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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Dienstag 27. Mai 2008

Ein jeder ist so viel wert, wie die Dinge wert sind, um die es ihm ernst ist.
Marcus Aurelius

 

Unsere teuren Taglöhner

Das gemeine Volk schäumt. Politiker bekommen für das, was sie anrichten, auch noch Geld, ja schlimmer noch, sie legen die Höhe ihres Gehalts selbst fest und last but not least nennen sie es auch noch höhnisch „Diäten“. „Diäten“ wie in „Gürtel enger schnallen“. Hört man auch oft von Politikern. Was steckt dahinter? 

Das Wort „Diäten“ gibt es nur im Plural. Es kommt, wer hätte das gedacht, wohl nicht vom griechischen διαιτα. Das hätte ursprünglich „Lebensweise“ bedeutet und wäre über die Jahrhunderte irgendwann zu dem geworden, als was man es heute kennt: Zur Diät. In den seltensten Fällen also zu etwas, das man mit lustvollem Prassen zusammenbringen könnte – ganz im Gegensatz zu dem von vielen als opulent empfundenen Einkommen der Politiker.

Dabei bekommen Politiker nur eine tageweise Aufwandsentschädigung. Tageweise! Der Tag, lateinisch dies. Wobei die in der Auf­wands­ent­schä­di­gung ent­haltene Ent­schädigung vielleicht auch das unpassende Wort ist. Der Bürger könnte auf die Idee kommen, dass so mancher Politiker für die Schäden, die er anrichtet, nicht auch noch ent­lohnt werden sollte.

Ein irrationaler Reflex. Natürlich ist es richtig, dass man Politiker entschädigt. Tut man das nicht, müssen die Politiker sich selbst schadlos halten. Was wiederum sicher nicht im Interesse des Volks ist. Oder die Politiker müssten von „edlen“ Spendern Geld bekommen, natürlich ohne Gegen­leistung. Besten­falls könnten sich nur Menschen leisten, Politiker zu werden, die von Haus aus mit Geld gesegnet sind. Nennen wir dieses Modell also einfach das amerikanische Prä­sident­schafts­modell.

Wer ist wohl auf die schlaue Idee gekommen, die letztlich zu Art. 48 Abs. 3 GG geführt hat? Das klingt doch nach einem klugen Sozialdemokraten, tippen wir also auf Friedrich Ebert. Ach, früher? Na, dann war es vielleicht doch kein Sozialdemokrat. Dann wird es wohl doch Bismarck gewesen sein. Wie, noch früher? Dann waren es wohl die Römer. Ach nein? Es war Perikles, vor knapp 2.500 Jahren, der in Athen den Pool für engagierte Bürger vergrößern wollte. Wie wir heute wissen, ist ihm das gelungen.

Aber ganz so verkehrt war die Idee mit Ebert nicht. Denn zwischen Perikles und der Neuzeit war diese Auf­wands­ent­schädigung für Politiker schnell wieder vergessen worden. Bis 1906: Der Kanzler hieß zwar Bernhard v. Bülow, aber in der Viel­parteien­koalition, die damals regierte, war auch die SPD vertreten. Damit scheidet Friedrich Ebert dann doch aus, der kam erst 1912 in den Reichstag.

Also: Aufwandsentschädigungen sind richtig. Wie hoch sollen sie sein? Zeit für eine heim­tückische Regelung: Das sollen sich die Damen und Herren Politiker selbst aussuchen. Wir wählen schließlich die Besten der Besten. Moralisch einwandfreie Menschen. Wer, wenn nicht diese Menschen selbst, kann wissen, was für ein Einkommen angemessen ist? Hört sich an wie Sarkasmus. Und wer der aktuellen Debatte lauscht, bekommt keinen anderen Eindruck.

Die Linken spenden prahlerisch das Plus. Damit treten sie das Erbe derer mit Füßen, die dafür sorgten, dass niemand aus wirtschaftlichen Gründen auf ein Engagement verzichten muss. Eigentor der pharisäischen Nationalmannschaft.

Die feige Hintertür „sollen ruhig andere entscheiden“ ist ebenfalls verschlossen. Dabei klingt es doch zunächst so edel: Jörg van Essen oder Dirk Niebel, beide F.D.P., konnten der Versuchung nicht widerstehen. Herr van Essen äußerte letzten Herbst in der Wirtschaftswoche noch ein kryptisches „Transparenz erhöhen“, aber darüber kann man hinwegsehen. Eifer des Gefechts, unfreiwillige Komik: Nichts ist transparenter als ein Politiker, der öffentlich erklären muss, was ihm seines Erachtens zusteht. Aber das ist noch nicht das Peinlichste. Was den beiden Herren nämlich vielleicht entgangen ist, ist dese Kleinigkeit hier:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem „Diäten-Urteil“ von 1975 ferner betont, dass das Parlament selbst über die Höhe seiner finanziellen Leistungen entscheiden muss. Ihm ist es nicht gestattet, diese verbindliche Entscheidung auf eine andere Stelle außerhalb des Bundestages wie etwa eine Expertenkommission zu übertragen.

Man kann nicht alles wissen. Nun gut, 1975 war Herr Niebel erst 12, aber Herr van Essen immerhin 28. Und beide können doch lesen, zum Beispiel auf www.bundestag.de, denn daher stammt das Zitat oben. Aber vielleicht war das ja zu weit hergeholt? Oder die beiden Herren wünschen sich einfach ein neues Ver­fassungs­ge­richts­urteil, solange, bis es passt. Das hat Methode.

Wer an die Demokratie glaubt, braucht solche Kommissionen auch nicht. Ein brauchbarer Politiker wird nicht rot (unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit), wenn es um sein Geld geht. Er rechtfertigt sein Einkommen selbstbewusst mit

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Ein Kommentar zu “Unsere teuren Taglöhner”

  1. SvB-Blog » Blogarchiv » Schnipsel: Diätenerhöhung sagt:

    […] Unsere teuren Taglöhner […]

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