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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Montag 31. August 2009

Unter den Augen unserer Gesetzgeber haben sich die Aktiengesellschaften in organisierte Raub- und Betrugsanstalten verwandelt, deren geheime Geschichte mehr Niederträchtigkeit, Ehrlosigkeit, Schurkerei in sich birgt als manches Zuchthaus, nur daß die Diebe, Räuber und Betrüger hier statt in Eisen in Gold sitzen.
Rudolf von Ihering, (1818 - 1892)

 

Abofallen

545px-Bundesarchiv_Bild_146III-386,_Franz-Josef_WuermelingAbofallen sind eine nervige Sache. Man fängt sie sich ein wie eine Er­käl­tung – einmal nicht auf­ge­paßt, schon hat man wieder einen Ratten­schwanz von Ärger am Hals. Das Ganze ver­bun­den mit dem un­guten Ge­fühl, daß man ja doch irgend­wie selbst dran schuld sei – was läßt man sich auch mit Ab­zock­ge­sin­del ein. Ein­mal eine SMS an eine dubiose Handy­nummer ge­schickt, ein­mal ein Web­for­mular aus­ge­füllt und die AGB in ge­fühl­ter 2-Punkt­schrift mit ver­däch­tig winziger Scroll­bar gleich nach unten ge­scrollt und wahr­heits­widrig an­ge­klickt „Ich habe die AGB ge­le­sen und ak­zeptiert“.

Wir dürfen ja alle drauf vertrauen, daß wir als Kon­su­men­ten schon mal doof sein dürfen. Alles kann man wider­rufen, alles ist un­ver­bind­lich. Nor­maler­weise. Ich gehöre zu denen, die meinen, mit dem Kon­su­men­ten­schutz gehe es bei uns eher zu weit. Wer be­schreibt mein Ent­setzen, daß ich selbst in so eine Abo­falle ge­tappt bin? Dabei wollte ich doch nur mit meiner Familie nach Use­dom fahren. Kein böses Inter­net, kein Handy, nein, wir haben nur eine Fahr­karte ge­kauft.

Kinder fahren kostenlos – wenn man als Familie verreist und eine Bahn­card hat. Egal welche. Also folgten wir dem Rat des Bahn­mit­ar­bei­ters und kauften Bahn­cards für die Familie, auch wenn uns das wider­sinnig er­schien, schließ­lich wollten wir nur ein ein­zi­ges Mal mit der Bahn fahren. Als fünf­köpfi­ge Fa­mi­lie fahren wir an­son­sten bes­ser und bil­li­ger mit dem Auto, ins­be­son­dere, weil wir uns zwi­schen Kin­dern und Ge­päck ent­schei­den müßten. Aber das er­schüt­ter­te den Mann nicht, es war wirk­lich gün­sti­ger mit Bahn­card.

Das alles ist ungefähr ein Jahr her. Da er­reich­te mich ein Schreiben voll auf­ge­setz­ter Fröh­lich­keit, ich solle nun mal ein Bild meines Sohns schicken, da sie keines hätten und sich unsere Bahn­cards dem­nächst ver­län­gern wür­den. Dank­bar ant­wor­te­te ich, das sei nicht nötig, da wir diese Bahn­cards gar nicht mehr be­nö­ti­gen würden. Wir kämen nie dazu, Bahn zu fahren. Schließ­lich wohnen wir ja in­zwi­schen in einem Ort, der nicht mal einen Bahn­hof hat.

Nach vier Wochen hakte ich nach, freund­lich, wie ich denke, viel­leicht ein bißchen irri­tiert. Drei Tage später die Ant­wort, da fiel schon der Schleier der Freund­lich­keit:

mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie Ihr BahnCard-Abonnement kündigen möchten.

Für die aktuelle Folgekarte können wir Ihre Kündigung leider nicht mehr anerkennen, da diese nicht fristgerecht 6 Wochen vor Gültigkeitsende der Karte vorlag.

Gerne vermerken wir jedoch die Kündigung Ihres Abonnements der Hauptkarte sowie eventuell vorhandener Zusatzkarten für das darauf folgende Jahr zum 24. Juli 2010.

