Glaubwürdigkeit
Die gestern erwähnte Zerrissenheit ist natürlich Symptom des die SPD derzeit verstörenden morbus hassicus, der hessischen Krankheit. Da gehen die Ypsilantisten mit dem Kampfruf in die Wahl „Weg mit Koch“ und „Wir arbeiten mit den Linken nicht zusammen“ – und verlieren. Denn ohne die Linken kriegen sie Koch nicht weg und mit den Linken dürfen sie nicht. Dumm das. Und schon beginnen die Strategen zu grübeln.. Was heisst eigentlich Zusammenarbeit? Streng genommen muss es ja nicht gleich Zusammenarbeit sein, wenn man nur ein kleines bisserl toleriert wird. „Fummelei – Techtelmechtel – Affäre – Verhältnis“, wo beginnt der Ehebruch?
Und wie sauer wären die Bürger, so überlegen die Politiker, wenn man die Dehnbarkeit seiner Aussagen ein bisserl strenger überprüft? Bei der Mehrwertsteuerdiskussion hat das damals ja auch prima funktioniert. Wer denkt noch daran? Damals stand das so im Spiegel:
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und weitere Koalitionspolitiker verteidigten die Steuererhöhungen als unvermeidbar. „Diät ohne Anstrengung ist nicht möglich“, sagte Steinbrück. Die Vorschläge der Opposition nannte er Populismus. Alleine mit Ausgabenkürzungen sei das Ziel, 2007 einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen und die Maastricht-Kriterien einzuhalten, nicht zu erreichen. Wer glaube, den Haushalt ohne Einnahmeverbesserungen konsolidieren zu können, erliege einer „Selbsttäuschung“.
Populismus? Selbsttäuschung? Im Wahlkampf hatte es noch geheissen, mit der SPD gebe es keine Mehrwertsteuererhöhung, ja, diese sei ein katastrophaler Fehler. Die Erhöhung war vermutlich richtig, aber muss man den Wortbruch so zynisch inszenieren?
Und nun also Hessen. Nachdem man sich kaum vorstellen kann, dass die Linken Koch wählen, muss sich Frau Ypsilanti doch nur hinstellen und sich wählen lassen. Dumm, dass im Eifer des Wahlkampfs genau dieses Szenario ausgeschlossen worden war, von eben dieser Kandidatin.
Dennoch, die Macht liegt in Reichweite. Pfälzische Gemütsmenschen sind Meister des Aussitzens, das wissen wir in dieser Republik gut, also steht auch der Kandidat sofort fest, der das Tabu brechen muss: Kurt Beck. Die Hamburger SPD, nervös wegen ihres eigenen Wahlkampfs, heult auf: „Wie kann man so instinktlos sein, vor der Wahl über so etwas zu sprechen“. Aha. Soll also heissen, warten wir bis nach der Wahl?
Same procedure as every year?