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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Dienstag 3. August 2010

Wir wollen lieber bestohlen sein als betrogen. Der Dieb verletzt unser Eigentum, der Betrüger auch unsre Eitelkeit.
Emanuel Wertheimer

 

Böses Netz

Am Wochenende hat Klaus Ott auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung mit seinem Artikel über Telephonbetrug eine Lawine losgetreten:

Abkassieren per Telefon

Der Telefonbetrug wächst drastisch – und die Polizei ist völlig hilflos. Inzwischen kapitulieren bereits die Behörden, weil die Täter meist im Ausland sitzen. Zehn­tausende Geschä­digte haben Anzeige erstattet. Ihre Aus­sicht auf Erfolg? Bescheiden.

Viele Zeitungen griffen das Thema in der Saure-Gurken-Zeit dankbar auf. Auf Bayern2 konnten besorgte Bürger Radio­state­ments zum Thema ab­geben. Aller­dings per Telephon, was an­ge­sichts des Themas nicht ohne Brisanz war. Ich hätte Internet­tele­phonie via Skype empfohlen. Oder gleich die „Jetzt red i“-Variante, direkt über­tragen aus einem Wirtshaus.

Um was geht es eigentlich? Nun, da gibt es ein Netz, genannt das Telephon­netz. Dort gibt es zwie­lichtige An­ge­bote (siehe auch Telephonsex), rätselhafte Abos, die niemand wollte („sende eine SMS an die 12345 und Du bekommst die absolut schärfste Tele­phon­rech­nung, höher als die all Deiner Freunde“) und Be­lä­sti­gungen durch SPAM, der hier aller­dings nur un­er­wünschte Tele­phon­wer­bung heißt. Die ist natürlich verboten – genau wie Spam. Und dieses Verbot ist auch etwa so durch­gesetzt wie das Spam­verbot.

Betrug als Massen-Datenverarbeitung

Dann gibt es noch Roboter – die rufen an und erzählen, man hätte irgend­was tolles ge­wonnen. Man kann sie nicht unter­brechen, es sind nur Maschinen. Sie nennen eine Nummer, unter der man zurück­rufen soll. Leicht zu merken, beginnt mit 0900. Sowas funktioniert natürlich nur höchst selten. Genau wie Spam. Aber da keine nennens­wertenen Kosten ent­stehen, ist jeder arme Tropf, der hier auf den Leim geht, Rein­gewinn. Ob man nun klickt oder anruft: Wem es passiert, der geniert sich. „Wie konnte ich nur so doof sein?“ wird er sagen – und vielleicht kampflos zahlen.

Wer nicht zahlt, bekommt Briefe von Anwälten, oft frag­würdigste Existenzen, kein Ruhmes­blatt für ihren Stand. Manche der „Anwälte“ sind nicht mal echt, nennen sich „Gebühren­voll­zieher“ oder „Insolvenz­vermeidungs­berater“. Wieder in der durch­sichtigen Absicht, noch mehr Ver­wirrung zu stiften und Druck aus­zu­üben. Wes­halb es die Schwachen sind, die es trifft, die Jungen, die unter­durch­schnitt­lich Gebildeten und die oft sehr zur Obrig­keits­hörig­keit erzogenen ganz Alten. Dabei würde ein schlichtes Ankündigen einer Straf­anzeige die meisten dieser Kreaturen schnell ver­scheuchen.

Damit nicht genug. Hacker­angriffe machen einem das Leben schwer, zumindest, wenn man eine Tele­phon­anlage betreibt. Was heute er­staun­lich viele tun. Wer sich nicht mit Security beschäftigen will oder kann, dessen Tele­phon­anlage kann für alles mögliche miß­braucht werden. Wieviele Fälle es tat­sächlich sind? Keiner weiß das genau, die Dunkel­ziffer ist hoch.

Rettung naht: Die Politik greift ein

Und nun der Auftritt der Politiker: Forderungen nach neuen Gesetzen werden laut. Das findet unsere Justiz­ministerin, Frau Leut­heuser-Schnarren­berger, nun nicht gerade. Die exi­stierenden Gesetze reichten völlig aus, nur müsse eben die Polizei und die Staats­anwalt­schaft mehr tun. Gute Idee. Wann denn? Nach Dienst­schluß oder anstelle der Ferien? Oder an­stelle der Weiter­bildung zum Thema Internet, für die schon letztes Jahr keine Zeit war?

