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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Freitag 25. Februar 2011

Der Guttenberg schaut schlecht aus. Der wird doch nicht krank werden! Jetzt, wo er keinen Doktor mehr hat!
Michl Müller

 

Wort des Jahres: Axolotl

Doktorrolle un BayreuthEin schönes Wort des Jahres wäre auch Axolotl gewesen. Alles wurde diskutiert. Wo beginnt die Inspiration, was ist einfach nur Abkupfern. Was ist der Unterschied zwischen einem Plagiat und einem Plugin? Ist ein Buch allein zu sehen? Wann ist ein Buch ein Buch? Reicht der Inhalt? Dann gäbe es Bücher, die nur auf Kindles oder anderen Lesegeräten leben. Braucht es Papier? Oder wird ein Buch erst durch die Person seines Schöpfers zum eigentlichen Buch?

Alles Unsinn?  Wir erinnern uns – ein damals siebzehnjähriges Mädel, Helene Hegemann, schnappt sich einfach den Text eines mir unbekannten Bloggers namens Airen und macht ein Buch draus: „Axolotl Roadkill“. Bisserl ihren familiären Background genutzt und -schwupp- fertig war der Bestseller. Mit Ansage, denn mitten im Text steht es:

„Es ist egal, woher ich die Dinge nehme. Wichtig ist, wohin ich sie trage.“

Das klingt schön und poetisch, aber irgendwie falsch. Man kann es auch als Entschuldigung für Ladendiebstahl verwenden. Trotzdem war der Urheberschutz ein großes Thema 201o. Darf man im Internet frei zulangen? Karl-Heinz Rumenigge meint ja, Angela Merkel meint nein. Ich meine, wie vermutlich die meisten, es kommt darauf an. Ein ganzes Buch abzuschreiben, ein paar Worte umzustellen, einen neuen Titel draufzupappen etc. und das ganze dann als eigenes Werk zu verkaufen, das ist dreist. Die Argumentation der Hegemannfans war fadenscheinig. Wenn man Inhalte frei abkupfern können sollte, dann darf man doch zumindest nicht selbst für die Verbreitung wieder Geld verlangen. Und genau das stellte dieses Buch dar.

Es darf nicht vergessen werden, daß die meisten Feuilletonisten das Buch vorher schon so gelobt hatten. Es war die Authentizität der Autorin, ihre Siebzehnjährigkeit, ihr Mädel-sein. Kein Wunder, daß sie hyperventilierend und schnell ihre der Lächerlichkeit preisgegebenen Elogen rechtfertigen mußten. Und sieheda, es kommt auf den Menschen an, der hinter dem Werk steht. Nicht so sehr auf den, der es eigentlich verfaßt hat.

Genug zu diesem Thema. In meiner unendlichen Serie „Wort des Jahres“ reicht es gerade mal für 5 Punkte für Axolotl. Es ist nämlich kein Wort des Jahres speziell für 2010. Immer wieder kommt so was vor:

 

Axolotl Roadkill Verfassung und Verfassungsauftrag
Axolotls haben schleimig aussehende Haut Der Autor hat schleimig aussehende Haare
Das Werk wurde höchst gelobt summa cum laude
Die Laudatoren stellen sich hinter die Autorin Der Doktorvater stellt sich vor den Autor
Ohne Skandal wäre das Buch eindeutig weniger verkauft worden Ohne Skandal wäre das Buch vermutlich kaum gelesen worden

 

Im neuesten Fall nur ist der Autor kein Teenie, sondern unser Verteidigungsminister, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Und er hat nicht ein komplettes Buch abgeschrieben, sondern nach ersten Eindrücken, Fülltexte zusammengeräubert. Das Vorwort, Einleitungen zu einigen Kapiteln, Zusammenfassungen etc. Man kann begütigend sagen, es geht hier vielleicht eher um Abschreiben beim Aufrüschen, nicht beim wissenschaftlichen Arbeiten. Die Iglo-Oma würde vielleicht frech sagen „So promoviert man heute“.

