Der Bock als Gärtner
Dr. Hans-Peter Uhl heißt ein Mann, der seit 1998 dem Bundestag für die CSU angehört. Geboren in Tübingen, aber inzwischen leider ein Bayer – es gibt keine mildernden Umstände. Wenn Landsleute sich so benehmen, fühle ich mich irgendwie doppelt betroffen.
Dieser Mann fiel mir neulich negativ auf. Er verunglimpft Menschen, die besser informiert und anderer Meinung sind als er selbst: als Reichsbedenkenträger. Nun kann es ja mal vorkommen, daß man betrunken zur Arbeit kommt. Oder einfach einen schlechten Tag hat. Bei einem einmaligen Ausrutscher kann man ja auch einfach betreten wegsehen. Geben wir dem Mann also eine Chance. Schauen wir doch einmal, was er noch so von sich gibt. Bei Herrn Börnsen (CDU) hat dies neulich ja auch Nettes zutagegefördert (Rückblick).
Beginnen wir bei abgeordnetenwatch.de. Uhl wird gefragt, ob er sich nach der Einführung der Instrumente für eine Sperrung von Internetseiten auch eine Sperrung von anderen Seiten vorstellen könne. Seine Antwort, völlig an der Frage vorbei, eine billige Polemik gegen allfällige Kritiker:
(…) Für mich steht jedoch fest, dass z.B. das Freiheitsrecht eines Kindes, nicht sexuell missbraucht und Pädophilen zur Schau gestellt zu werden, um einiges höher zu bewerten ist als eine verabsolutierte „Freiheit des Internets“ oder anderes dummes Geschwätz. Die ganze pseudo-bürgerrechtsengagierte Hysterie von Pseudo-Computerexperten, man müsse um jeden Preis ein „unzensiertes Internet“ verteidigen etc. – vgl. www.ccc.de -, fällt für mich in die Kategorie: juristisch ohne Sinn und Verstand und moralisch verkommen.
Zur Erinnerung: Der Vorwurf gegen die Sperrungen war, dass sie (a) unverhältnismäßig, (b) kontraproduktiv und (c) wirkungslos sind. Unverhältnismäßig, weil aus durchsichtigen Gründen die tatsächliche Anzahl der begangenen Verbrechen schamlos übertrieben wurde und eine Gefährdungssituation suggeriert wird, die so nicht existiert. Kontraproduktiv, weil nur die Polizeiarbeit erschwert wird, aber kein einziges Kind gerettet wird durch die Maßnahmen. Schlimmer noch: Allein das Anlegen der ominösen Listen erzeugt etwas, das durch seine bloße Existenz von zynischen Verbrechern als Marketingwerkzeug genutzt werden wird („Best of“, „Empfohlen vom BKA“). Keine Liste bleibt im Netz dauerhaft unter Verschluß. Und wirkungslos, weil entsprechende Anleitungen, wie man die Sperren umgeht, längst im Netz erhältlich sind für die, die es nicht ohnehin schon vorher wußten.
Uhl muß das doch irgendwann auch mitbekommen haben. Und da er nicht zugeben will, blindwütig in die falsche Richtung losgestürmt zu sein, kann er sich auf eine sachliche Auseinandersetzung nicht einlassen. So wechselt er das Thema und behauptet, seinen Gegnern ginge es um Verhinderung von Zensur, Bürgerrechte auf Kosten der Freiheitsrechte von Kindern. Das ist unsinnig. Schlimmer aber noch als seine Borniertheit in der Sache ist seine Wortwahl: Die Verteidigung von Bürgerrechten und die Verhinderung von Zensur nennt er moralisch verkommen? Hilfsweise unterstellt er allen, die nicht vollständig seiner Meinung sind, sie wollten nur ungestört Kinderpornographie herunterladen.
Auch sonst ist sachliche Auseinandersetzung etwas für Weicheier. Nach der Ablehnung des umstrittenen BKA-Gesetzes letzten November ließ sich Uhl über seine Gegner aus, die sächsische SPD. Deutlich sichtbar: Hier hat sich jemand nicht mehr unter Kontrolle. Er keift. Das Ganze findet man immer noch in der TAZ, aber auch längst in Wikipedia.
Einziges Indiz für die tatsächliche Gemütslage aufseiten der Regierungsparteien war die Reaktion von Hans-Peter Uhl (CSU). Der Innenpolitiker der Union war außer sich. „Mit diesem linken Gerülpse aus Sachsen lässt sich doch nichts anfangen“, schimpfte Uhl über die Parteitagsentscheidung. „Da ist ein Klischee auf das andere gestapelt worden: Wir sind gut und wir sind frei. Damit lässt sich doch nichts anfangen. Mit den Verfassern solcher Pamphlete kann man nicht reden“, sagte er der taz.
Freiheit gehört für ihn offensichtlich zu etwas, das irreal ist, irgendwie „gspinnert“, und eben „links“. Das mit dem Gerülpse lasse ich unkommentiert.
Aber gehen wir doch wieder zur Gegenwart. Auf www.uhl-csu.de veröffentlicht Uhl ein haarsträubendes Dokument. Voller Fehler, voller Irrationalität, aber auch voll bewußter und unbewußter Irreführungen, bar jeder Bereitschaft zum Nachdenken oder Reflektieren. Es ist sein eigenes Papier, kein übelwollender Journalist entlockt ihm diese Äußerungen. Ein Highlight:
Welche Rechtsnatur hat die Sperrung?
Die Sperrung erfolgt durch den Internet-Service-Provider gegenüber seinem Kunden. Sie ist damit Teil des Vertragsverhältnisses zwischen dem Service-Provider und seinem Kunden und stellt keinen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt dar. Sollte ein Kunde der Auffassung sein, ihm sei der Zugriff auf unbedenkliche Seiten zu unrecht verweigert worden, müsste er sich zivilrechtlich gegen seinen Internet-Service-Provider wenden.
Uhl ist Jurist. Ihm muß doch klar sein, was er da sagt: Der Staat sperrt nicht. Er macht einen Vertrag mit den fünf größten Privatanbietern unter den Internetserviceprovidern. Diese sperren daraufhin. Damit handelt es sich nicht um einen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt. Also eine Art virtuelles Guantanamo. Nicht überprüfbar. Schon gar nicht durch linke Bürgerrechtler. Fassen wir zusammen:
- Gegner werden verunglimpft (Hysteriker, linkes Gerülpse).
- Das Vokabular kommt aus einer auffälligen Ecke (Reichsbedenkenträger, moralische Verkommenheit).
- Mit politischen Gegnern verständigt man sich nicht. Sie werden mit Propaganda niedergemacht.
- Machen ist immer gut. Nachdenken ist was für Schwächlinge.
- Bürgerrechte sind lästig und überflüssig.
Mit Schrecken stellen wir fest: Das erinnert an längst vergangene Zeiten. Das ist Nazisprache, Naziart. Absichtlich oder fahrlässig? Gibt es überhaupt Nazis aus Fahrlässigkeit? Und nun die Krönung: Ausgerechnet dieser Mann sitzt im parlamentarischen Kontrollgremium (PKG). Zuständig für die Kontrolle der Nachrichtendienste bei uns. Vor einem Jahr wurde hier schon einmal von diesem Gremium berichtet. Eigentlich wäre Uhl selbst ein Fall für die Beobachtung durch den von ihm kontrollierten Verfassungsschutz. Es wundert mich nichts mehr.
Hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht.
Freitag 24. April 2009 um 21:14
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