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Daß die gestrige Abstimmung im Bundestag enttäuschend ausgehen würde, hatte sich abgezeichnet. Die Hoffnungen richten sich nun auf den Bundespräsidenten und auf das Bundesverfassungsgericht. Zum einen lieferten bis auf wenige Ausnahmen die Regierungspolitiker die gewohnte Mischung aus Ahnungslosigkeit, Borniertheit und Feigheit ab. Besonders schlimm, daß der SPD-MdB Martin Dörmann eine Zwischenfrage seines Parteikollegen Jörg Tauss mit dem Ausruf quittierte, von Jörg Tauss wolle er heute nichts hören. Feigheit. fefe hat’s mitprotokolliert.
Irgendwie ist das aber auch alles schon wieder komisch. Das klingt ja so, als sei das Drehbuch zu dieser Farce von Frau Rowlings geschrieben worden. Wiebitte? Na klar! Wie fängt jeder durchschnittliche Harry-Potter-Band an? Einer der Helden, meistens Potter selbst, gerät in Verdacht, sieht sich Vorverurteilungen ausgesetzt, gerne auch in der Presse (hier also im Daily Prophet). Und die Politik? Sieben lange Bände kann man sich köstlich amüsieren über dieses Magieministerium mit seinem inkompetenten Minister. Und nun die reale Welt, kein bißchen besser. Aber so besteht die Hoffnung, daß am Ende dieses unrühmlichen Bandes Jörg Tauss voll rehabilitiert die Welt von den Lakaien von Du-Weißt-Schon-Wer befreit.
Ernsthafter einsteigen in die Kritik kann man hier: Thomas Knüwer auf der Handelsblatt-Plattform in seinem Blog „Indiskretion Ehrensache“: Schöne Zusammenfassung.
Sehr interessant auch, was zwischen der SPD und dem AK Zensur passiert ist. Wir erinnern uns: Die SPD traf sich mit den Vertretern des AK Zensur. Als klar wurde, daß die SPD schon wußte, daß sie sich für die Sperrplattform aussprechen würde, gab es für den AK keine Alternative: der Kontakt mußte abgebrochen werden. Es war nichts mehr zu ändern und als Feigenblatt waren sich die Mitglieder des AK zu schade. Zu Recht. Hier die Absage. Verblüffenderweise kam sogar eine Antwort von Martin Dörmann, ja, genau dem, von dem hier eingangs schon einmal die Rede war. Nach Lektüre dieser Zeilen wollte ich gerade zu einer schwungvollen Kritik ansetzen, aber diese Arbeit hat mir Holger Köpke in seinem Reizzentrum bereits abgenommen. Er zerfieselt den Brief Zeile für Zeile und führt Dörmann vor. Der Artikel lohnt sich, dazu vielleicht ein Cognac. Dörmann hatte ja entlarvende Aussagen in seinen Brief gepackt, die jede für sich geeignet waren, einen kompletten Verriß in einem Blog mit Material zu versorgen. Am schlimmsten fand ich persönlich diesen Absatz:
Wir halten es aber für falsch und völlig unangemessen, im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetz von Zensur zu reden. Niemand würde es als Zensur bezeichnen, wenn die Polizei ein kinderpornografisches Bild an einem Zeitungskiosk beschlagnahmt. Auch Sie selbst sprechen ja nicht von Zensur, wenn Sie auf dem Löschen entsprechender Inhalte auf Internetservern bestehen. Demgegenüber ist eine Maßnahme, mit der der Zugang zu solchen Seiten lediglich durch eine Sperre erschwert wird, sogar die mildere Maßnahme.
Wer will eigentlich milde Maßnahmen gegen KiPo? Die Wirkungslosigkeit war das Thema, und die Mißbrauchsbedenken gegenüber der Plattform. Und in diesem Zusammenhang halte ich es für richtig und für völlig angemessen, im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetz von einer Zensurplattform zu reden und zu sagen: Wehret den Anfängen. Der AK Zensur hatte Recht mit seiner Absage – niemand hatte ihnen dort offensichtlich wirklich zugehört. Zeitverschwendung.
Warum bin ich eigentlich so heiter? Nun, so einfach ist eine Demokratie nicht vorzuführen, jedenfalls nicht bei uns. Die nächste Hürde ist unser Bundespräsident Köhler, ein Mann, der noch nie den Grüßaugust und Abnickkasperl gegeben hat. Und eine weitere Hürde ist unser Bundesverfassungsgericht, das regelmäßig und in letzter Zeit immer häufiger Gesetze kassiert hat. Noch ist nichts vorbei und wir erfreuen uns an einem Bild, was auf den Seiten unter „mediengestalter.cc“ zu sehen ist. Man muß nicht immer schreiben, es geht auch kürzer (Bildrechte dort sind dort erwähnt):
Es bedarf einfach mehr, um mein Vertrauen in die freiheitlich demokratische Grundordnung zu erschüttern.