Populismus
Was genau muss passieren, daß einer wie ich einen wie Herrn Seehofer in Schutz nimmt? Gute Frage. Daher gleich vorweg: In diesen jämmerlichen Wahlkampf mische ich nicht ein. Das heißt jedoch nicht, daß ich weghöre, wenn doch mal Themen besprochen werden.
Nun hat also Herr Seehofer das Thema Maut wieder einmal aufgewärmt. In nahezu allen Ländern in Europa bezahlen wir Straßenbenutzungsgebühren. Unsere Straßen werden aus Bundessteuern finanziert und stehen allen kostenlos zur Verfügung. Gute Idee, und wer die Maut abschaffen will, sollte dies europaweit in Angriff nehmen. Gelingt dies nicht, muß man eben nachziehen und auch Maut verlangen. Dabei haben wir das Problem, daß wir in unserer Gesellschaft glauben, daß ein dickes Auto die Straßen mehr abnützt als ein kleines, oder daß man auch bei der Maut die Gelegenheit zur Umverteilung von Geldern nutzen sollte. Aber es gibt ja eine Möglichkeit, alles unter einen Hut zu bringen: Wir nehmen einfach wie bisher die KFZ-Steuern und behalten das alte System, kassieren aber von allen extra für Maut, die hierzulande keine KFZ-Steuern bezahlen, aber unsere Straßen benutzen wollen. Alles perfekt, oder?
Klingt so. Dennoch schreien natürlich alle, die nicht gerade im Seehoferteam sitzen, Zeter und Mordio. Wenig überraschend, daß der ADAC gegen Maut ist, mit dem Argument, es verstoße gegen EU-Recht. Wir reiben uns die Augen, Spanier, Franzosen, Italiener, alles Gesetzesbrecher? Unsinn.
Die anderen „Argumente“, die aufgewärmt werden, sind nicht besser. Herr Steinbrück hat sogar „ausgerechnet“, daß ein Corsafahrer nun 90 Euro mehr zahlen muss als bisher. Entweder liest er nicht, gegen was er ist, oder er hält die Wähler für dumpf genug, ihm diese haltlose Behauptung durchgehen zu lassen. Herr Seehofer hat eindeutig gesagt, daß er die KFZ-Steuer nicht verändern würde und mit ihr die Maut abgegolten sei. Was ist daran misszustehen, wenn man es nicht missverstehen will?
Und dann das Finale: Es sei blanker Populismus, was Seehofer hier abziehe. Ich kann vor diesem Missbrauch des Wortes „Populismus“ nur warnen. Die Tatsache, daß viele Menschen eine Idee gut finden, reicht doch nicht. Was also ist die Definition von Populismus? Wikipedia sagt
Populismus (lat.: populus, „Volk“) bezeichnet eine um „Nähe zum Volk“ bemühte Politik, die Unzufriedenheit, Ressentiments, Ängste, Hoffnung und aktuelle Konflikte ausdrückt oder instrumentalisiert, indem sie Gefühle anspricht und einfache Lösungen vorstellt.
Mir gefällt diese Definition nicht. Die Nähe zum Volk ist per se kein Populismus. Zufriedenheit der Bürger sollte ein Ziel sein, Ängste muss man ernst nehmen. Läßt man das mit dem „Ausdrücken“ weg und konzentriert man sich auf die Instrumentalisierung, hat man einen Ansatz. Aber selbst dann fehlt etwas: Eine Idee, die nur von kompletten Idioten oder unehrlichen Wahlkämpfern abgelehnt wird, ist noch nicht populistisch. Erst, wenn eine Politik einer Mehrheit Vorteile auf Kosten einer Minderheit verschaffen will oder sinistre Ziele durch Ablenkungsaktionen erreicht werden sollen, handelt es sich um verwerflichen Populismus. Der Wunsch nach Sicherheit führt zum Überwachungsstaat, Fremdenangst wird zu geschürtem Fremdenhass und Angst vor sozialem Abstieg führt zur Erfindung einer angeblichen Schicht von „Reichen“, um deren Enteignung man nicht herumkommen kann. Funktioniert, solange die große Mehrheit glaubt, nicht jetzt und auch nicht irgendwann zu den „Reichen“ zu gehören.
In der aktuellen Mautdiskussion ist also, wie man leicht sieht, der Populismusvorwurf weit hergeholt. Wikipedia redet aber weiter:
Populistische Bewegungen entstehen oft in Phasen raschen gesellschaftlichen Wandels und sind an eine charismatische Persönlichkeit gebunden.
Jetzt ist der Populismusvorwurf endgültig lächerlich: Charismatische Persönlichkeit?
Hey, wir reden von Horst Seehofer!
Freitag 18. Oktober 2013 um 17:28
Lieber Herr v. Bomhard,
da habe ich ja in unserer Diskussion heute ein brandheißes Thema angesprochen. Ich glaube dennoch, dass die reale Umsetzung (Anrechnung KfZ-Steuer/Mautgebühr etc.) gar nicht so einfach wird, wie es auf den ersten Blick scheint. Hierzu der ADAC, sicherlich nicht ganz unverdächtig des Lobbyismus: „Deutsche Pkw-Fahrer werden als Gegenleistung für die Maut bei der Kfz-Steuer entlastet. Geht nicht. Das EU-Recht verbietet eine Ungleichbehandlung von deutschen und Autofahrern aus anderen EU-Ländern. Das trifft erst recht für die Idee zu, zunächst mal eine Maut allein für ausländische Pkw-Fahrer einzuführen. Außerdem: Wenn mehr Geld für Straßen dafür eingenommen werden soll, kann es rein rechnerisch gar keine Entlastung geben.“ Vielleicht hat es ja seit dem gern verwendeten Beispiel Österreich eine EU-Rechtsnovelle gegeben? Müsste man sich mal einarbeiten. Siehe jedenfalls hier: http://www.adac.de/infotestrat/adac-im-einsatz/motorwelt/MautIrrtum.aspx
Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, Sie bald als Gastautor auf http://www.mittelstandinbayern.de begrüßen zu dürfen. Viele Grüße, Achim von Michel