Da der Großteil unserer Kunden Interesse an einer Folge-BahnCard hat, bieten wir seit Dezember 2002 die BahnCard ausschließlich im Abonnement an.

Es beginnt mit einer fette Lüge. „Wir können leider Ihre Kün­di­gung nicht mehr an­er­ken­nen“. Wohl­ge­merkt, das Jahr war noch nicht um. „Wir wol­len nicht, schauen Sie in unsere AGB“ – das wäre ehr­lich ge­we­sen. Los­wer­den wollen sie mich ja doch, immer­hin geht es weiter „Gerne ver­mer­ken wir je­doch die Kün­di­gung Ihres Abonne­ments“. Also doch gerne. Oder ist das nur noch so eine sprach­liche Ge­dan­ken­losig­keit, eine un­re­flek­tier­te Toll­patschig­keit, eine un­be­ab­sich­tig­te Pro­vo­ka­ti­on?

Unbeabsichtigt? Das kann nicht sein, denn nun kommt der Gnaden­stoß. Diese Be­haup­tung, die Bahn wisse wirk­lich, was ein Groß­teil ihrer Kun­den wolle. Also, ich wollte kein so­ge­nann­tes Abonne­ment, und ich wurde nie gefragt. Neu­gierig fragte ich nach dem Hinter­grund dieser Be­haup­tung. Und, na­tür­lich, bat ich darum, die Ab­leh­nung der Kün­di­gung noch ein­mal zu über­den­ken. Aus Grün­den der Fair­neß kün­dig­te ich an, den Schrift­ver­kehr zu ver­öf­fent­li­chen, es han­del­te sich ja schließ­lich weder um pri­va­te Brie­fe, noch um Ge­schäfts­ge­heim­nis­se. Namen von Sach­be­ar­bei­tern ver­öf­fent­li­che ich hier auch nicht, und ich kürze den gan­zen Schrift­ver­kehr. Die Ori­gi­na­le lie­gen na­tür­lich alle hier. Ich schrieb also:

Ihr Schreiben habe ich erhalten. Sie können sich vorstellen, dass ich damit nicht einverstanden bin. Sie gehen auf meine Schilderung in keiner Weise ein (ich wollte nie ein Abonnement). Auch scheint es Sie kalt zu lassen, dass wir Ihr Produkt nicht nutzen werden. Hat die ehemalige Bundesbahn das nötig? Abofallen sind für eine Behörde unwürdig, und auch wenn Sie nun keine Behörde mehr sind, so unterstehen Sie dennoch der Beobachtung durch die Öffentlichkeit.

Können Sie den Satz „Da der Großteil unserer Kunden Interesse an einer Folge-BahnCard hat, bieten wir seit Dezember 2002 die BahnCard ausschließlich im Abonnement an.“  ein bisschen untermauern? Ich hatte früher eine BahnCard. Ich wurde nie gefragt, ob ich ein „Abo“ wünsche.

Gut, meine logische Volte mit „keine Behörde mehr, dennoch Be­ob­ach­tung durch die Öf­fent­lich­keit“ ist schwer nach­zu­voll­zie­hen. Ge­meint war, daß es für un­faire Ge­schäfts­prak­ti­ken keine Ent­schul­di­gung sein dürfe, keine Be­hör­de zu sein. Die­se Un­ge­nau­ig­keit kam wohl auch daher, daß ich die Mails alle ziemlich bald nach Erhalt beantwortet habe.

Diesmal kam auch die Antwort der Bahn etwas schneller, nur wenig mehr als eine Woche dauerte es. Aber was da kam, ent­setzte mich doch. Auf die Frage, ob es der Bahn egal sei, daß ich das Pro­dukt nicht nutzen können würde, kam ein nur not­dürfig ver­hoh­le­nes „Klar ist uns das wurst.“ Das liest sich dann so:

Gemäß den „Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn AG“ und hier im Weiteren insbesondere Punkt 2.5. der „Bedingungen für den Erwerb und die Nutzung von BahnCards (BahnCard)“ beträgt deren Geltungsdauer prinzipiell ein Jahr. Ebenfalls ist dort geregelt, dass die BahnCard sich jeweils automatisch um ein Jahr verlängert, sofern nicht bis 6 Wochen vor Kartenablauf gekündigt wird.

