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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Sonntag 31. Oktober 2010

Don Quijote: Tatsachen, mein lieber Sancho, sind die Feinde der Wahrheit.
Miguel de Cervantes

 

Bilderstürmer (2)

Am Montag, den 25. Oktober, gab es in Berlin ein sogenanntes „Expertengespräch„. Das ist eine Sitzung eines Bundestagsausschusses, oder, wie hier, eines Unterausschusses, zu der Sachverständige geladen werden und Politiker. Thema der Veranstaltung: Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet. Ob es sinnvoll ist, gegen die Darstellung zu kämpfen anstatt mit aller Kraft gegen den Missbrauch an sich, wurde hier bereits thematisiert. Ich war als Experte eingeladen.

Jeder Experte mußte vor der Veranstaltung ein Statement vorlegen. In meinem Statement legte ich dar, wieso Sperren niemals funktionieren. Allerdings auch, wieso Löschen kein Allheilmittel ist und was man statt dessen tun sollte. Interessanterweise schien das niemand zu interessieren. Sehr schnell wurde klar, daß die anwesenden Abgeordneten, die sich an dem Gespräch beteiligten, alle dem Sperren recht skeptisch gegenüberstanden und daher für das Löschen eintraten. „Opposition“ kam also weder von der Regierung, noch von der Opposition, sondern vom BKA, dessen Präsident Ziercke an der Sitzung teilnahm. Nicht als Politiker, sondern als Sachverständiger, aber das war vom bloßen Zuhören nicht klar.

Experten

Was bringt so ein Expertengespräch? Zu einem produktiven Gespräch gehört für mich das gemeinsame Ringen um die Wahrheit. Wenn einer etwas sagt, dann sollte es doch erst einmal egal sein, von welcher Partei er ist. Interessant ist doch nur, ob er er recht hat. Und da ist es kontraproduktiv, wenn beispielsweise die grünen Teilnehmer über den schwarzen Teilnehmer herziehen, nur weil der recht intelligente Dinge sagt. Kritikpunkt: Das sei doch der grüne Standpunkt und nicht der schwarze. Soll er sich jetzt dafür rechtfertigen, dass er recht hat? Oder dass er nicht dumm-mutig den als falsch erkannten Standpunkt weiter vertritt? Als geladener Experte fühlt man sich da unwohl.

Lustigerweise wurde mein vom Steuerzahler finanziertes Papier nicht einmal besprochen. Wurde das Papier vielleicht gelesen, aber nicht geglaubt? Dann hätte ich an deren Stelle ja die Gelegenheit genutzt, mir, dem Autor, auf den Zahn zu fühlen. Ich meine es nicht böse, im Gegenteil, ich will den Beteiligten ja nur den Bigbrotheraward ersparen. In Österreich sind die Netzsperrenbefürworter Sieger in der Kategorie lebenslanges Ärgernis (Quelle: Bigbrotheraward.at) geworden:

Die Internetabsperrer

Die amtlichen Stopptaferlaufsteller, deren Vorgangsweise – Manipulation des Domain Name Systems – jener der Phishing-Betrüger technisch zum Verwechseln ähnlich ist, sind nicht die einzigen Internetabsperrer. Massives Interesse daran hat auch die Medien- und Unterhaltungsindustrie, sowie jene Politiker, die sich von dieser Lobby Vorteile für die Öffentlichkeitsarbeit versprechen. In welch engem Verhältnis zwei völlig ungleiche Delikte wie Downloads von urheberrechtsgeschütztem Material und sexueller Missbrauch von Kindern stehen, lassen wir am besten einen Vertreter der genannten Lobby selbst erklären. Wörtliches Zitat von Johan Schlüter, Anwalt und Lobbyist der International Federation of Phonographic Industries in Dänemark auf einer Veranstaltung der amerikanischen Handelskammer in Stockholm am 27. Mai 2007: „Kinderpornografie ist großartig, weil sie von Politikern verstanden wird. Wenn wir diese Karte spielen, kriegen wir sie dazu, zu handeln und Websperren einzuführen. Wenn das geschafft ist, werden sie auch bereit sein, Filesharing-Sites zu blockieren.“

Weht der Wind wirklich daher? Ähnliches war bereits auch bei uns oft im Netz zu lesen. Ich war aber nicht als Experte für Verschwörungstheorie eingeladen, sondern als Sachverständiger in Sachen Internetprovider und Technik. Das wiederum hat Herrn Ziercke (BKA) ein bisserl in Bedrängnis gebracht. Nachdem er erkannt hatte, daß dies nicht der Tag der Stoppschildhersteller werden würde, wich er aus auf sein anderes großes Thema, die Vorratsdatenspeicherung. Er führte aus, daß man der Kinderpornographie nicht Herr würde, wenn man nicht auf diese Daten Zugriff bekäme.

Ablenken vom Thema

Das war natürlich Bluff: Die Vorratsdatenspeicherung betrifft vor allem die schnell wechselnden Internetadressen von Einwählzugängen, nicht die der Server. Wer also nach der Vorratsdatenspeicherung ruft, will vor allem gegen die Konsumenten ermitteln. Nicht jedoch gegen die Anbieter. Darauf wies ich hin, aber damit zog ich mir den Unmut von Herrn Ziercke zu, der meinte, er habe das nie gesagt. Ungefähr 10 Minuten, nachdem er das gesagt hatte.

Das ist dann wohl wieder Politik.

 

Ein Kommentar zu “Bilderstürmer (2)”

  1. M. Rohrmoser sagt:

    den Slogan „Löschen statt Sperren“ finde ich ebenfalls sehr irreführend.
    – Erstens ist der Unterschied für Laien recht subtil,
    – zweitens argumentiert er technisch anstatt rechtstaatlich und
    – drittens zielt er auf Sachen anstatt handelnde Personen.

    Deswegen:

    Bestrafen statt Verstecken!

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