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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Donnerstag 26. März 2009

Sagen Sie, Sie berufen sich hier pausenlos aufs Grundgesetz, sind Sie eigentlich Kommunist?
Franz Josef Degenhardt

 

Ceterum censeo: Zensur und Zetern

vdlGestern also die Erklärung der Bundes­familien­mini­sterin. Bereits im Vorfeld hatte es massive Kritik gegeben. Heute war nach­zulesen, was von den Vorschlägen der Ministerin von der Leyen in den Köpfen hängenblieb: Wir müssen die Kinder­porno­graphie bekämpfen. Er­staun­licher­weise war davon nicht die Rede gewesen, es hieß nur: Wir müssen die Kinder­porno­graphie im Internet bekämpfen. Aber das reicht nicht. Es lenkt vom wahren Ziel ab. Sinnvoll und wichtig wäre es doch, im wirklichen Leben Kinder­schänder aus dem Ver­kehr zu ziehen. Sie sind unter uns und davor darf man seine Augen nicht ver­schließen. So wird eine Schein­debatte geführt, heftig, polemisch, unsachlich, natürlich von beiden Seiten. Fest steht jedoch: Will man die Ver­brechens­rate senken, so reicht es im über­tragenen Sinne nicht, die Straßen­schilder zu über­malen. Oder falsche Straßennamen drauf­zu­schreiben.

Wer an einer ausgeprägten Paranoia leidet, sieht Frau von der Leyen als Ver­treterin der Dunklen Seite, deren Inter­esse es ist, alle Inter­net­seiten gleich­zu­schalten. So, daß ein Finger­schnipsen genügt, bestimmte Dinge aus dem Netz zu ent­fernen. Heute Kinder­porno­graphie. Morgen Gewalt­spiele, und da ist nicht Schach gemeint, auch wenn da Bauern ge­opfert werden. Und wenn sie gar nichts Böses will, dann steckt eben eigent­lich Herr Schäuble da­hinter. Er wollte seit langem den sich massen­haft im Netz tum­meln­den arabischen Terrori­sten die Kommu­nika­tions­platt­form ent­ziehen. Oder besser einfach allen Gefährdern. Da das ge­scheitert ist, eignet sich die Kinder­porno­graphie für so eine Stoppseite… (Achtung. Hoffe, Sie sind nicht erschrocken, das ist eine Satireseite. Nicht von mir. Sie können sich auch sperren lassen, tragen Sie nur Ihre URL nach dem Fragezeichen ein.)

Update: Diese Stoppseitenpersiflage („Sehr geehrter Gefährderin, sehr geehrter Gefährder“) mußte vom Netz genommen werden. Heute führt der Link woanders hin, der Betreiber erzählt ein bißchen, was los war. Sehr humorlos vom Innenministerium, aber damit Sie weiter mein hübsches Blog lesen können, habe ich nicht einmal einen Screenshot aufgehoben. Jedenfalls nicht ich…  Ende des Updates, svb. 14.5.2009

Ja, wie kann man denn ernst­haft da­gegen sein, den armen Kindern zu helfen? Ja wie? Gar nicht, wer ist denn über­haupt dagegen, end­lich etwas zu unter­nehmen? Nach Ansicht von Frau von der Leyen vermutlich sehr viele. Wer an der Sinn­haftig­keit der Maß­nahmen der Mini­sterin zweifelt, wird als Ver­hin­derer effektiver Maß­nahmen be­zeich­net. Wer auf die Ver­hältnis­mäßig­keit hin­weist oder sich Sorgen macht um unsere Rechts­kultur und unser Grund­gesetz wird als welt­fremder Spinner oder religiöser Fanatiker abgetan. Und das ist noch mild. Es gibt Politiker, die einem sofort unlautere und eigen­süchtige Motive unter­stellen. Wolfgang Börnsen (CDU) rät den Providern, sich nicht hinter dem Grund­gesetz zu ver­stecken. Ver­fassungs­fragen spielten keine Rolle an­ge­sichts des Leids der Kinder. Ver­mut­lich ist das höchst ehrbar gemeint. Aber zum Klang solcher Argu­men­te sind schon ganze Demo­kratien einfach untergegangen – derartiges ist sehr be­klem­mend.

Bleiben wir doch bitte bei den Fakten. Und diese sind: Wirkungs­lose Maß­nahmen schützen diesen perversen Markt. Wieso? Zum einen sollte ermittelt werden, nicht ausgeblendet. Wenn die Bilder existieren, ist das Schlimmste bereits geschehen. Nun gilt es, den Weg der Bilder zu verfolgen, um an die Täter zu kommen. Und den Weg des Geldes – laut Frau von der Leyen werden von einigen Servern Millionen umgesetzt. Jeweils sitzen an beiden Enden Täter. Sitzt mindestens einer davon in Deutsch­land, kann gehandelt werden. Wenn nicht, dann nicht, aber das sehen wohl alle ein. Was einen Wink an die je­weiligen aus­ländischen Straf­ver­folgungs­behörden nicht aus­schließt.