Diese Regelungen sind Vertragsbestandteil , können u. a. in unseren Verkaufsstellen aber auch im Internet – Auftritt der DB AG nachgelesen werden und deshalb muss auch nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden.

Es wird explizit unter der Überschrift „Ihre Unterschrift“ auf die Bedingungen zu der automatischen Verlängerung nochmals hingewiesen. Spätestens beim Durchlesen dieser Zeilen nimmt der Kunde von der automatischen Verlängerung der BahnCard Kenntnis.

Der von Ihnen original unterschriebene BahnCard-Antrag liegt uns vor.

Vor diesem Hintergrund bestehen wir auf die Vertragserfüllung. Wir bitten Sie die noch offene Forderung zeitnah zu begleichen, um weitere Kosten zu Ihren Lasten zu vermeiden.

Wir erinnern uns: Wir kaufen Fahrkarten, dis­ku­tie­ren da­bei das Pro­blem der Ge­päck­be­för­de­rung, wä­gen Tarif­al­ter­na­ti­ven ab, ver­su­chen, ob es nicht doch eine Mög­lich­keit der Re­ser­vie­rung gäbe und und und. Dann be­kom­men wir ein For­mu­lar hin­ge­scho­ben und unter­schrei­ben es, ohne es zu lesen. Selber schuld, das kommt davon. Nun, da gab es viel­leicht ein­mal ein ge­wis­ses Ur­ver­trau­en. Mein Vater war, ich räume es ein, selbst bei der Bundes­bahn.

Ok, es gibt also diesen Ver­trag und die Bahn hat sich ent­schie­den, auf Er­fül­lung zu be­stehen. We­nig­stens hat sie auf­ge­hört zu lügen. Auf mei­ne Fra­gen geht sie nicht ein. Dafür fängt sie nun an zu drohen.  „… die noch offene For­de­rung zeit­nah zu be­glei­chen, um wei­te­re Kosten zu Ihren Lasten zu ver­mei­den“. Was für of­fe­ne For­de­run­gen? Eine Rech­nung habe ich nie be­kom­men. Keine Ah­nung, wie­viel ich wohin über­weisen müßte. Also schrieb ich, daß ich es schade fände, daß meine Fragen igno­riert würden, aber eine Sache konnte ich nicht auf sich be­ru­hen lassen:

Umgekehrt schreiben Sie, ich sollte noch offene Forderungen „zeitnah begleichen“. Das müßten Sie bitte präzisieren – eine Rechnung habe ich nicht erhalten.

Zusätzlich bat ich um Über­sen­dung einer Ver­trags­kopie, die hatte ich nicht. Keine Unter­stel­lung, viel­leicht habe ich den ganzen Papier­kram nach der Reise weg­ge­wor­fen. Die Kopie kam auch, mehr aber nicht. Ich schrieb also noch­mal, nach wie vor freund­lich, wie ich hoffe:

Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Übersendung der Kopie danke ich. Bitte beantworten Sie nun auch den Rest meiner Mail vom 31.7.09.

Die Antwort ist der Gipfel:

Sehr geehrter Herr von Bomhard,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

Wir haben Ihnen den Sachverhalt bezüglich unserer Kündigungsbedingungen ausführlich erläutert. Wir bitten Sie daher von weiteren Anfragen zu diesem Thema abzusehen, vielen Dank für Ihr Verständnis.

Sollten Sie Fragen haben oder weitere Informationen wünschen, senden Sie uns bitte einen Brief an DB Fernverkehr AG, BahnCard-Service, 60643 Frankfurt am Main oder eine E-Mail an bahncard-service@bahn.de. Selbstverständlich sind wir auch telefonisch gerne für Sie da: Unter der Servicenummer 0180 5 340035* erreichen Sie uns montags bis freitags von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr.

