Doppel-Namen
Der Süddeutschen entnehmen wir, das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Dreifachnamen bleiben unzulässig. Der Planet ist gerettet. Das Gericht tut einem schon leid, mit einer so trivialen Sache seine Zeit verplempern zu müssen. Um was ging es?
Manche Menschen tun sich schwer, ihren Namen aufzugeben, wenn sie heiraten. Einige wenige sind auch erleichtert, einen belastenden Namen loszuwerden, aber im allgemeinen ist ein neuer Name schon eine starke Zäsur. Manche Paare einigen sich auch auf einen gemeinsamen Ehenamen, der beide Namen enthält. So entstehen Doppelnamen, die dann auch an Kinder weitergegeben werden, folgt man der Logik, dass in einer Familie mindestens der Name alle vereint. Doppelnamen sind Namen, die aus zwei Bestandteilen bestehen, die wiederum mit einem Bindestrich zusammengehalten werden. Bekannte Vertreter sind der Herr Müller-Lüdenscheid, welcher sein Bad mit Herrn Dr. Klöbner teilen muss und nicht bereit ist, seine Ente zu Wasser zu lassen (Loriot). Beeindruckend wird das, wenn zwei lange Namen aneinandergereiht werden. Was gerade eine Hommage an Frau Leutheusser-Schnarrenberger ist. Oder Frau Noelle-Neumann, die den Doppelnamen schon allein in ihre Ehe mit Herrn Maier-Leibnitz brachte. Und sich bis zu seinem Tod Noelle-Neumann-Maier-Leibnitz nannte. Aber selbst in seiner überwältigenden Vierfachform hat sie nicht mehr Buchstaben, als Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Andere Länder, andere Sitten: In der Schweiz behält die Frau ganz selbstverständlich ihren Namen und kombiniert ihn mit dem ihres Mannes. An die Kinder wird nur der Familienname vererbt. Meine Großmutter erzählte gerne einen Witz. Sie möge mir verzeihen, dass ich ihn ausplaudere, meine Großmutter empfand ihn als unanständig. Nun, meine Großmutter ist 1899 geboren, das erklärt das. Es geht um ein junges Mädel, das völlig verheult darum bittet, ihren Namen ändern zu dürfen. Sie heiße „Hösli“. Ein häufiger Name in der deutschen Schweiz. Das Problem ist ihre Verlobter, der ist aus dem Tessin. Also aus dem Teil der Schweiz, in dem italienisch gesprochen wird. Und wie heißt der? „Ganzone“!!!
Zurück nach Deutschland… Wo genau ist das Problem? Der ehemalige Postminister Schwarz-Schilling brachte es gerade mal auf drei Silben. Was gefühlt kürzer ist als Obermaier, Mittermaier, Niedermeier. Alles aber keine Doppelnamen. Festzuhalten ist, auch der Bindestrich ist kein Garant für Doppelnamen. Als Beweis führe ich das Haus Löwenstein-Wertheim an. Nicht durch Heirat, also durch Fusion, sondern durch Aufteilung entstanden dort beeindruckende Namen mit vielen Bindestrichen. Als pars pro toto möge der deutsche Schriftsteller, Journalist und Politiker Hubertus Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg dienen.
Elisabeth Prinzessin zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg heiratete übrigens Otto Konstantin Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Bemerkenswert daran ist an dieser Stelle, daß sich die beiden bereits 1923 scheiden ließen. Unbestätigt die Meldung, nach der der Scheidungsgrund war, daß die Prinzessin auf einen „Doppelnamen“ bestanden habe: Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Löwenstein-Wertheim-Freudenberg. Nun gut, nicht unbestätigt, ich geb’s zu, das war Quatsch. Ich habe keine Ahnung, warum diese Ehe in die Brüche ging. Aber man sieht doch sehr schön, ab einer gewissen Länge des Namens wird’s wunderlich. Das weiß jeder Bub, der die Abenteuer des Kara ben Nemsi verfolgt hat und dort Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abbul Abbas ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah begegnet ist.
Jeder soll nach seiner Façon selig werden. Wieso hat das Bundesverfassungsgericht die doch sehr berechtigte Bitte eines Ehepaars abgelehnt, ihre Namen aneinanderzuhängen, nur weil einer der beiden Namen bereits ein Doppelname war? Die Erklärung ist vermutlich einfach, auch wenn ich gestehe, daß ich spekuliere, ich habe das Urteil nicht gelesen. Der Familienname darf ja wohl amtlich gesehen eine bestimmte Länge nicht überschreiten, sonst müßten alle Deutschen längere Pässe bekommen oder in Einzelfällen auf winzige Schriften ausweichen im Ausweis. Amtliche Formulare bräuchten Ergänzungsblätter. Bereits in wenigen Generationen entstehen Namen, die allein bereits jede Datenbank das Fürchten lehren. Gehen wir mal von „Wittgenstein“ aus, also 12 Buchstaben. Nehmen wir vereinfachend an, daß die Nachnamen durchschnittlich ähnliche Länge haben. Die Kinder tragen den Doppelnamen und heiraten andere Doppelnamenträger. Und so weiter. Nach nur zehn Generationen ist der Name 24.576 Zeichen lang – die 1023 Bindestriche nicht mitgezählt. Und das wiederum sind fünf dicht beschriebene DIN/A4-Seiten.
Weh dem Standesbeamten, der diese Ehe beurkunden mußte. Er darf ja nicht „usw.“ sagen – irgendwo ist Schluß. So gesehen ist das Urteil weise. Aber ist es auch gerecht? Na klar. Niemand hindert die beiden Eheleute, sich so zu nennen, wie sie wollen. Sie können sich aufklappbare Visitenkarten drucken, zweiflügelige Haustüren einbauen, damit das Namensschild an die Haustür passt und ansonsten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als interessante Erfahrung in ihr Bücherregal stellen (aus dem wegen Übergröße die Familienchronik herauszufallen droht).
Nach einigen Jahren, maximal dreißig, ist der Name eingebürgert. Spätestens dann wird er eingetragen werden müssen. Wenn die Eheleute dann immer noch meinen, sowas müsse mit dem
Segen unserer Verfassung stattfinden.
Bildquelle: Loriot