66.000 Beschwerden gingen von Januar bis April diesen Jahres bei der Bundes­netz­agentur ein. Das waren noch im Vergleichs­zeit­raum des Vorjahres 14.000 gewesen. Und dieser Flut soll sich jetzt die Polizei wacker ent­gegen­stemmen? Die hat doch gar keine Zeit, sich um Bagatell­delikte zu kümmern, und um solche handelt es sich hier meistens. Hier mal schnell 3 Euro, dort 10, aber die Summe macht’s. Millionen werden umgesetzt, munkelt man. Aber diesen Profi­munkler „man“ hören wir jedes Mal. Seit seiner Arbeit für die Ex-Familien­mini­sterin „Zensursula“ von der Leyen ist seine Glaub­würdig­keit dahin.

Wie soll sich denn nun die Polizei um so etwas kompliziertes kümmern können, wenn sie jedes Jahr offene Stellen nicht mehr besetzen darf und gleich­zeitig sieht, wie die Staats­anwalt­schaft, eben­falls völlig über­lastet, solche als Klein­krimi­nelle an­ge­sehene mut­maß­liche Straf­täter im un­wahr­schein­lichen Fall eines Fahndungs­erfolgs letztlich doch ein­fach vom Haken läßt. Keine Zeit. 10.000 Fälle, ein Beamter. Klar, daß der erstmal die Mord­fälle durch­geht.

Dabei wäre alles so einfach

Warten wir noch ein bißchen. Die Politiker kriegen die Kurve noch. Ich sehe es bereits vor mir:

N.N. fordert:

  • Das Telephonnetz darf kein rechtsfreier Raum sein!
  • Telephonieren in Zukunft nur mit persönlich registrierter Rufnummer.
  • Telephonsex nur noch nach 22 Uhr. Auch im Ausland.
  • Illegale Angebote werden im Telephonbuch mit falschen Nummern eingetragen. Ruft man dort an, bekommt man eine Band­ansage „Schwein gehabt! Sie hätten fast ein verbotenes Angebot angerufen. Dies ist ein Service Ihres Innen­mini­steriums und des BKA.“ Auf Bild­tele­phonen erscheint zusätzlich ein Stopp­schild.
  • Das DE-Telephon wird eingeführt: Wer über eine DE-Tele­phon­nummer anruft, braucht sich niemandem gegen­über noch extra aus­zu­weisen. Auch weiß der Anrufer zu­ver­lässig, wer am anderen Ende ist. Der Zusatz­service: Die Anruf­daten werden hundert Jahre beweis­sicher gespeichert.
  • Computerspiele („Killerspiele“) gehören verboten. Das hat zwar nichts mit dem Thema zu tun, aber das hat es eigentlich nie und wird doch immer wieder „aus aktuellem Anlass“ gefordert.
  • Die Volksshochschulen bekommen den Auftrag, Kurse abzuhalten: „Richtig telephonieren.“
  • Mobiltelephone bleiben erlaubt. Wer aber sein Telephon anderen zur Verfügung stellt, steht mit einem Bein im Gefängnis. Das gilt auch für schlecht gewartete Telephonanlagen.
  • Telephongesellschaften haften für übertragene Inhalte. Nimmt ein Gespräch eine illegale Wendung, muss der Anbieter („Provider“) das Gespräch sofort trennen.
  • Wird ein Telephonanschluß dreimal für etwas Illegales eingesetzt, wird er von Amts wegen gesperrt („Three-Strike-Out“).
  • Die letzten Telephonzellen werden abgebaut. Anonyme Netzzugänge sind nicht mehr erwünscht.

Aber das muß ja alles nicht sein. Es gibt ein erprobtes Netz, in dem die Kriminalität nach­ge­wiesener­maßen weniger aus­ge­prägt ist. Melden Sie Ihr Telephon ab!

Verwenden Sie nur noch das Internet.

Bildquelle: Bundesministerium der Justiz

 

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