Mindestlohn und kein Ende.
Vorgestern wurden Argumente vermisst. In einer Zeitungskampagne. Aber wir leben ja im 21. Jahrhundert und kennen das Internet. Das Arbeitsministerium kennt es auch, ein idealer Platz, um Argumente abzulegen. Wir lesen also nach…
Wer die Kampagne des BMAS, des „Bundesministeriums für Arbeit und Soziales“ aufmerksam betrachtet, stolpert sofort erneut über die Ehrlichkeit dieser Leute. Gestern haben sie noch zugegeben, mehr zu verlangen, als einfach nur gerecht wäre. Heute sehen auch sie mehr Fragen als Antworten. Zumindest schreiben hier über die zehn wichtigsten Fragen zum Mindestlohn (siehe unterer Seitenrand), beginnen aber die Seite mit „5 gute Argumente für den Mindestlohn“. Schauen wir uns also diese fünf guten Argumente an und spekulieren wir nicht über die fünf weniger guten, die offensichtlich unter den Tisch fallen.
1. Lebensunterhalt
Mindestlöhne helfen, dass Beschäftigte die Vollzeit arbeiten, den Lebensunterhalt für sich selbst erarbeiten können und nicht länger auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.
Alle Zitate unredigiert, ich bitte also meine aufmerksamen Leser, mir die Rechtschreibfehler nicht anzulasten. Zur Sache. Mein Betrieb bildet aus. Meine Auszubildenden können von ihrem Arbeitsentgelt ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich bestreiten und sind auf Unterstützung angewiesen. Typischerweise von den Eltern, aber auch vom Staat. Heißt das jetzt, das Arbeitsministerium unterstellt mir, wir seien ein Ausbeuterbetrieb? Kaum, die Auszubildenden des Ministeriums, die es hoffentlich gibt, können von ihrem Geld sicher auch (noch) nicht leben. Oder soll es heißen, dass Auszubildende nicht „Vollzeit arbeiten“? Hmm, das war also das erste von fünf „guten“ Argumenten.
2. Schutz vor Lohndumping
Mindestlöhne schützen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping. Sie gelten gleichermaßen für deutsche und für ausländische Unternehmen, die in Deutschland Menschen beschäftigen.
Das wird nicht dadurch richtig, dass es gebetsmühlenartig wiederholt wird. Die Anzahl der Arbeitsplätze in Deutschland ist keine Konstante. Vielleicht kann man Briefe nur in Deutschland austragen, aber sortieren kann man im Ausland, denn dank (oder trotz?) einiger Jahre rot-grüner Politik kosten Transporte nichts im Vergleich zu Mitarbeitern. Und wer nicht im Ausland sortiert, der macht es hier, aber dann bitte mit Maschinen. Und was den postulierten Schutz vor Lohndumping angeht, wasserdicht ist nicht mal der in Deutschland. Wenn es nicht mit eigenen Gewerkschaften klappt, machen die Briefdienstleister eben Verträge mit Zeitarbeitsfirmen. Oder mit ausländischen Zustellerfirmen. Da findet sich schon die geeignete EU-Antidiskriminierungsverordnung. Hmm, das war das zweite von fünf „guten“ Argumenten.
3. Qualität von Waren und Dienstleistungen
Mindestlöhne stärken Unternehmen, die ordentlich entlohnen, weil dann der Wettbewerb über die Qualität von Waren oder Dienstleistungen und nicht über Dumpinglöhne ausgetragen wird.
Das ist abstrus. „Unternehmen, die ordentlich entlohnen“ haben doch jetzt bereits höhere Qualität, folgt man dieser Logik. Übersehen wir einfach mal die polemische generalisierende Unterstellung in „ordentlich entlohnen“… Das bedeutet doch, dass diese Unternehmen heute einen Wettbewerbsvorteil über Qualität haben, sofern die Verbraucher sich hier Qualität wünschen, sofern also ein Markt da ist.
