Heult doch – Springer manipuliert mich nicht
Mathias Döpfner hat einen so langen wie überflüssigen Text abgesondert. Etwas überrascht durch den großen Widerhall, den dieser offene Brief hervorgerufen hat, habe ich ihn gelesen, obwohl ich schon den Verdacht hatte, daß hier im BILD-Zeitungstil einfach nur Manipulation betrieben werden sollte. Ich sollte recht behalten. Textauszug gefällig?
Einerseits ist Axel Springer Teil einer europäischen Kartellklage gegen Google und streitet mit dem Konzern über die Durchsetzung des deutschen Leistungsschutzrechts, das den Inhalte-Diebstahl verbietet, andererseits profitiert Axel Springer nicht nur von dem durch Google entstehenden Traffic, sondern auch bei der Vermarktung von Restplätzen seiner Online-Werbung von Googles Algorithmus. Das stimmt. Man kann das schizophren nennen. Oder liberal. Oder, und das ist die Wahrheit, um es mit einem Lieblingswort unserer Bundeskanzlerin zu sagen: alternativlos.
Beim Wort „Inhaltediebstahl“ war es schon klar, um was es im folgenden Text gehen würde. Damit alle den gleichen Stand haben zu diesem ominösen Leistungsschutzrecht: Wer ein aktuelles Thema sucht, etwas, das in den Zeitungen steht, sucht danach im Internet und verwendet irgendeine Suchmaschine. Typischerweise Google. Google wiederum zeigt eine Trefferliste. Hat der Verlag zu dem Artikel eine Kurzfassung eingestellt, dann zeigt Google diese Kurzfassung. Gibt es das nicht, zeigt Google einfach ein bisschen Text rund um den Suchbegriff. Das hilft bei der Entscheidung, welche Fundstelle wohl die relevanteste ist.
Beides, der Text wie die Kurzfassung, wurde vom Verlag ins Netz gestellt. Der Verlag kann, wenn er masochistisch veranlagt ist, auch dafür sorgen, dass Google ihn nicht anzeigt („robots.txt“) oder durch eine annähernd leere Kurzfassung dafür sorgen, daß Google keinen Inhalt anzeigt. Beides machen die Verlage natürlich nicht und lassen sich über Google finden. Aber jetzt wollen sie dafür Geld sehen von Google, weil …
Ja, wieso eigentlich? Wofür genau? Natürlich hat Google so reagiert, wie ich es prophezeit hatte: Wenn Google ohne Genehmigung der Verlage oder ohne zu bezahlen nicht mehr das Web nach deren Inhalten durchforsten darf, dann müssen die Verlage dies eben bei Google beauftragen. Und schon wird sichtbar, wer hier Auftraggeber und wer Servicelieferant ist. Solche „Siege“ wie die der Verlagslobby, die sich ja beim Gesetzgeber weitgehend mit ihren Wünschen durchgesetzt haben, nennt man Pyrrhussiege nach dem antiken König Pyrrhus von Epirus, der gesagt hat: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren.“
Ich werde jetzt mal sicherheitshalber nicht auf die Döpfnersche Epistel verlinken. Döpfner fordert das so, aber will er es auch? Bei Google wird man schnell fündig. Man muß seinen Text nicht lesen. Er wimmelt von Angriffen und Halbwahrheiten. Gelegentlich enthält er durchaus richtige Sätze, aber wieder garniert mit Verdrehungen, Behauptungen, Unterstellungen. Springer-Stil halt. Kann man lesen, muß es aber nicht.
Und die Sache selbst? Nun, Google ist groß. Oder besser: GROSS. Google ist keine Suchmaschine, Google ist ein Konzern, der aufgrund seiner schieren Größe und seines gigantischen Potentials von vielen gefürchtet wird. Durch geschickte Angebote hat sich Google beispielsweise so ganz nebenbei den Onlinewerbemarkt in Deutschland unter den Nagel gerissen. Fast zwei Drittel aller Ausgaben in dem Sektor landen bei Google. Wobei lustigerweise Google am allerbesten in Deutschland funktioniert – in kaum einen anderen Markt ist Google prozentual so beherrschend unterwegs wie bei uns und wird gleichzeitig ständig so kritisch und oft unfair kommentiert, von Heuchlern, die sich ihre Philippika dann doch zusammengoogeln. Weil es so einfach ist. Und weil es im Browser voreingestellt ist. Und weil es ihnen dann doch egal ist – Heuchler eben.
Es geht aber nicht um Google, dafür gibt es Wettbewerbshüter und Kartellwächter. Solange ein Wettbewerb existiert, ist doch alles in Ordnung. Es geht um den Springerverlag. Es geht um Leute, die gewohnt sind, die Meinung in Deutschland zu beeinflussen. Axel Springer war so mächtig, daß es ihm beinahe gelungen wäre, in Deutschland ein 25-Pfennig-Stück einzuführen – das war der Preis einer Bildzeitung. Dass es dann doch nicht so kam, lag nur daran, daß die Bildzeitung inzwischen 30 Pfennig kostete. Wer sollte jemals wieder so eine Macht aufbauen? So dachte man damals.
Als eine Generation später Google an die Börse ging, gab es Häme, Gelächter und Kopfschütteln. Wie soll so ein Laden jemals Geld verdienen? Nur übelste Zocker sollten sich die Aktie kaufen. Das schrieb nicht nur Springer, das sagten sie alle. Lange, sehr lange bekamen die Internet-Kreativen zu hören, wieso ihre Vorschläge so uninteressant seien für die großen Zeitungsverlage in Deutschland.
So gründeten sie halt manchmal selbst das, was sie eigentlich nur als Auftragsarbeiten gegen Geld hatten liefern wollen. Und waren damit erfolgreich, nicht alle, aber einige, und, was noch wichtiger ist, die Verlage schliefen weiter, während die erfolgreichen Startups einer nach dem anderen gekauft wurden, häufig auch von Google.
Nun riefen die Verleger auf einmal nach Schutz. Nicht alle. Aber die, die vorher bereits durch Beratungsresistenz aufgefallen waren, diejenigen, die vor lauter Empfinden der eigenen Bedeutung von ihrer eigenen Unsterblichkeit überzeugt waren. Also die Springerhäuser, aber eben nicht der Donaukurier. Dieser hatte noch in der Springerära gelernt, sich seine Kunden zu sichern und damit das Überleben.
Und auf einmal hat Herr Döpfner also Angst vor Google, dabei kommt ihm einfach nur allmählich sein Geschäftsmodell abhanden. Er tut so, als sei er empört, daß Google so viele Daten von seinen Kunden sammle. Als ob er das gerade erst gestern erfahren hätte! Dabei sind die Produkte des Springerverlags datenschutzrechtlich mindestens so bedenklich wie die von Google, sind sie doch geradezu blindwütig mit Datensammeln hinter den Kulissen beschäftigt – als ob Döpfner das nicht wüßte! Wenn er also von Angst redet, glaube ich ihm das sogar, aber alles, was ihm heute einfällt, ist der Versuch, dem Sieger Steine in den Weg zu legen.
Ich nenne das einfach einen schlechten Verlierer.