Was jetzt? Die behaupten, die Kunden wünschten sich ein Abonne­ment, aber sie kneifen, wenn man nach­fragt. Die be­haup­ten, man könne mit ihnen reden, schreiben aber da­rü­ber, man solle es hübsch blei­ben las­sen? Und sie be­haup­ten, ich schulde ihnen Geld, aber nun sind sie nicht mal be­reit, über die Höhe der ver­meint­li­chen For­de­rung Aus­kunft zu geben? Sowas liest man durchaus immer wieder. Klingel­töne. Dubi­ose Down­load­por­tale. Ab­mahn­orgien von Winkel­ad­vo­katen. Die hören sich alle genau so an wie die früher von mir so ge­schätz­te Bahn.

Wie zum Hohn kriege ich Jubel­mails. Ich sammle jetzt also Bonus­punkte in einem Kunden­bin­dungs­pro­gramm der DB. Davon wußte ich auch nichts, wieder irgend­so ein Kreuzel, das ich über­sehen habe. Aber das beste ist: die Mails, die mich über dieses tolle Bonus­pro­gramm in­for­mie­ren, kom­men von einer Adresse, die genau zeigt, wie diese omi­nöse Stu­die wohl zu­stan­de­ge­kom­men ist, nach der ein Groß­teil der Kun­den die Bahn­card im Abo wünsche. Die Mail kam tat­säch­lich von der Adresse

noreply.kundendialog@bahn.de

Bild: Franz-Joseph Würmeling, der Urvater der Bahncard. Damals noch eine Erleichterung für kinderreiche Familien. Tempi passati. (Quelle: Bundesarchiv)

 

7 Kommentare zu “Abofallen”

  1. Karsten sagt:

    Herrlich geschrieben – und die Bahn ist unverschämt wie immer. ich hatte für meinen neffen während der WM 2006 eine probe-bahncard bestellt (kosten 0€) und hatte plötzlich ein abovertrag mit zahlungsaufforderungen… so schlecht wie die bahn kommuniziert keiner….. Kennt ihr aboalarm.de? ganz praktisch, insbesondere:

    http://www.aboalarm.de/kuendigungsschreiben/bahncard-kuendigen

    karsten

  2. Archimedeus sagt:

    Vorweg mein Tip: BAHNCARD SOFORT BEI ERHALT KÜNDIGEN. Dann hat man nach einem Jahr keine dumme Überaschung.

    Ich bin auch reingefallen. Habe mich bis zur Beschwerdestelle durchtelefoniert, aber die Bahn findet es völlig normal, notfalls die Kunden per Klage zu solchen zu machen. Ich dachte, solche unseriösen Geschäftsmodelle muss man nur bei dubiosen Hinternetanbietern erwarten.

    Es ist zwar gerade noch kein Betrug, aber es stinkt schon gewaltig danach. Einem in irgendwelchen Geschäftsbedingungen ein Abo unterzujubeln, wenn man (nachprüfbar) keine Leistung in Anspruch genommen hat.

    Schade, ich fand das Bahnfahren eigentlich so schlecht nicht und hätte mir vielleicht bei Bedarf wieder ein BC geholt, aber jetzt bin ich ein Bahnhasser.

  3. SvB-Blog » Blogarchiv » Abofallen (2) sagt:

    Hier geht es weiter.

  4. Dave Daniel sagt:

    Es gibt ein nettes Video das erklärt, wie die Abofallen-Betreiber im Internet zusammen mit ihren Anwälten eine Droh- und Einschüchterungskulisse aufbauen, um damit Geld einzutreiben:
    http://www.youtube.com/watch?v=TKRbtyb1IYU

    Das Video ist sehenswert!

  5. Katja sagt:

    Wir sind genauso hereingefallen und haben der Bahn 204 Euro FÜR NIX SPENDEN dürfen.
    Wir fahren NIE WIEDER mit der Bahn. Das Thema ist damit erledigt.
    Frechheit!!

  6. SvB-Blog » Blogarchiv » Abofallen (3) sagt:

    […] kostenpflichtige Downloadportale für ohnehin frei erhältliche Software oder eben, wie hier schon berichtet, für Bahncards, die auch Geld kosten, wenn man sie nicht nutzen will. Oder aber: Ballett […]

  7. Claudi sagt:

    Bahncard kündigen ist immer so eine Sache. Ich empfehle jedem die Euros zu sparen. Nervt nur!

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