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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Dienstag 5. Mai 2009

Eine Frau, die heiratet, nimmt den Namen ihres Mannes an, so wie der General den Namen der Festung, die er eroberte.
Gottlieb Moritz Saphir

 

Doppel-Namen

180502MUC916.jpgDer Süddeutschen entnehmen wir, das Bundes­ver­fassungs­gericht hat ent­schie­den: Drei­fach­namen bleiben un­zu­läs­sig. Der Planet ist gerettet. Das Gericht tut einem schon leid, mit einer so trivialen Sache seine Zeit ver­plem­pern zu müssen. Um was ging es?

Manche Menschen tun sich schwer, ihren Namen aufzugeben, wenn sie heiraten. Einige wenige sind auch er­leich­tert, einen be­la­sten­den Namen los­zu­wer­den, aber im all­ge­mei­nen ist ein neuer Name schon eine starke Zäsur. Manche Paare einigen sich auch auf einen ge­mein­sa­men Ehe­­namen, der beide Namen ent­hält. So ent­stehen Dop­pel­namen, die dann auch an Kinder wei­ter­ge­ge­ben werden, folgt man der Logik, dass in einer Familie min­de­stens der Name alle ver­eint. Doppel­namen sind Namen, die aus zwei Be­stand­teilen be­stehen, die wie­de­rum mit einem Binde­strich zu­sam­men­ge­halten werden. Be­kannte Ver­treter sind der Herr Müller-Lüden­scheid, welcher sein Bad mit Herrn Dr. Klöbner teilen muss und nicht bereit ist, seine Ente zu Wasser zu lassen (Loriot). Be­ein­druckend wird das, wenn zwei lange Namen an­ein­an­der­ge­reiht werden. Was gerade eine Hommage an Frau Leut­heusser-Schnarren­berger ist. Oder Frau Noelle-Neu­mann, die den Doppel­namen schon allein in ihre Ehe mit Herrn Maier-Leib­nitz brachte. Und sich bis zu seinem Tod Noelle-Neu­mann-Maier-Leib­­nitz nannte. Aber selbst in seiner über­wäl­ti­gen­den Vier­fach­form hat sie nicht mehr Buch­staben, als Frau Leut­heusser-Schnarren­berger.

Andere Länder, andere Sitten: In der Schweiz behält die Frau ganz selbst­ver­ständ­lich ihren Namen und kombi­niert ihn mit dem ihres Mannes. An die Kinder wird nur der Familien­name ver­erbt. Meine Groß­mutter erzählte gerne einen Witz. Sie möge mir ver­zei­hen, dass ich ihn aus­plaudere, meine Groß­mutter empfand ihn als un­an­ständig. Nun, meine Groß­mutter ist 1899 ge­boren, das er­klärt das. Es geht um ein junges Mädel, das völlig ver­heult darum bittet, ihren Namen ändern zu dürfen. Sie heiße „Hösli“. Ein häufiger Name in der deutschen Schweiz. Das Problem ist ihre Ver­lobter, der ist aus dem Tessin. Also aus dem Teil der Schweiz, in dem italie­nisch ge­sprochen wird. Und wie heißt der? „Ganzone“!!!

Zurück nach Deutschland… Wo genau ist  das Problem? Der ehemalige Post­mini­ster Schwarz-Schilling brachte es gerade mal auf drei Silben. Was ge­fühlt kürzer ist als Ober­maier, Mitter­maier, Nieder­meier. Alles aber keine Doppel­namen. Fest­zu­halten ist, auch der Binde­strich ist kein Garant für Doppel­namen. Als Beweis führe ich das Haus Löwen­stein-Wert­heim an. Nicht durch Heirat, also durch Fusion, sondern durch Auf­teilung ent­standen dort be­ein­drucken­de Namen mit vielen Binde­strichen. Als pars pro toto möge der deutsche Schrift­steller, Jour­nalist und Politiker Huber­tus Prinz zu Löwen­stein-Wert­heim-Freu­den­berg dienen.

Elisabeth Prinzessin zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg heiratete übrigens Otto Kon­stantin Prinz zu Sayn-Witt­gen­stein-Berle­burg, zu An­fang des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts. Be­mer­kens­wert daran ist an dieser Stelle, daß sich die beiden bereits 1923 scheiden ließen. Un­be­stätigt die Mel­dung, nach der der Schei­dungs­grund war, daß die Prin­zes­sin auf einen „Doppel­namen“ be­stan­den habe: Sayn-Witt­gen­stein-Ber­le­burg-Löwen­stein-Wert­heim-Freuden­berg. Nun gut, nicht un­be­stätigt, ich geb’s zu, das war Quatsch. Ich habe keine Ahnung, warum diese Ehe in die Brüche ging. Aber man sieht doch sehr schön, ab einer ge­wissen Länge des Namens wird’s wun­der­lich. Das weiß jeder Bub, der die Aben­teuer des Kara ben Nemsi verfolgt hat und dort Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abbul Abbas ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah be­geg­net ist.

Jeder soll nach seiner Façon selig werden. Wieso hat das Bundes­ver­fassungs­ge­richt die doch sehr be­rech­tig­te Bitte eines Ehe­paars ab­ge­lehnt, ihre Namen an­ein­an­der­zu­hängen, nur weil einer der beiden Namen bereits ein Doppel­name war? Die Er­klä­rung ist ver­mut­lich ein­fach, auch wenn ich ge­stehe, daß ich spe­ku­liere, ich habe das Ur­teil nicht ge­lesen. Der Familien­name darf ja wohl amt­lich ge­sehen eine be­stimm­te Länge nicht über­schrei­ten, sonst müßten alle Deutschen längere Pässe be­kom­men oder in Einzel­fällen auf winzige Schriften aus­weichen im Ausweis. Amt­liche Formu­lare bräuch­ten Er­gänzungs­blätter. Bereits in wenigen Ge­nera­tio­nen entstehen Namen, die allein bereits jede Daten­bank das Fürchten lehren. Gehen wir mal von „Wittgen­stein“ aus, also 12 Buch­staben. Nehmen wir ver­ein­fachend an, daß die Nach­namen durch­schnitt­lich ähn­liche Länge haben. Die Kinder tragen den Doppel­namen und heiraten andere Doppel­namen­träger. Und so weiter. Nach nur zehn Ge­nera­tionen ist der Name 24.576 Zeichen lang – die 1023 Binde­striche nicht mit­ge­zählt. Und das wie­de­rum sind fünf dicht be­schrie­bene DIN/A4-Seiten.

Weh dem Standes­beamten, der diese Ehe be­ur­kun­den mußte. Er darf ja nicht „usw.“ sagen – irgend­wo ist Schluß. So ge­sehen ist das Ur­teil weise. Aber ist es auch ge­recht? Na klar. Nie­mand hindert die beiden Ehe­leute, sich so zu nen­nen, wie sie wollen. Sie können sich auf­klapp­bare Visiten­karten drucken, zwei­flüge­li­ge Haus­türen ein­bauen, damit das Namens­schild an die Haus­tür passt und an­son­sten das Urteil des Bundes­ver­fassungs­ge­richts als inter­essante Er­fahrung in ihr Bücher­regal stellen (aus dem wegen Über­größe die Familien­chronik heraus­zu­fallen droht).

Nach einigen Jahren, maximal dreißig, ist der Name ein­ge­bürgert. Späte­stens dann wird er ein­ge­tragen werden müssen. Wenn die Ehe­leute dann immer noch meinen, sowas müsse mit dem

Segen unserer Verfassung stattfinden.

Bildquelle: Loriot

 

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