Abofallen
Abofallen sind eine nervige Sache. Man fängt sie sich ein wie eine Erkältung – einmal nicht aufgepaßt, schon hat man wieder einen Rattenschwanz von Ärger am Hals. Das Ganze verbunden mit dem unguten Gefühl, daß man ja doch irgendwie selbst dran schuld sei – was läßt man sich auch mit Abzockgesindel ein. Einmal eine SMS an eine dubiose Handynummer geschickt, einmal ein Webformular ausgefüllt und die AGB in gefühlter 2-Punktschrift mit verdächtig winziger Scrollbar gleich nach unten gescrollt und wahrheitswidrig angeklickt „Ich habe die AGB gelesen und akzeptiert“.
Wir dürfen ja alle drauf vertrauen, daß wir als Konsumenten schon mal doof sein dürfen. Alles kann man widerrufen, alles ist unverbindlich. Normalerweise. Ich gehöre zu denen, die meinen, mit dem Konsumentenschutz gehe es bei uns eher zu weit. Wer beschreibt mein Entsetzen, daß ich selbst in so eine Abofalle getappt bin? Dabei wollte ich doch nur mit meiner Familie nach Usedom fahren. Kein böses Internet, kein Handy, nein, wir haben nur eine Fahrkarte gekauft.
Kinder fahren kostenlos – wenn man als Familie verreist und eine Bahncard hat. Egal welche. Also folgten wir dem Rat des Bahnmitarbeiters und kauften Bahncards für die Familie, auch wenn uns das widersinnig erschien, schließlich wollten wir nur ein einziges Mal mit der Bahn fahren. Als fünfköpfige Familie fahren wir ansonsten besser und billiger mit dem Auto, insbesondere, weil wir uns zwischen Kindern und Gepäck entscheiden müßten. Aber das erschütterte den Mann nicht, es war wirklich günstiger mit Bahncard.
Das alles ist ungefähr ein Jahr her. Da erreichte mich ein Schreiben voll aufgesetzter Fröhlichkeit, ich solle nun mal ein Bild meines Sohns schicken, da sie keines hätten und sich unsere Bahncards demnächst verlängern würden. Dankbar antwortete ich, das sei nicht nötig, da wir diese Bahncards gar nicht mehr benötigen würden. Wir kämen nie dazu, Bahn zu fahren. Schließlich wohnen wir ja inzwischen in einem Ort, der nicht mal einen Bahnhof hat.
Nach vier Wochen hakte ich nach, freundlich, wie ich denke, vielleicht ein bißchen irritiert. Drei Tage später die Antwort, da fiel schon der Schleier der Freundlichkeit:
mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie Ihr BahnCard-Abonnement kündigen möchten.
Für die aktuelle Folgekarte können wir Ihre Kündigung leider nicht mehr anerkennen, da diese nicht fristgerecht 6 Wochen vor Gültigkeitsende der Karte vorlag.
Gerne vermerken wir jedoch die Kündigung Ihres Abonnements der Hauptkarte sowie eventuell vorhandener Zusatzkarten für das darauf folgende Jahr zum 24. Juli 2010.
Da der Großteil unserer Kunden Interesse an einer Folge-BahnCard hat, bieten wir seit Dezember 2002 die BahnCard ausschließlich im Abonnement an.
Es beginnt mit einer fette Lüge. „Wir können leider Ihre Kündigung nicht mehr anerkennen“. Wohlgemerkt, das Jahr war noch nicht um. „Wir wollen nicht, schauen Sie in unsere AGB“ – das wäre ehrlich gewesen. Loswerden wollen sie mich ja doch, immerhin geht es weiter „Gerne vermerken wir jedoch die Kündigung Ihres Abonnements“. Also doch gerne. Oder ist das nur noch so eine sprachliche Gedankenlosigkeit, eine unreflektierte Tollpatschigkeit, eine unbeabsichtigte Provokation?
Unbeabsichtigt? Das kann nicht sein, denn nun kommt der Gnadenstoß. Diese Behauptung, die Bahn wisse wirklich, was ein Großteil ihrer Kunden wolle. Also, ich wollte kein sogenanntes Abonnement, und ich wurde nie gefragt. Neugierig fragte ich nach dem Hintergrund dieser Behauptung. Und, natürlich, bat ich darum, die Ablehnung der Kündigung noch einmal zu überdenken. Aus Gründen der Fairneß kündigte ich an, den Schriftverkehr zu veröffentlichen, es handelte sich ja schließlich weder um private Briefe, noch um Geschäftsgeheimnisse. Namen von Sachbearbeitern veröffentliche ich hier auch nicht, und ich kürze den ganzen Schriftverkehr. Die Originale liegen natürlich alle hier. Ich schrieb also:
Ihr Schreiben habe ich erhalten. Sie können sich vorstellen, dass ich damit nicht einverstanden bin. Sie gehen auf meine Schilderung in keiner Weise ein (ich wollte nie ein Abonnement). Auch scheint es Sie kalt zu lassen, dass wir Ihr Produkt nicht nutzen werden. Hat die ehemalige Bundesbahn das nötig? Abofallen sind für eine Behörde unwürdig, und auch wenn Sie nun keine Behörde mehr sind, so unterstehen Sie dennoch der Beobachtung durch die Öffentlichkeit.
