Böses Netz
Am Wochenende hat Klaus Ott auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung mit seinem Artikel über Telephonbetrug eine Lawine losgetreten:
Abkassieren per Telefon
Der Telefonbetrug wächst drastisch – und die Polizei ist völlig hilflos. Inzwischen kapitulieren bereits die Behörden, weil die Täter meist im Ausland sitzen. Zehntausende Geschädigte haben Anzeige erstattet. Ihre Aussicht auf Erfolg? Bescheiden.
Viele Zeitungen griffen das Thema in der Saure-Gurken-Zeit dankbar auf. Auf Bayern2 konnten besorgte Bürger Radiostatements zum Thema abgeben. Allerdings per Telephon, was angesichts des Themas nicht ohne Brisanz war. Ich hätte Internettelephonie via Skype empfohlen. Oder gleich die „Jetzt red i“-Variante, direkt übertragen aus einem Wirtshaus.
Um was geht es eigentlich? Nun, da gibt es ein Netz, genannt das Telephonnetz. Dort gibt es zwielichtige Angebote (siehe auch Telephonsex), rätselhafte Abos, die niemand wollte („sende eine SMS an die 12345 und Du bekommst die absolut schärfste Telephonrechnung, höher als die all Deiner Freunde“) und Belästigungen durch SPAM, der hier allerdings nur unerwünschte Telephonwerbung heißt. Die ist natürlich verboten – genau wie Spam. Und dieses Verbot ist auch etwa so durchgesetzt wie das Spamverbot.
Betrug als Massen-Datenverarbeitung
Dann gibt es noch Roboter – die rufen an und erzählen, man hätte irgendwas tolles gewonnen. Man kann sie nicht unterbrechen, es sind nur Maschinen. Sie nennen eine Nummer, unter der man zurückrufen soll. Leicht zu merken, beginnt mit 0900. Sowas funktioniert natürlich nur höchst selten. Genau wie Spam. Aber da keine nennenswertenen Kosten entstehen, ist jeder arme Tropf, der hier auf den Leim geht, Reingewinn. Ob man nun klickt oder anruft: Wem es passiert, der geniert sich. „Wie konnte ich nur so doof sein?“ wird er sagen – und vielleicht kampflos zahlen.
Wer nicht zahlt, bekommt Briefe von Anwälten, oft fragwürdigste Existenzen, kein Ruhmesblatt für ihren Stand. Manche der „Anwälte“ sind nicht mal echt, nennen sich „Gebührenvollzieher“ oder „Insolvenzvermeidungsberater“. Wieder in der durchsichtigen Absicht, noch mehr Verwirrung zu stiften und Druck auszuüben. Weshalb es die Schwachen sind, die es trifft, die Jungen, die unterdurchschnittlich Gebildeten und die oft sehr zur Obrigkeitshörigkeit erzogenen ganz Alten. Dabei würde ein schlichtes Ankündigen einer Strafanzeige die meisten dieser Kreaturen schnell verscheuchen.
Damit nicht genug. Hackerangriffe machen einem das Leben schwer, zumindest, wenn man eine Telephonanlage betreibt. Was heute erstaunlich viele tun. Wer sich nicht mit Security beschäftigen will oder kann, dessen Telephonanlage kann für alles mögliche mißbraucht werden. Wieviele Fälle es tatsächlich sind? Keiner weiß das genau, die Dunkelziffer ist hoch.
Rettung naht: Die Politik greift ein
Und nun der Auftritt der Politiker: Forderungen nach neuen Gesetzen werden laut. Das findet unsere Justizministerin, Frau Leutheuser-Schnarrenberger, nun nicht gerade. Die existierenden Gesetze reichten völlig aus, nur müsse eben die Polizei und die Staatsanwaltschaft mehr tun. Gute Idee. Wann denn? Nach Dienstschluß oder anstelle der Ferien? Oder anstelle der Weiterbildung zum Thema Internet, für die schon letztes Jahr keine Zeit war?
66.000 Beschwerden gingen von Januar bis April diesen Jahres bei der Bundesnetzagentur ein. Das waren noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres 14.000 gewesen. Und dieser Flut soll sich jetzt die Polizei wacker entgegenstemmen? Die hat doch gar keine Zeit, sich um Bagatelldelikte zu kümmern, und um solche handelt es sich hier meistens. Hier mal schnell 3 Euro, dort 10, aber die Summe macht’s. Millionen werden umgesetzt, munkelt man. Aber diesen Profimunkler „man“ hören wir jedes Mal. Seit seiner Arbeit für die Ex-Familienministerin „Zensursula“ von der Leyen ist seine Glaubwürdigkeit dahin.
Wie soll sich denn nun die Polizei um so etwas kompliziertes kümmern können, wenn sie jedes Jahr offene Stellen nicht mehr besetzen darf und gleichzeitig sieht, wie die Staatsanwaltschaft, ebenfalls völlig überlastet, solche als Kleinkriminelle angesehene mutmaßliche Straftäter im unwahrscheinlichen Fall eines Fahndungserfolgs letztlich doch einfach vom Haken läßt. Keine Zeit. 10.000 Fälle, ein Beamter. Klar, daß der erstmal die Mordfälle durchgeht.
Dabei wäre alles so einfach
Warten wir noch ein bißchen. Die Politiker kriegen die Kurve noch. Ich sehe es bereits vor mir:
N.N. fordert:
- Das Telephonnetz darf kein rechtsfreier Raum sein!
- Telephonieren in Zukunft nur mit persönlich registrierter Rufnummer.
- Telephonsex nur noch nach 22 Uhr. Auch im Ausland.
- Illegale Angebote werden im Telephonbuch mit falschen Nummern eingetragen. Ruft man dort an, bekommt man eine Bandansage „Schwein gehabt! Sie hätten fast ein verbotenes Angebot angerufen. Dies ist ein Service Ihres Innenministeriums und des BKA.“ Auf Bildtelephonen erscheint zusätzlich ein Stoppschild.
- Das DE-Telephon wird eingeführt: Wer über eine DE-Telephonnummer anruft, braucht sich niemandem gegenüber noch extra auszuweisen. Auch weiß der Anrufer zuverlässig, wer am anderen Ende ist. Der Zusatzservice: Die Anrufdaten werden hundert Jahre beweissicher gespeichert.
- Computerspiele („Killerspiele“) gehören verboten. Das hat zwar nichts mit dem Thema zu tun, aber das hat es eigentlich nie und wird doch immer wieder „aus aktuellem Anlass“ gefordert.
- Die Volksshochschulen bekommen den Auftrag, Kurse abzuhalten: „Richtig telephonieren.“
- Mobiltelephone bleiben erlaubt. Wer aber sein Telephon anderen zur Verfügung stellt, steht mit einem Bein im Gefängnis. Das gilt auch für schlecht gewartete Telephonanlagen.
- Telephongesellschaften haften für übertragene Inhalte. Nimmt ein Gespräch eine illegale Wendung, muss der Anbieter („Provider“) das Gespräch sofort trennen.
- Wird ein Telephonanschluß dreimal für etwas Illegales eingesetzt, wird er von Amts wegen gesperrt („Three-Strike-Out“).
- Die letzten Telephonzellen werden abgebaut. Anonyme Netzzugänge sind nicht mehr erwünscht.
Aber das muß ja alles nicht sein. Es gibt ein erprobtes Netz, in dem die Kriminalität nachgewiesenermaßen weniger ausgeprägt ist. Melden Sie Ihr Telephon ab!
Verwenden Sie nur noch das Internet.
Bildquelle: Bundesministerium der Justiz