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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Freitag 16. September 2011

Sonst hat der leichtsinnige Sohn Schulden gemacht, die der Vater bezahlen mußte, heute macht der leichtsinnige Vater Schulden, die der Sohn bezahlen muß.
Peter Rosegger (1843 - 1918)

 

Wir griechen Ärger

Griechenland, Griechenland, Tag für Tag. O Ellas, was geschieht mit Dir! Die Griechenlandkrise geht uns inzwischen alle an. Presse und Öffentlichkeit beschäftigen sich gefühlt ununterbrochen damit. Helfen wir den Griechen nicht, bricht alles zusammen. Die LINKE fordert, den Griechen das Geld zu geben als Ausgleich dafür, dass die Griechen ihr Geld vorher bei uns ausgegeben haben. Guter Ansatz, ich werde das mal mit meinem Feinkosthändler besprechen. Die Regierung fordert, den Griechen das Geld notfalls auch ohne Parlament zu geben, da sonst der Euro zerstört würde. Interessant. Griechenland hat knapp 11 Millionen Einwohner, also knapp weniger als Bayern. Das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands beträgt laut Wikipedia 230,17 Milliarden Euro. Das sind 2,59 % des BIP aller Euroländer. Könnte der Ausfall eines derart geringen Prozentsatzes das gesamte Euro-Währungssystem zum Absturz bringen, hätte unser Währungssystem vermutlich größere Probleme als die griechischen Staatsschulden – es wäre schlicht eine Fehlkonstruktion.

Ein deutscher Wirtschaftsminister von der CSU, sein Name ist mir gerade entfallen, hat eine geordnete Insolvenz vorgeschlagen, wenn irgendetwas oder irgendjemand seine Schulden nicht mehr bezahlen kann. Nicht Griechenland war das Thema, sondern Opel, aber nachdem Opel keine Hilfsmittel bekam, weil die deutschen Vorgaben nicht erfüllt wurden, ging es doch irgendwie weiter. Die geordnete Insolvenz als Begriff blieb – nur dass sie im Zusammenhang mit Griechenland nicht verwendet werden darf. Aber wieso? Nicht nur Romantiker wie ich fänden ein Ende mit Schrecken besser. Kein gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen, das stünde einem liberalen Staat gut zu Gesicht. Ähnlich äußert sich auch Hans-Werner Sinn vom IFO-Institut, nachzulesen in der Morgenpost. Er sieht keine bessere Lösung als den Ausstieg aus dem Euro für Griechenland. Nach einem etwaigen Crash der griechischen Banken und dann einem nicht zu unterschätzenden Tornado auf den Welt-Finanzmärkten müssen wir vermutlich nochmal ein paar Banken verstaatlichen – oder besser retten, so nennt man das jetzt. Aber kann es nicht sein, daß schnödes Geld derzeit auch überschätzt wird?

Griechenland war die meiste Zeit seiner Geschichte unter Fremdherrschaft: Seien es die Perser, die Römer, die Venetianer, die Osmanen oder eben derzeit die EU und demnächst, wie es aussieht, die Chinesen. Obwohl es letzteren nicht wirklich um Einfluß in Griechenland geht. Think big, sagt Konfuzius 2.0. Daß dies alles den freiheitsliebenden Griechen nicht gefällt, ist klar. Wären sie wirklich souverän, könnten sie nun etwas unternehmen. Das geht im Euro nicht. Und schon wird das Raunen um die „Transferunion“ lauter. Solange wir davon träumen, daß sich alle Europäer aus demselben Suppentopf bedienen, löffeln alle das aus, was alle eingebrockt haben. Das ist nicht die Lösung, das ist das Ende. Irgendwelche „Vereinigte Staaten von Europa“ ändern am eigentlichen Problem nichts und sind Hirngespinste. Selbst das Argument, daß ein Vereinigtes Europa Kriege verhindert und damit die läppischen paar zig Milliarden wert wäre, zählt nicht, denn der grausamste und blutrünstigste Krieg des ganzen 19. Jahrhunderts war ja wohl der amerikanische Bürgerkrieg, und vielleicht schaffen wir es ohne Krieg auch einfach so? Aus Einsicht? Aus gezogenen Lehren aus der Geschichte? Und nicht nur, weil man innerhalb eines gemeinsamen Landes sich so schwer tut, einen Krieg ordnungsgemäß und gültig im Sinne der Haager Landkriegsordnung zu erklären.

So sehe ich den Vorstoß von Minister Rösler als durchaus sinnvollen Ansatz. Er spricht laut aus, was viele Leute denken. Und die Folge? Die Opposition fordert seine sofortige Entlassung (das sind dieselben Leute, die ansonsten den Kündigungsschutz immer recht wichtig nehmen). Die Kanzlerin findet ihren Minister vermutlich wieder einmal nicht hilfreich. Frank-Walter Steinmeier fordert, daß ein deutscher Minister nicht zu sprechen habe wie am Küchentisch. Auffälliges Bild – am Küchentisch wird die Wahrheit gesprochen, Tacheles, das darf man also jetzt nicht?

Minister Rösler wehrt sich gegen Denkverbote. Auch eine misslungene Reaktion, niemand verbietet ihm zu denken. Er soll seine Meinung nur eben für sich behalten, sagen seine Gegner. Das mag ja gelegentlich angezeigt erscheinen, aber Minister Rösler spricht doch aus, was die Mehrheit aller Steuerzahler denkt, was wohl auch die Mehrzahl aller Griechen denkt, was man von einem liberalen Politiker erwarten kann und muß und letztlich auch, was vermutlich irgendwann das Ergebnis gewesen sein wird: Griechenland wird seine Schulden nie bezahlen. Und das darf ein Regierungsmitglied nicht sagen? Dann vertritt uns alle doch unsere eigene Regierung nicht mehr. Wir sind alle Griechen.

Aber das ist ein anderes Thema.

 

3 Kommentare zu “Wir griechen Ärger”

  1. John Doe sagt:

    Sie haben vollkommen Recht: Statt weitere Steuermilliarden zur Rettung von Bankprofiten zu verschwenden, muss Griechenland entschuldet und die Vermögensbesitzer zur Kasse gebeten werden. Da die Schuldenkrise und der wachsende private Reichtum nur zwei Seiten derselben Medaille sind, brauchen wir eine EU-weite Vermögensabgabe für Millionäre und eine Steuer auf Finanztransaktionen.

  2. Blog - start-trading.de sagt:

    Medien bereiten griechische Pleite vor…

    Die Medien bereiten die Bevölkerung langsam auf eine griechische Staatspleite vor. In vielen Artikeln werden Szenarien durchgespielt, welche Folgen ein Bankrott des Mittelmeerlandes haben wird und wie man sich am besten vorbereiten kann. Dies dient der…

  3. Umdenker sagt:

    Ich glaube in dem Artikel wird eigentlich ziemlich gut erklärt, wie „ideologisch falsch“ wir in Deutschland denken:

    http://www.wiesaussieht.de/2011/10/03/wir-haben-ein-%E2%80%9Eeuro-problem%E2%80%9C-und-nicht-ein-problem-mit-%E2%80%9Eeuro-sundern%E2%80%9C/

    Gibt auch allgemein viele gute Artikel auf den Nachdenkseiten zum „Eurokrise“ Thema.

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