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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Dienstag 13. Mai 2008

Das Leben ist nicht gerecht, und für die meisten von uns ist das gut so.
Oscar Wilde

 

Eine Aussendung des Politbüros

BriefträgerIm Stern bin ich drüber­ge­stol­pert: Eine ganz­seitige An­zeige „Weil ein gerechter Lohn das Mindeste ist“. Das Thema ist also noch dis­kussions­würdig. Wer gibt denn für so etwas Geld aus? Oh. Wir. Denn Auftrag­geber der Kampagne ist das Bundes­arbeits­mini­sterium.

Da ist es durchaus legitim, den auf­stei­gen­den Ärger nicht voll­ständig zügeln zu können. Es spricht nichts dagegen, dem Wähler vor schwer­wiegenden Ent­schei­dungen auf die Sprünge zu helfen und sein Wissen mit Fakten an­zu­reichern. So etwas nennt man „politische Bildung“ und dafür ist die Bundes­zentrale für politische Bildung zuständig. Kennen wir doch noch aus der Schulzeit.

Hat das Ganze aber nichts mit politischer Bildung zu tun, und, wie man sieht, auch wenig mit Fakten, so handelt es sich um Propaganda. Dafür ist eigentlich das Propagandaministerium, das heutige Bundespresseamt, zuständig.

Propaganda? Der Begriff ist vielleicht anrüchig. Nennen wir es also lieber Kampagne. Wobei man über den lateinischen Campus schnell darauf kommt, dass eine Kampagne viel mit einem Feldzug zu tun hat. Wenn nun also das Arbeits­mini­sterium eine eigene Kampagne macht und diese aus den knappen Steuermitteln finanziert, so fragt man sich, für oder gegen wen oder was sich dieser Feldzug wendet. „Weil gerechter Lohn das Mindeste ist“. Soll das eine Drohung sein?

Vielleicht hätten sie das doch besser dem Bundespresseamt überlassen Die hätten das wahr­schein­lich weniger sybillinisch dargestellt. Wir hingegen sind nun auf die Exegese an­ge­wie­sen. Was deuten wir also? Drei Thesen sind auf einen Blick herleitbar:

1. Bonuszahlungen sind ungerecht

Wer mehr bekommt als sein Gehalt, bekommt nicht mehr das Mindeste, sondern mehr. Gerechter Lohn ist aber nur das Mindeste.

q.e.d.

2. Gier ist in Ordnung

Wenn der gerechte Lohn das Mindeste ist[, was gefordert wird], so heißt das, das Arbeits­mini­sterium ist dafür, daß mehr gefordert wird. Also ungerechter Lohn. Das heißt Gier.

q.e.d.

3. Bundes-Briefträger ist ein Traumjob

Schaut man sich das Mädel genauer an, so sieht man „Hey, die ist aber fröhlich“. Das muß daran liegen, daß sie dank der unermüdlichen Politik des Herrn Arbeitsministers ordentlich verdient (nämlich deutlich mehr als den von ver.di empfohlenen Mindest­lohn von 7,50 €, den ihre armen TNT- und PIN-Kollegen verdienen). Möglicher­weise liegt es auch am schönen Wetter, oder daran, daß weit und breit kein Hund zu sehen ist. Wer noch genauer hinsieht, den beschleicht der Verdacht, daß der Arbeit­geber Post wohl auch die Zahn­be­hand­lungs­kosten seiner Mit­­ar­bei­ter über­nimmt, ein möglicher Hintergrund dieses strahlenden Lächelns.

q.e.d.

Was konnte man in dieser Anzeige noch lesen? Da steht, dass seit Januar 2008 bei den Brief­dienst­leistern ver­bindliche Mindest­löhne gelten. Wir erinnern uns: Das Arbeits­mini­sterium hat doch einen Prozeß verloren. Das Berliner Ver­waltungs­gericht hat ent­schieden: Die von der Bun­des­­re­gierung er­lassene Mindest­lohn­ver­ordnung für Brief­dienste ist rechts­widrig. Und da das Ministerium lieber möglicher­weise ein schlechter Verlierer sein wollte als jedenfalls überhaupt ein Verlierer, wurde sofort Berufung angekündigt. „Sofort“, das heißt ja „ohne Nachdenken“. Nun, inzwischen hat man das alles wohl verdrängt. Das entnimmt man jedenfalls ebenfalls der Kam­pagne.

Was stand noch in der Anzeige? Nichts.

Jedenfalls keine Argumente.

 

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