Unsere Gaunerkultur
Was haben Gauner, Sklaven und Schlawiner gemeinsam, wenn sie zum Abschied leise Servus sagen? Ihre Herkunft verbindet sie, zumindest geographisch.
Was das soll? Es geht mal wieder um Sprache. Wo unsere Wörter herkommen, ist manchmal wirklich verblüffend. Und von political correctness keine Spur. Munter werden Vorurteile in Völkernamen und Völkernamen in Vorurteile verpackt.
Es gibt einen uralten slawischen Namen, Slavko, auch Slavo, die weibliche Form ist Slavka, auch Slava. Der Name bedeutet „Ruhm“, auch heute noch in vielen gängigen slawischen Landessprachen, vor allem im Süden. Die alten Griechen kannten den Namen bereits. Na gut, nicht die ganz alten Griechen, aber die Byzantiner kannten den Sklabos, der als sclavus in Rom den servus ergänzte oder ersetzte. Der altrömische servus konnte noch aus Africa, Germania, Gallia oder Asia minor stammen, der sclavus hingegen kam zunächst immer aus dem Nordosten. Praktischerweise nannte er sich selbst so. Und später wurde die Bezeichnung auf alle Sklaven angewendet. Viele Jahrhunderte durch war aber das Wort sclavus doppeldeutig, für Sklave und Slawe, auf Englisch slave und slav. Die frühen Italiener verwendeten das Wort weiter, aus sclavus wurde schiavo, und man hat es schwer, wenn man ohne Kontext wissen will, wer in Venedig an der riva degli schiavoni landete, Sklaven oder Schiffe aus dem nahen Dalmatien? Und ist der Schlawiner ein gerissener Diener oder doch einfach nur ein Slovene aus der k.u.k.-Monarchie?
Venedig ist natürlich immer für einen Sprachscherz gut, wie das Bild oben beweist, heißt doch einer der bekanntesten Venedigmaler ausgerechnet Canaletto. Und woher kommt der Name Venedig? Von Venetia. Der ganze Veneto wiederum leitet sich ab von den bereits bei Tacitus erwähnten ‚Veneti‘. Bei Plinius heissen sie ‚Vendi‘. Wir Deutschen nannten aber alle Slawen auf Mittelhochdeutsch Wenden oder Winden. Der Kreis schließt sich an einer verblüffenden Stelle, und eine Fahrt von Windisch-Gräz nach Deutsch-Wagram wird selbsterklärend.
Die Schiavi waren also Diener. (sono vostro) schiavo, g’schamster Diener. Daraus wurde in Venedig immer kürzer und kürzer irgendwann ciau, das später als ciao als der italienische Gruß schlechthin in das allgemeine Bewußtsein eingehen sollte.
Mit dem gehorsamsten, also den g’schamsten Diener, sind wir endgültig in Österreich angekommen und bei dem Gruß „Servus“. Der im übrigen kein Abschiedsgruß ist, auch wenn das bekannte Lied von Peter Kreuder sagt: „Sag beim Abschied leise ‚Servus'“, aus dem Film „Burgtheater“ von Willy Forst. Der Text ist von Hans J. Lengsfelder und Siegfried Tisch. Der ebenfalls oft als Librettist benannte Harry Hilm war nur ein Freund der beiden, der (1934!) als Quotenarier aushalf. Aber wenn man den ganzen Text liest, ist klar, daß es eben kein Abschiedsgruß ist, sonst ist der Text sinnlos:
Sag beim Abschied leise „Servus“
Nicht „Lebwohl“ und nicht „Adieu“
Diese Worte tun nur weh!
Doch das kleine Wörterl „Servus“
Ist ein lieber letzter Gruß,
Wenn man Abschied nehmen muss.
Jetzt sind wir wieder bei den Sklaven, aber das ist ja bekannt. servus, der Diener, der Sklave. Aber wenn die Slawen und die Sklaven zusammenhängen, wie verhält es sich dann mit den Serben und dem servus? Stecken da auch die Griechen dahinter, die alten Gauner?
Nun, dazu ist zu bemerken, das Wort „Griechen“ ist ja auch schon wieder so ein Missverständnis. Die Griechen kennen sich unter dem Namen nicht. Wenn, dann sind sie Hellenen (Ἕλληνοι). Magna Graecia, „Großgriechenland“, nannten die Römer das von den Griechen besiedelte Süditalien. Daraus wurden unsere Griechen. Die biblischen Israeliten kannten die Griechen auch, aber weder als Griechen, noch als Hellenen: Sie waren die Ionier, und auch hier wurde, pars pro toto, aus יוון (jawan) Griechenland. Und gleichzeitig auch über das Rotwelsche (juonner) entstand das Wort Gauner. Und da wir unsere ganze Kultur von den alten Griechen ableiten, haben wir also
eine Gaunerkultur.
Donnerstag 26. Februar 2009 um 15:55
Wie wir wissen trägt jede Hochblüte den Keim ihres Zerfalls in sich. Jetzt erklärt sich also auch der, allerdings unvermutet rasche, Niedergang unseres Gier-Kapitalismus…