Untaugliche Maßnahmen suggerieren dem Laien, es werde ja etwas getan. Aber was? Wieso unter­stützen wir nicht besser einfach die Polizei im Inland? Wieso helfen wir nicht auch im Ausland, wo Hilfe an­genom­men wird? Ist Kinder­porno­graphie nicht welt­weit ge­ächtet? Aber nach einer Sperrung wird die Polizei die Wege nicht mehr verfolgen können…

Ich will Frau von der Leyen nichts unter­stellen. Einige ihrer Äußerungen sind dennoch nicht hilfreich. Im Stern steht:

„Wir wollen nicht tolerieren, dass die Vergewaltigung von Kindern massenhaft im Internet abrufbar ist“, sagte sie am Mittwochmorgen in Berlin – und gibt damit den politischen Konsens wieder, der sich quer durch alle Parteien und Interessengruppen zieht. Warum jedoch sind bisher nicht alle Internetprovider geschlossen für das Anliegen der Ministerin eingetreten? Von der Leyen teilt die Firmen in Gut und Böse ein. „Einige sind von Anfang an dafür gewesen“, sagt sie. „Andere haben permanent versucht, zu verzögern. Wenn die Gesellschaften das in anderen Ländern durchsetzen können, dann werden sie es auch in Deutschland schaffen.“ Und sie sagt: „Die Unverletzlichkeit des Kindes ist ein höheres Recht als das Recht auf Massenkommunikation.“

Das Recht auf Massenkommunikation? Gut und Böse? Das nimmt er­schreckende Züge an. Es geht doch nicht um die Frage, ob man Kinder dem Recht auf Massen­kommuni­kation opfert. Was auch immer das für ein Recht sein soll. Der Zweifel an der Redlich­keit solcher Sätze ordnet meine Firma, die SpaceNet AG, sicher­lich den Bösen zu. Aber wir sind in guter Gesell­schaft, auch Frau Zypries muß sich die Unter­stellung anhören, sie ver­zögere den Schutz der Kinder oder sie sei nicht daran inter­essiert, diesem Treiben ein Ende zu machen. Dabei hatte sie nur ein Gesetz gefordert. Ein Gesetz anstelle eines merk­würdigen Ver­trags, der der SpaceNet AG bis heute nicht einmal an­ge­boten wurde. Nicht daß wir ihn unter­schreiben würden..

Gehört SpaceNet zu den Verzögerern? Kaum, uns kann sie nicht meinen, denn uns zählt sie ja nicht einmal dazu. Weil noch niemand gemerkt hat, dass das Inter­net nicht nur aus DSL-Haus­halts­an­schlüssen besteht? Aber mit dem Zählen hat sie es eh nicht. 75% der Provider hat sie „unter Vertrag“, so war es zu lesen. Das seien fünf Stück. Wie meint sie das? Wenn fünf Stück 75 Prozent sind, so sind (Dreisatz) 100% nach Adam Riese 6,666 Provider. Es gibt aber mehr als 62/3 Anbieter in Deutsch­land, es dürften je nach Zähl­weise ein paar hundert sein. Wer wohl dieser  2/3-Anbieter ist?

Aber sie hat ja „alle“ Anbieter aufgezählt: Telekom, Arcor, Alice, O2, Kabel Deutsch­land. Diese haben den Vertrag unter­schrieben. Freenet, United Internet (1&1) und Versatel haben das nicht. Fünf Achtel sind im übrigen auch nicht 75 Prozent, sondern 62,5. Vielleicht meint Frau von der Leyen also Markt­anteile? Aber was betrachtet sie hier, Umsätze? Traffic?  Anschlüsse? Nutzer? Frau von der Leyen ist das egal, Haupt­sache sie spuren:

Von der Leyen wurde auf der Pressekonferenz sehr deutlich. In aller Öffentlichkeit nannte sie die Namen der drei großen Internetprovider, die sich bisher nicht an einer Sperre beteiligen wollen. Die Ministerin kommentierte lapidar: „Es ist ganz klar, dass sie im Laufe der Zeit dazu gezwungen werden, diese Seiten zu sperren.“

Warum sorgen wir nicht dafür, daß es diese Seiten nicht gibt? Nicht über­tünchen, ding­fest machen! 400.000 Hits pro Tag, das weiß die Ministerin auch (woher?). Fein – wo sind die Ver­haftungen dazu? Wer Zu­griffe im Netz zählen kann, der hat Log­files, Infor­ma­tionen über die Kon­sumen­ten. Da müsste doch forensisch ein Er­geb­nis er­ziel­bar sein! Oder war die Zahl ein­fach geraten? Die Zu­nahme der Kinder­porno­graphie im Netz wird be­legt an­hand der Anzahl der Ermitt­lungen des BKA. Aber, wenn mehr Fälle aufgedeckt werden, muss das doch nicht heißen, daß die Anzahl der Fälle zugenommen hat. Vielleicht war das BKA ein­fach erfolg­reicher?

Ekin Deligöz von den Grünen sagte, mit den Sperren „werden wir den Handel nicht zum Erliegen bringen, wir werden kein Kind vor Kinder­porno­graphie bewahren, wir fassen keinen einzigen Täter und helfen keinem Kind auf dem Weg zurück ins Leben“. Das ist traurig, aber wahr. Und nun wäre ich froh, wenn das Wahl­kampf­ge­schnatter wieder ver­stummen würde und eine ernst­hafte und offene Diskussion geführt würde, was man denn wirk­lich tun kann. Da gibt es einiges. Und es gibt einige Provider, die bei diesem tech­nisch nicht trivialen Thema gerne helfen.

Wir zum Beispiel.

Bildquelle: Wikipedia

 

2 Kommentare zu “Ceterum censeo: Zensur und Zetern”

  1. SvB-Blog » Blogarchiv » Feiglinge! sagt:

    […] kenne, eine kleine nette Satire ausgedacht. Die ich sehr wohl kenne, ich habe sie damals sogar hier im Blog erwähnt. Im Vorfeld der Diskussionen um das berüchtigte Stoppschild des BKA fanden viele die […]

  2. SvB-Blog » Blogarchiv » Wie steht’s um unsere Demokratie? sagt:

    […] habe ich meine Meinung, so denke ich, bereits deutlich kundgetan (16.2., 26.3., 27.3., 28.3., 29.3., 1.4., 10.4., 11.4., 18.4., 19.4., 28.4., 16.5., 9.5., 18.5.). Eigentlich […]

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