Können Sie den Satz „Da der Großteil unserer Kunden Interesse an einer Folge-BahnCard hat, bieten wir seit Dezember 2002 die BahnCard ausschließlich im Abonnement an.“ ein bisschen untermauern? Ich hatte früher eine BahnCard. Ich wurde nie gefragt, ob ich ein „Abo“ wünsche.
Gut, meine logische Volte mit „keine Behörde mehr, dennoch Beobachtung durch die Öffentlichkeit“ ist schwer nachzuvollziehen. Gemeint war, daß es für unfaire Geschäftspraktiken keine Entschuldigung sein dürfe, keine Behörde zu sein. Diese Ungenauigkeit kam wohl auch daher, daß ich die Mails alle ziemlich bald nach Erhalt beantwortet habe.
Diesmal kam auch die Antwort der Bahn etwas schneller, nur wenig mehr als eine Woche dauerte es. Aber was da kam, entsetzte mich doch. Auf die Frage, ob es der Bahn egal sei, daß ich das Produkt nicht nutzen können würde, kam ein nur notdürfig verhohlenes „Klar ist uns das wurst.“ Das liest sich dann so:
Gemäß den „Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn AG“ und hier im Weiteren insbesondere Punkt 2.5. der „Bedingungen für den Erwerb und die Nutzung von BahnCards (BahnCard)“ beträgt deren Geltungsdauer prinzipiell ein Jahr. Ebenfalls ist dort geregelt, dass die BahnCard sich jeweils automatisch um ein Jahr verlängert, sofern nicht bis 6 Wochen vor Kartenablauf gekündigt wird.
Diese Regelungen sind Vertragsbestandteil , können u. a. in unseren Verkaufsstellen aber auch im Internet – Auftritt der DB AG nachgelesen werden und deshalb muss auch nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden.
Es wird explizit unter der Überschrift „Ihre Unterschrift“ auf die Bedingungen zu der automatischen Verlängerung nochmals hingewiesen. Spätestens beim Durchlesen dieser Zeilen nimmt der Kunde von der automatischen Verlängerung der BahnCard Kenntnis.
Der von Ihnen original unterschriebene BahnCard-Antrag liegt uns vor.
Vor diesem Hintergrund bestehen wir auf die Vertragserfüllung. Wir bitten Sie die noch offene Forderung zeitnah zu begleichen, um weitere Kosten zu Ihren Lasten zu vermeiden.
Wir erinnern uns: Wir kaufen Fahrkarten, diskutieren dabei das Problem der Gepäckbeförderung, wägen Tarifalternativen ab, versuchen, ob es nicht doch eine Möglichkeit der Reservierung gäbe und und und. Dann bekommen wir ein Formular hingeschoben und unterschreiben es, ohne es zu lesen. Selber schuld, das kommt davon. Nun, da gab es vielleicht einmal ein gewisses Urvertrauen. Mein Vater war, ich räume es ein, selbst bei der Bundesbahn.
Ok, es gibt also diesen Vertrag und die Bahn hat sich entschieden, auf Erfüllung zu bestehen. Wenigstens hat sie aufgehört zu lügen. Auf meine Fragen geht sie nicht ein. Dafür fängt sie nun an zu drohen. „… die noch offene Forderung zeitnah zu begleichen, um weitere Kosten zu Ihren Lasten zu vermeiden“. Was für offene Forderungen? Eine Rechnung habe ich nie bekommen. Keine Ahnung, wieviel ich wohin überweisen müßte. Also schrieb ich, daß ich es schade fände, daß meine Fragen ignoriert würden, aber eine Sache konnte ich nicht auf sich beruhen lassen:
Umgekehrt schreiben Sie, ich sollte noch offene Forderungen „zeitnah begleichen“. Das müßten Sie bitte präzisieren – eine Rechnung habe ich nicht erhalten.
Zusätzlich bat ich um Übersendung einer Vertragskopie, die hatte ich nicht. Keine Unterstellung, vielleicht habe ich den ganzen Papierkram nach der Reise weggeworfen. Die Kopie kam auch, mehr aber nicht. Ich schrieb also nochmal, nach wie vor freundlich, wie ich hoffe:
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die Übersendung der Kopie danke ich. Bitte beantworten Sie nun auch den Rest meiner Mail vom 31.7.09.
