Eine Aussendung des Politbüros
Im Stern bin ich drübergestolpert: Eine ganzseitige Anzeige „Weil ein gerechter Lohn das Mindeste ist“. Das Thema ist also noch diskussionswürdig. Wer gibt denn für so etwas Geld aus? Oh. Wir. Denn Auftraggeber der Kampagne ist das Bundesarbeitsministerium.
Da ist es durchaus legitim, den aufsteigenden Ärger nicht vollständig zügeln zu können. Es spricht nichts dagegen, dem Wähler vor schwerwiegenden Entscheidungen auf die Sprünge zu helfen und sein Wissen mit Fakten anzureichern. So etwas nennt man „politische Bildung“ und dafür ist die Bundeszentrale für politische Bildung zuständig. Kennen wir doch noch aus der Schulzeit.
Hat das Ganze aber nichts mit politischer Bildung zu tun, und, wie man sieht, auch wenig mit Fakten, so handelt es sich um Propaganda. Dafür ist eigentlich das Propagandaministerium, das heutige Bundespresseamt, zuständig.
Propaganda? Der Begriff ist vielleicht anrüchig. Nennen wir es also lieber Kampagne. Wobei man über den lateinischen Campus schnell darauf kommt, dass eine Kampagne viel mit einem Feldzug zu tun hat. Wenn nun also das Arbeitsministerium eine eigene Kampagne macht und diese aus den knappen Steuermitteln finanziert, so fragt man sich, für oder gegen wen oder was sich dieser Feldzug wendet. „Weil gerechter Lohn das Mindeste ist“. Soll das eine Drohung sein?
Vielleicht hätten sie das doch besser dem Bundespresseamt überlassen Die hätten das wahrscheinlich weniger sybillinisch dargestellt. Wir hingegen sind nun auf die Exegese angewiesen. Was deuten wir also? Drei Thesen sind auf einen Blick herleitbar:
1. Bonuszahlungen sind ungerecht
Wer mehr bekommt als sein Gehalt, bekommt nicht mehr das Mindeste, sondern mehr. Gerechter Lohn ist aber nur das Mindeste.
q.e.d.
2. Gier ist in Ordnung
Wenn der gerechte Lohn das Mindeste ist[, was gefordert wird], so heißt das, das Arbeitsministerium ist dafür, daß mehr gefordert wird. Also ungerechter Lohn. Das heißt Gier.
q.e.d.
3. Bundes-Briefträger ist ein Traumjob
Schaut man sich das Mädel genauer an, so sieht man „Hey, die ist aber fröhlich“. Das muß daran liegen, daß sie dank der unermüdlichen Politik des Herrn Arbeitsministers ordentlich verdient (nämlich deutlich mehr als den von ver.di empfohlenen Mindestlohn von 7,50 €, den ihre armen TNT- und PIN-Kollegen verdienen). Möglicherweise liegt es auch am schönen Wetter, oder daran, daß weit und breit kein Hund zu sehen ist. Wer noch genauer hinsieht, den beschleicht der Verdacht, daß der Arbeitgeber Post wohl auch die Zahnbehandlungskosten seiner Mitarbeiter übernimmt, ein möglicher Hintergrund dieses strahlenden Lächelns.
q.e.d.
Was konnte man in dieser Anzeige noch lesen? Da steht, dass seit Januar 2008 bei den Briefdienstleistern verbindliche Mindestlöhne gelten. Wir erinnern uns: Das Arbeitsministerium hat doch einen Prozeß verloren. Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden: Die von der Bundesregierung erlassene Mindestlohnverordnung für Briefdienste ist rechtswidrig. Und da das Ministerium lieber möglicherweise ein schlechter Verlierer sein wollte als jedenfalls überhaupt ein Verlierer, wurde sofort Berufung angekündigt. „Sofort“, das heißt ja „ohne Nachdenken“. Nun, inzwischen hat man das alles wohl verdrängt. Das entnimmt man jedenfalls ebenfalls der Kampagne.
Was stand noch in der Anzeige? Nichts.
Jedenfalls keine Argumente.