sein

Ab 1. Juli 2010 muss die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und zur Stromerzeugung eingesetzten Pflanzenölen nachgewiesen werden.

Um auch in Zukunft in vollem Umfang von den gesetzlichen Förderregelungen für die Biomassenutzung im Strom- und Kraftstoffsektor profitieren zu können, müssen Pflanzenöle und Biokraftstoffe im Vergleich zu fossilen Energieträgern ab dem Jahr 2010 mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase freisetzen, und die erforderliche Biomasse darf nicht auf Flächen mit hohem Naturschutzwert, wie etwa Regenwäldern oder Feuchtgebieten, angebaut worden sein. Zwei Verordnungen, die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV) und die Biokraftstoff Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV), setzen diese Nachhaltigkeitsanforderungen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG vom 23. April 2009 in deutsches Recht um.

Man kann, wenn man will, den gesamten Text so zusammenfassen: Der Rohstoff für das Ethanol muss auf Flächen angebaut werden, die weder Wald, noch Gewässer, Weiden, Brachland oder Moore sind. Nachdem in Wüsten nichts wächst, bleibt nur noch Ackerland. Zumindest gelingt es mit dieser Verordnung also, den Regenwald zu schonen, aber es bleibt dabei: Wir verfeuern Essen. Und bei E10 wird es nicht bleiben, es werden mehr Nahrungsmittel der Mobilität geopfert werden. Und wofür?

Derzeit sind wir gerade dabei, damit  mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase freizusetzen im Vergleich zu fossilen Energieträgern. 35? Nachwachsende Rohstoffe stoßen per definitionem kein CO2 aus, das kommt also aus der Düngung, Transporten und landwirtschaftlichem Treibstoffverbrauch sowie der eigentlichen Produktion des Ethanol.

Und nun die Ernüchterung: Was sparen wir denn nun? Laut ADAC Motorwelt führt E10 gegenüber E5 zu einem Mehrverbrauch von 1,5%, aber 5% des Gesamtverbrauchs wiederum setzen 35% weniger CO2 frei. Einfach ausrechnen, das kann ich nicht im Kopf:

Aus x wird 1,015 * (0,95 + 0,05 * 0,35) * x = 1,015 * 0,9825 * x = 0,9972375 x. Die Ersparnis beträgt also rund 2,76 Promille. Würde man sich darauf konzentrieren, den Durchschnittsverbrauch in Deutschland um 1 Prozent zu senken, wäre das Ergebnis viermal besser. Mit der ganzen Aktion sparen wir also pro Kilo nun deutlich weniger als drei Gramm CO2 ein. Ich will nicht unfair sein, aber das ist bestenfalls ein Bausteinchen, es sollte schon mehr erreicht werden in Zukunft. Die drei Gramm Ersparnis werden locker aufgewogen von den nun gewissensberuhigten Autofahrern, die ja sowieso nur noch bio tanken, kann man ja den SUV behalten …

Ein Gutes hat die Sache trotzdem. Es gibt nämlich noch einen Namen für Ethanol: Spiritus. Und das bedeutet, dass wir mit riesigem bürokratischen Aufwand wenigstens eine sprachliche Ungenauigkeit beseitigen:

Wir haben nun 5% mehr das Recht, von Sprit zu reden.

 

2 Kommentare zu “Kann ich E605 tanken?”

  1. Tobias sagt:

    Interessant wäre noch eine Einrechnung der Fahrzeuge, welche durch unverträglichkeit den Geist aufgeben. Deren Entsorgung, die Herstellung eines neuen Fahrzeuges, dessen Auslieferung, usw. generieren auch noch einmal CO². Wieviel Promille da nochmal geraubt werden, wäre mal interessant.

  2. Lügen und betrügen – Heute: Bundesregierung und E10 | Reizzentrum sagt:

    […] Ergebnis dieses Etikettenschwindeln hat Sebastian v. Bomhard sehr gut beschrieben: Die Ersparnis beträgt also rund 2,76 Promille[in Sachen CO2-Ausstoss]. […]

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