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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Sonntag 20. Dezember 2009

Wo keine Götter sind, walten Gespenster.
Novalis

 

Abofallen (3)

rsys_27654_49f8469712050Der Raum ist dunkel. Es werden Zahlen geflüstert:

1….. 7…… 4……… 8……… 8…….. 2……..

Aha. Performance. Menschen hüpfen, springen und schweben über die Bühne. Dazu Zwitschern, Flirren, Zirpen. Langsam versinkt die Welt in Schwärze, die Töne werden zu Geräuschen. Sphärische Klänge. Dann: Auftritt des altägyptischen Gottes Abophales.

Abophales (gr. Ἀβωφάληϛ) war der heute weithin unbekannte Gott der unfreiwillig gekauften Dienstleistungen. Sei es für irgendwelche idiotischen Klingelton-Abos für Handy, Spickhilfen für Hausaufgaben im Internet, die sich als Abzocke entpuppen, kostenpflichtige Downloadportale für ohnehin frei erhältliche Software oder eben, wie hier schon berichtet, für Bahncards, die auch Geld kosten, wenn man sie nicht nutzen will. Oder aber: für Ballett.

Daß Abophales einen überall ereilen kann, wurde mir nämlich in der Oper klar. Es ist schon einige Tage her, aber ich bin noch nicht drüber weg. Wer ein Opernabo will, bekommt jedes Jahr auch ein Ballett aufgehalst. Ist so. „Nur Oper“ gibt es nicht. Alle paar Jahre erwartet einen ein unerwarteter Genuß. Leider nicht jedes Jahr. Dieses Jahr war es beispielsweise für mich nicht der Fall. „Zugvögel“ hieß das Stück (Jiří Kylián, Musik von Dirk Haubrich, Han Otten u.a., Uraufführung war am 3. Mai 2009).

Mir ist selbstverständlich klar, daß ich schuld bin, nicht der Künstler und nicht das Ensemble. Ich bin ein Ballettbanause. Wenn die Musik mich nicht rettet, langweile ich mich im Ballett. Meistens zumindest. Und ich stelle meine Nackenhaare, wenn ich das Wort „Installation“ höre. Aber so klar mein Geschmack hier auch ist, so klar ist mir auch, daß es nichts anderes ist: Eine Geschmacksfrage. Wie der Oberbayer in seiner ihm eigenen spöttisch-toleranten Art sagt: „Für den, der es mag, ist es das Höchste“.

Auffällig natürlich der Titel: ZUG-Vögel. So ganz löse ich mich nicht von der Bahn und ihrer Abofalle. Im Gegensatz zu Opernabos sind nämlich Bahncards nicht einmal übertragbar, und auf die Oper bin ich nicht böse. Die Bahn hingegen hat inzwischen die nächste Runde eingeleitet. Obwohl ich wirklich deutlich gesagt habe, wieso ich nicht bezahlt habe, hat sie die Sache einem Inkassobüro übergeben, das mir netterweise Ratenzahlung angeboten hat. Ich habe brav geantwortet, dass die Forderung bestritten wurde. Kein Fall für ein Inkasso.

Und wieder einmal bin ich entsetzt, was die Bahn so macht, nur um meine Briefe vom Sommer nicht wirklich lesen zu müssen. Da stand eigentlich alles drin. Jetzt muss ich auch noch aufpassen, dass mir nicht doch irgendein Schreiben durch die Lappen geht, nicht dass an Heiligabend der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht. Am besten entzünde ich ein paar Räucherstäbchen,

am Altar des Abophales

Bildquelle: Bayerische Staatsoper

 

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