Die Antwort ist der Gipfel:
Sehr geehrter Herr von Bomhard,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Wir haben Ihnen den Sachverhalt bezüglich unserer Kündigungsbedingungen ausführlich erläutert. Wir bitten Sie daher von weiteren Anfragen zu diesem Thema abzusehen, vielen Dank für Ihr Verständnis.
Sollten Sie Fragen haben oder weitere Informationen wünschen, senden Sie uns bitte einen Brief an DB Fernverkehr AG, BahnCard-Service, 60643 Frankfurt am Main oder eine E-Mail an bahncard-service@bahn.de. Selbstverständlich sind wir auch telefonisch gerne für Sie da: Unter der Servicenummer 0180 5 340035* erreichen Sie uns montags bis freitags von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr.
Was jetzt? Die behaupten, die Kunden wünschten sich ein Abonnement, aber sie kneifen, wenn man nachfragt. Die behaupten, man könne mit ihnen reden, schreiben aber darüber, man solle es hübsch bleiben lassen? Und sie behaupten, ich schulde ihnen Geld, aber nun sind sie nicht mal bereit, über die Höhe der vermeintlichen Forderung Auskunft zu geben? Sowas liest man durchaus immer wieder. Klingeltöne. Dubiose Downloadportale. Abmahnorgien von Winkeladvokaten. Die hören sich alle genau so an wie die früher von mir so geschätzte Bahn.
Wie zum Hohn kriege ich Jubelmails. Ich sammle jetzt also Bonuspunkte in einem Kundenbindungsprogramm der DB. Davon wußte ich auch nichts, wieder irgendso ein Kreuzel, das ich übersehen habe. Aber das beste ist: die Mails, die mich über dieses tolle Bonusprogramm informieren, kommen von einer Adresse, die genau zeigt, wie diese ominöse Studie wohl zustandegekommen ist, nach der ein Großteil der Kunden die Bahncard im Abo wünsche. Die Mail kam tatsächlich von der Adresse
noreply.kundendialog@bahn.de
Bild: Franz-Joseph Würmeling, der Urvater der Bahncard. Damals noch eine Erleichterung für kinderreiche Familien. Tempi passati. (Quelle: Bundesarchiv)
Donnerstag 3. September 2009 um 16:59
Herrlich geschrieben – und die Bahn ist unverschämt wie immer. ich hatte für meinen neffen während der WM 2006 eine probe-bahncard bestellt (kosten 0€) und hatte plötzlich ein abovertrag mit zahlungsaufforderungen… so schlecht wie die bahn kommuniziert keiner….. Kennt ihr aboalarm.de? ganz praktisch, insbesondere:
http://www.aboalarm.de/kuendigungsschreiben/bahncard-kuendigen
karsten
Freitag 18. September 2009 um 19:42
Vorweg mein Tip: BAHNCARD SOFORT BEI ERHALT KÜNDIGEN. Dann hat man nach einem Jahr keine dumme Überaschung.
Ich bin auch reingefallen. Habe mich bis zur Beschwerdestelle durchtelefoniert, aber die Bahn findet es völlig normal, notfalls die Kunden per Klage zu solchen zu machen. Ich dachte, solche unseriösen Geschäftsmodelle muss man nur bei dubiosen Hinternetanbietern erwarten.
Es ist zwar gerade noch kein Betrug, aber es stinkt schon gewaltig danach. Einem in irgendwelchen Geschäftsbedingungen ein Abo unterzujubeln, wenn man (nachprüfbar) keine Leistung in Anspruch genommen hat.
Schade, ich fand das Bahnfahren eigentlich so schlecht nicht und hätte mir vielleicht bei Bedarf wieder ein BC geholt, aber jetzt bin ich ein Bahnhasser.
Mittwoch 23. September 2009 um 17:59
Hier geht es weiter.
Donnerstag 19. November 2009 um 02:37
Es gibt ein nettes Video das erklärt, wie die Abofallen-Betreiber im Internet zusammen mit ihren Anwälten eine Droh- und Einschüchterungskulisse aufbauen, um damit Geld einzutreiben:
http://www.youtube.com/watch?v=TKRbtyb1IYU
Das Video ist sehenswert!
Samstag 21. November 2009 um 13:11
Wir sind genauso hereingefallen und haben der Bahn 204 Euro FÜR NIX SPENDEN dürfen.
Wir fahren NIE WIEDER mit der Bahn. Das Thema ist damit erledigt.
Frechheit!!
Montag 21. Dezember 2009 um 00:13
[…] kostenpflichtige Downloadportale für ohnehin frei erhältliche Software oder eben, wie hier schon berichtet, für Bahncards, die auch Geld kosten, wenn man sie nicht nutzen will. Oder aber: Ballett […]
Mittwoch 11. Januar 2012 um 11:47
Bahncard kündigen ist immer so eine Sache. Ich empfehle jedem die Euros zu sparen. Nervt nur!