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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Donnerstag 25. September 2008

Deine lächerliche Außenseite liegt offen, die sieht der Laie, die kann man ihm beschreiben, aber deinen inneren, lieblichen Schmelz kennt nur der Bergmann, der singend mit seinen Brüdern hinabfuhr in den tiefen Schacht.
Wilhelm Hauff

 

Datamining

BergleuteEigentlich eine dürre Meldung im Newsletter der IHK Oberbayern:

Jahresbilanz muss elektronisch im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden

Seit 1. Januar 2007 müssen Kapitalgesellschaften ihre Jahresbilanz im elektronischen Unternehmensregister beim Bundesanzeiger veröffentlichen. Die Übertragung erfolgt in digitaler Form und ist danach für Außenstehende einsehbar. „Bei Nichtveröffentlichung riskieren Unternehmen ein Ordnungsgeld“, warnt IHK-Experte Markus Neuner. (…) Mit dem Ordnungsgeld ist die Angelegenheit aber bei weitem nicht erledigt. Es erfolgt eine erneute Aufforderung zur Offenlegung des Jahresabschlusses und es droht ein weiteres Ordnungsgeld bei Nicht-erfüllung. Dabei kann das Ordnungsgeld von 2.500 bis auf 25.000 Euro steigen, wenn sich Unternehmen weigern, die Daten zu liefern. Informationen dazu gibt ein IHK-Merkblatt unter www.muenchen.ihk.de – Recht & Fair Play – Firmen/Gesellschaftsrecht – Offenlegung.

So sagt es die IHK. Und so ändern sich die Zeiten, es ist noch gar nicht so lange her, da wurde alles, was elektronisch vorlag, sicherheitshalber ausgedruckt. Das Internet ist eine feine Sache. So vieles wird um Größenordnungen leichter. Ganze Arbeitsgänge, die früher stumpfe Tätigkeiten waren, sind nun automatisiert. Aber dann beginnt die Eigendynamik. Die Möglichkeit, Daten elektronisch einzuliefern und damit Aufwand einzusparen, beim Sender wie beim Empfänger, wird auf einmal zur Pflicht. Das Nicht-Erfüllen dieser Pflicht wird bestraft, die elektronische Abgabe wird erzwungen, wer nicht elektronisch abgibt, gibt gar nicht ab und muss 25.000 Euro Strafe einkalkulieren, so steht es in diesem Newsletter. 

Welchen Grund hat es eigentlich, dass bestimmte Unternehmen ihre Daten veröffentlichen müssen? Spekulieren wir über die Gründe:

Dokumentation: Die Bilanz wird hinterlegt, damit sie unter keinen Umständen mehr verändert werden kann. Daran haben nicht nur die abgebenden Firmen, sondern auch die Öffentlichkeit ein starkes Interesse, da es volkswirtschaftlich sinnvoll ist, Streit zu vermeiden. Das ist insofern Unsinn, als es trotzdem Streit geben kann. Es zählt ja nur der festgestellte Jahresabschluss. Was dann veröffentlich wird, kann davon abweichen – wer garantiert die Korrektheit? Wie hoch ist die Strafe für falsche Zahlen im Bundesanzeiger?

Lebensbescheinigung: Würde man die Firmen nicht zwingen, sich einmal im Jahr sichtbar zu erklären, gäbe es eine Unzahl scheintoter Firmen. Das ist noch größerer Unsinn, denn das ginge einfacher als über dieses Veröffentlichungskonstrukt.

Existenz des Abschlusses: Es ist ebenfalls im öffentlichen Interesse, die Verpflichtung der Firmen zu jährlichen Abschlüssen nachdrücklich durchzusetzen. Auch Unfug? Natürlich – ein fehlender Abschluß fällt spätestens dem Finanzamt auf.

Arbeitserleichterung von Rating-Agenturen: Das kann niemand ernsthaft als Grund annehmen – zum einen ist das öffentliche Interesse nicht ersichtlich, zum anderen kommen Rating-Agenturen sicherlich problemlos an Daten von all den Firmen, die interessiert sind, von diesen Agenturen eingeordnet zu werden.

Transparenz: Es ist im Interesse der Öffentlichkeit, einzelnen Firmen ein bißchen in die Karten schauen zu können. Ist es das? Es ist schwer, den Zusammenhang zwischen öffentlichem Interesse und der bloßen Befriedigung von Neugierde herzustellen.

Fassen wir zusammen: Es drängt sich die Frage auf, ob man nicht generell überprüfen müßte, inwieweit man Firmen zur Hinterlegung ihrer Bilanz verpflichten muß. Dass dies auch noch in einer Form zu geschehen hat, die es erleichtert, alles mögliche mit diesen Daten auch noch automatisiert anzustellen, macht es nicht besser. Firmen sind keine Personen. Es wäre abwegig, hier über allfällige Verletzungen des Rechts zur informationellen Selbstbestimmung nachzudenken. Was Firmen nicht hindert, ein Analogon zur Privatsphäre zu fordern: Wenn man schon gezwungen wird, Zahlen zu veröffentlichen, wieso dann in einer Form, die jeder Datenjäger und -sammler einfach abgreifen kann? Was und wem also soll das Ganze nützen? Wenn es selbstverständlich wäre, dass das alles im öffentlichen Interesse ist, hätte man nicht erst ein Gesetz (EHUG) stricken müssen.

Verschwörung oder Eigendynamik der Bürokratie?

Bildquelle: DSK AG (Deutsche Steinkohle AG) via www.bgr.bund.de

 

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