Aber das Volk ist entsetzt. Weniger die Bild, das penetrante Guttenberg-Fanzine. Herr Wagner von der Bild findet sicherheitshalber den Doktor überschätzt (im O-Ton, Bild-typischer: „Scheiß auf den Doktor“). Er ist aber kein Maßstab, denn Wagner ist nach eigenen Angaben doch eher bildungsfern. Vor dem Abi aus der Schule geflogen, nie eine Uni von innen gesehen, alles harmlos, aber auch noch stolz drauf, das macht die Sache peinlich. Aber vielleicht doch repräsentativ für eine gewisse Sorte Mitbürger.

Aber eigentlich ist alles gesagt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Ich denke, Herr zu Guttenberg sah irgendwann kein Land mehr. Er hatte kein zweites Staatsexamen. Juristisch gesehen also ein Paria. Eine Promotion macht es wieder gut. Nun denn: Viele Jahre Stoff gesammelt, Berge von Textschnipseln, immer neben seiner Tätigkeit als Politiker. Es war ihm klar, daß das Ziel von sich aus nicht mehr näher kommen würde, eine Gewaltanstrengung war notwendig. So hat er vielleicht halt „Gas gegeben“. „Bisserl gepfuscht“. „Kreatives Finish“. Irgendeinen Euphemismus wird er für sich gefunden haben. Vielleicht kam der Tipp indirekt sogar von seinem Doktorvater („Hinschmeißen? Aber nicht doch, mein Bester! Das wäre schade. Nehmen Sie eine Schreibkraft, viel fehlt doch nicht mehr ..“). So bereitet man ein summa cum laude vor.

Ich glaube ihm, daß er den Überblick gehabt hat, daß er sich durchaus tief in den Stoff eingearbeitet hat. Und ich vermute, daß er weiß, daß er überreizt hat, und daß ihm kaltschnäuzige Arroganz hier nicht hilft. Einen Rücktrittsgrund sehe ich nicht. Wir haben Politiker, die ganz andere Qualität als Lügner hatten, darunter Vorbestrafte und Meineidige. Ein Blender wie er ist dagegen doch harmlos.

Die arabische Welt ist im Umbruch, unsere Währung erodiert, der Planet sollte gerettet werden, und die ganze Republik

redet über diese Doktorarbeit?

 

2 Kommentare zu “Wort des Jahres: Axolotl”

  1. Fredrika Gers sagt:

    Ja, es gibt wirklich schlimmere Verfehlungen deutscher Politiker, die ihre Urheber – Koch und Lambsdorff fallen mir als erste ein – überlebt haben. Das fühlt wohl auch das sogenannte Volk, denn Guttenbergs Umfragestern sinkt ja (noch) nicht. Die Frage ist, ob ihm seine unglaubliche Hybris nicht doch früher oder später zum Verhängnis wird. Und noch eine Frage habe ich: Kann der Mann wirklich mehr als fernsehwirksam daher kommen? Mit schöner Regelmäßigkeit setzt er markige Statements in die Welt, hinter die er dann zurückrudern muss. Opel, Kunduz und jetzt das.

  2. Alexander sagt:

    KT musste eine Eidesstaatliche Erklärung abgeben, dass er die Doktorarbeit selbst geschrieben hat – was er ja offensichtlich nicht getan hat.
    Wikipedia sagt dazu: „Die Versicherung an Eides statt oder eidesstattliche Versicherung (kurz „E.V.“ oder „EV“) ist im deutschen Recht eine besondere Beteuerung, mit der derjenige, der diese Versicherung abgibt, bekräftigt, dass eine bestimmte Erklärung der Wahrheit entspricht. Besondere Rechtsbedeutung erlangt die Versicherung an Eides statt dadurch, dass nach § 156 des Strafgesetzbuchs (StGB) die Abgabe einer unwahren eidesstattlichen Versicherung vor einer im konkreten Einzelfall zur Abnahme der Versicherung zuständigen Behörde eine Straftat darstellt.“

    Darf jetzt jeder vor Gericht lügen wie er will, nur weil er ein Politstar ist? Ich hoffe doch nicht, das wären ja italienische Zustände!

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