Durch die Einmischung der Politik verschwimmt der erarbeitete Wettbewerbsvorteil des Qualitätssegments. Umgekehrt werden nun die höheren Preise einfach an die Verbraucher weitergegeben. Wieder umgekehrt zuendegedacht: Wer nun billig anbieten will, der spart eben an anderer Stelle. Ist das der erwünschte Effekt? Hmm, das war das dritte von fünf „guten“ Argumenten.
4. Sicherung von Beschäftigung
Mindestlöhne können Beschäftigung sichern. Wissenschaftliche Untersuchungen und die Erfahrungen aus anderen europäischen Staaten belegen dies.
Mindestlöhne sichern Beschäftigung? Das ist einfach Unsinn. Ach so, steht da ja gar nicht. Da steht „können„. Nun denn, das also belegen wissenschaftliche Untersuchungen. Sicherheitshalber kann man da nirgends draufklicken, um genaueres zu erfahren. Hmm, das war das vierte von fünf „guten“ Argumenten.
5. Höhere Rentenanpassungen
Mindestlöhne sind gut für die Renten. Sie führen über höhere beitragspflichtige Löhne auch zu höheren Rentenanpassungen.
Hier sträubt sich die Feder. Arbeitgeber werden zu höheren Löhnen gezwungen, Verbraucher bezahlen also mehr für Dienstleistungen und das sprudelnde Einkommen wird nun natürlich erst einmal vom Staat wieder abgeschöpft. Um die Löcher in den Rentenkassen zu stopfen! Und damit also für durchsichtige Wahlgeschenke. Hmm, das war das letzte von fünf „guten“ Argumenten.
Also doch ein Blick in das PDF vom BMAS:
Gehen durch Mindestlöhne Arbeitsplätze zwangsläufig verloren ?
Nein. Neuere internationale Studien kommen zu dem Ergebnis, dass von
Mindestlöhnen keine oder sogar leicht positive Beschäftigungseffekte ausgehen.
So ist etwa in Großbritannien die Arbeitslosigkeit seit der Einführung des Mindestlohns
im Jahre 1999 deutlich zurückgegangen. Nach einer aktuellen Untersuchung der
London School of Economics haben die britischen Unternehmen in dreifacher Weise
auf die Einführung des Mindestlohns reagiert: Zum einen kam es in vielen Branchen zu
einer spürbaren Erhöhung der Produktivität, womit bereits ein Teil der zusätzlichen
Kosten kompensiert werden konnte. Darüber hinaus kam es in einigen Sektoren zu
moderaten Preisanstiegen. Schließlich gingen in einigen Bereichen auch die Gewinne
zurück, ohne dass dies jedoch zu Beschäftigungsverlusten geführt hat. Durch die
Förderung der privaten Konsumnachfrage hat der Mindestlohn im Gegenteil die
Beschäftigungsentwicklung positiv beeinflusst
Schon oben war die Scheu vor Konkretheit aufgefallen. Auch hier, im detaillierteren Text, wird es nicht besser. Arbeitsplätze gehen zwar verloren, aber eben nicht zwangsläufig. Immerhin steht da: Die Briten haben die Produktivität erhöht (was vermutlich vornehm den erhöhten Leistungsdruck beschreibt), die Preise wurden erhöht (logisch) und es kam, zumindest in Großbritannien, nicht zu Beschäftigungsverlusten.
Ehrlich? Keine Beschäftigungsverluste? Also, in Deutschland ist als erstes eine ganze Firma, PIN, insolvent gegangen, inklusive aller Arbeitsplätze. Vielleicht werden nur überlebende Firmen zur Statistik zugelassen?
Was bleibt? Der Ärger über die Kampagne wird nicht geringer. Ich wünsche mir eine Regierung, die versucht, mich aufrichtig zu informieren, mindestens jedoch mich
zu regieren, nicht zu manipulieren!
Wobei es beim Versuch blieb…