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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Mittwoch 30. Mai 2012

Ich habe in meinem Leben nicht mehr als ein oder zwei Briefe empfangen, die das Porto wert waren.
Henry David Thoreau

 

Voller Briefkasten! Die komplizierte Welt der Werbebriefe

Dem IHK-Rundbrief entnehme ich:

Briefwerbung: Übergangsfrist für Altdatenbestände läuft aus – bei Missachtung droht Bußgeld

Die Verwendung personenbezogener Daten in der Briefwerbung ist sensibel: Nach aktueller Rechtslage dürfen Werbebriefe mit personalisierten Adressen nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung des Empfängers verschickt werden. Laut IHK-Juristin Rita Bottler galt für sogenannte Altdatenbestände bislang eine Übergangsfrist. „Darunter fallen Adressen und Kundendaten, die vor dem 1. September 2009 erhoben und seitdem nicht verändert wurden. Diese Datensätze konnten im Rahmen der dreijährigen Übergangsfrist ohne Einschränkung verwendet werden. Diese Frist endet aber nun am kommenden 31. August“, erklärt die IHK-Fachfrau. Sie rät den betroffenen Unternehmen, ihre Verteiler rechtzeitig zu aktualisieren und zu pflegen. Wer die Altdatenbestände in vollem Umfang weiter benutzen wolle, müsse vor dem Stichtag die rechtwirksamen Einwilligungen für Briefwerbung der Empfänger einholen oder nötigenfalls Adressen streichen. „Diese Pflichten sind ernst zu nehmen. Bei Missachtung drohen Bußgelder“, warnt Bottler. Weitere Hinweise enthält das IHK-Merkblatt „Umgang mit personenbezogenen Daten zu Werbezwecken via Brief, E-Mail, Fax und Telefon.

Das ist doch alles sehr, sehr merkwürdig. Es betrifft die individuellen Werbebriefe, die ich täglich in meinem Briefkasten finde. Die, in denen ich als „Herr v. Bomhard“ angeredet werde. Das soll nur noch mit meiner Zustimmung passieren. Und es geht nicht generell um Briefe, sonst fiele mir schnell ein, daß die Bußgeldstelle für Falschparker und das Finanzamt beide meine Zustimmung nicht eingeholt haben. Es muß schon Werbung sein. Allgemeine Werbung ist damit nicht gemeint, also die, die alle kriegen und die dennoch beginnt mit  „Sehr geehrter Kunde“, egal ob man einer ist oder nicht. Oder noch besser gleich die, die ehrlicherweise „An einen Haushalt“ gehen. Letztere sind mir die liebsten, die tun wenigstens nicht so, als ob sie an irgendwem interessiert sind. Die Menge macht’s.

Jetzt wird es also kompliziert. Wie hat man in Zukunft vorzugehen, wenn man nun Leute seine Werbeinformationen zukommen lassen will? Ganz einfach, ich brauche das Einverständnis. Da ich es mir mit direkter Ansprache nicht mehr holen kann, schicke ich geeignete Formulare an alle mit der Aufforderung, sie ausgefüllt an mich zurückzusenden, damit sie in Zukunft noch besser informiert würden. So oder so ähnlich. Und was hat das dann gebracht? Noch mehr Müll, noch mehr Belästigung.

Oder ging es nur um die unsäglichen Verzeichnisse, in die man „aufgenommen“ wird. Das Deutsche Faxverzeichnis. Das Offizielle Firmenregister. Die Domainübersicht. Das Ultimative Who is Who. Man bekommt ein Formular, das schon vorausgefüllt ist, mit der Bitte, die Daten, falls nötig, zu korrigieren. Mit der Unterschrift bestätigt man die Korrektheit der Daten, aber gleichzeitig, und darin besteht die Perfidie, bestellt man einen Eintrag, der dann wieder Geld kostet. Oder irgendeine ominöse Bestellung wird eh erst durch Bezahlung der präsentierten Rechnung fällig. Ällabätsch, reingefallen. Und so weiter und so fort, nervig, aber vermutlich leider nicht erfolglos, denn solche Briefe bekomme ich seit Jahren. Seit Gründung meiner ersten Firma, um genau zu sein.

Aber wenn wir das verbieten wollen, wieso tun wir es nicht? Täuschung, Irreführung, Betrug, irgendwas greift doch da, und wenn nicht, wird es halt griffig gemacht. Wieso der Umweg über die individuelle Werbung? Ich gebe zu, mich nervt das aus dem naheliegenden Grund, daß ich gerne meine Kunden informiere, wenn es bei SpaceNet etwas Neues gibt. Ich konnte bisher auch davon ausgehen, daß meine Kunden nichts gegen solche Informationen hatten, beschwert haben sich eher weniger als die, die fanden, wir sollten das häufiger machen. Aber das darf ich jetzt nur noch, wenn ich die Kunden vorher gefragt habe? Und müßte ich nicht streng genommen zuerst fragen, ob ich überhaupt fragen darf? Nun, bei Licht betrachtet, ist das eigentlich auch kein Problem. Die meisten Unternehmen, gute wie „böse“, mit lebenden Kundenbeziehungen werden das längst in ihren AGB verankert haben.

Ich will mich nicht missverständlich ausdrücken. Werbung kann sehr nervig sein. Wenn nach einer Abwesenheit von nur wenigen Tagen der Briefkasten so überquillt, daß keine Briefe mehr hineinpassen. Wenn beim Öffnen die Hälfte auf den Boden segelt. Wenn es ad nauseam der immer und immer wieder bei uns eingeworfene Brief einer gewissen Kabelfirma in Deutschland ist, die schnell vergessen hat, daß wir uns gegenseitig einst versprochen hatten, nie wieder Geschäfte miteinander zu machen. Wenn ein wichtiger Brief verlorengeht, weil er mit einem Haufen uninteressanten Hochglanzpapier so unbemerkt wie ungelesen in den Papiermüll wandert. Dann wünscht man sich eine Regulierung dieser unerwünschten Fluten.

Aber wenn es dem Staat daran gelegen wäre, hier einzugreifen, hätte er vielleicht die Post nicht verkaufen sollen. Dann könnte er sinnvoll und ökologisch steuern. Was hätte denn dagegen gesprochen, wenn der Privatbrief 30 ct. kostet, aber Briefe an viele Empfänger je nach Anzahl der Empfänger nicht weniger, sondern mehr? Und am teuersten sollten die Wurfsendungen sein, die der arme Briefträger mitschleppen muss, die aber vom Empfänger fast vollständig sofort entsorgt werden. „An alle Haushalte“, wie gesagt. Wenn es damit teurer wäre, jemanden werbend anzusprechen, dann hätte ich auch als Unternehmer nichts dagegen. Dann würden vielleicht gerade die individuellen Werbebotschaften besser recherchiert sein, informativer und, vor allem, weniger.

Aber dazu müsste man die Post wieder verstaatlichen. Dann allerdings könnte man die Briefträger wieder als Beamte verpflichten und

sie anständig bezahlen.

Bildquelle: Mail.app (screenshot)

 

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