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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Freitag 26. Dezember 2008

Der Mehrwert ist ein während des Produktionsprozesses vom Arbeiter neugeschaffener Wert - festgeronnene Arbeit. Nur kostet er dem Eigner des ganzen Produkts, dem Kapitalisten, nichts.
Karl Marx

 

Noch mehr Wert

Wir haben erfahren, daß die Mehr­wert­­steuer zu Beginn von den Linken scharf kritisiert wurde. Un­­ver­­ständ­­licher­­weise. Dieser Protest ver­stummte zwar schnell wieder, aber er­­staun­­licher­­weise ge­­hören Mehr­­wert­­steuer­­er­­höhungen immer zu den politischen Ideen der Schwarzen. Was die Roten nicht dran hindert, da mit­zu­machen, aber das ist nicht das Thema.

Was stört die Linken? Schließ­lich ist die Mehr­wert­theorie von Karl Marx for­mu­liert worden. Nach Marx bezahlt ein Unter­nehmer seinen Arbeitern genau das, was sie zum Über­leben brauchen, was also ihre Arbeits­kraft erhält – daran ist ja auch noch der fieseste Man­cheste­rianer inter­es­siert. Zu­min­dest so­lange das Heer der Ar­beits­losen (bei Marx „die Reserve“) nicht un­er­schöpf­lich ist. Mehr be­zahlt er nicht, wenn er nicht muß.

Somit haben wir auf der Kostenseite

Kgesamt = Arbeitskosten + Maschinenkosten + Rohstoffe + Steuern

und auf der anderen den Verkaufspreis V.

V – Kgesamt = Gewinn

oder eben:

V = Kosten + erwirtschafteter Mehrwert.

Und diesen Mehr­wert er­wirt­schaftet der Arbeiter, der Kapitalist ent­hält ihm dafür aber den Lohn vor, und das kann nur er, weil er ja Eigen­tümer der Pro­duktions­mittel („Maschinen“) ist, und der Arbeiter kann es ja nie, weil er nur seinen Lebens­unter­halt be­kommt, also nicht selbst Eigen­tümer werden kann. Das war wohl so zu Zeiten von Marx.

Aber jetzt ist jetzt. An die ganze Mehr­wert­theorie erinnert nur die gleich­namige Steuer und die heißt noch nicht mal so. Der korrekte Name ist „Um­satz­steuer“. Eigentlich. Und gleich nach der Ein­führung der Steuer wuchsen die Be­gehr­lich­keiten. 10 Prozent waren wohl zu hübsch zu rechnen, das mußte sofort nach einem halben Jahr erhöht werden. Und damit waren es also elf. Immer noch leicht zu rechnen, eine harm­lose Addition im Dezimal­system, und das war konstant während meiner ganzen Kind­heit, bis 1.1.1978. Nicht einmal die große Rezession anfangs der 70er namens „Öl­krise“ wurde als Vor­wand für eine Senkung genommen. 12 und 13 gingen schnell ins Land, der 14 war wieder längere Gültig­keit be­schieden. 15 war wieder schön zu rechnen, 16 eher nicht, und ver­mut­lich wären 17 und 18 auch häßlich zu rechnen gewesen, so ließ man sie gleich aus. Die SPD sagte „keine Erhöhung“ und „Nein zur Merkel­steuer“, die CDU/CSU „zwei Prozent mehr“, der Kompromiß war 19. Der Wähler war entsetzt. Erstens über die Kalt­schnäuzig­keit der Politiker: „Ge­mein­sam be­gangener Wort­bruch ist keiner“. Und dann hätte man weiß Gott gleich 20 Prozent nehmen können, das wäre wenigstens wieder leicht zu rechnen gewesen. Hier noch einmal die Über­sicht:

Einführung Regelsatz
1.1.1968 10 % (5% ermäßigter Satz)
1.7.1968 11 % (5,5 % erm.)
1.1.1978 12 % (6 % erm.)
1.7.1979 13 % (6,5 erm.)
1.7.1983 14 % (7 % erm.)
1.1.1993 15 % (7 % erm.)
1.4.1998 16 % (7 % erm.)
1.1.2007 19 % (7 % erm.)

 

Das Auf­kommen aus der Um­satz­steuer stieg von rd. 16 Mrd. DM 1968, das waren etwa 13,2 Pro­zent der ge­samten Steuer­ein­nahmen, auf um­ge­rechnet 270 Mrd. DM 2007. Bereits 1/4 der Steuer­ein­nahmen der Bundes­republik kommen somit allein aus der Mehr­wert­steuer, und dabei ist die Ein­fuhr­um­satz­steuer noch nicht dabei.

Graphisch sieht man die steigende Bedeutung besonders hübsch, alle Zahlen­reihen sind normiert, 1968 ≙ 100:

Graphik zur Mehrwertsteuerentwicklung

Die Daten sind aus einer Statistik des Bundesfinanzministeriums.

Gut, die Mehrwertsteuer ist inzwischen ein teurer Hebel, aber auch einer, der direkt be­triebs­wirt­schaft­lichen Ge­setzen ge­nügt. Eine Senkung der Steuer, sagen wir um 50%, führt direkt zu einer rund zehn­pro­zentigen Ver­billigung von Waren. Kon­sum­ent­schei­dungen werden vor­ge­zo­gen, und möglicher­weise er­gibt das ganze für den Staat noch nicht mal einen Verlust. Bei dem der­zeitigen Konsum­niveau sind Ver­doppelungen des Konsums oder mehr durchaus vor­stell­bar, und nimmt man noch indirekte Effekte hinzu, wie Er­halt von Arbeits­plätzen, Unter­nehmens­steuern etc. sieht es so aus, als ob wir den Stein der Weisen ge­funden hätten.

Doch nein! Diese Idee wird von den Politikern abgelehnt. Es sei nicht garantiert, daß die Unter­nehmen die Preis­senkungen an die Bürger weiter­gäben. Daher ginge das nicht. Wiebitte? Das ist tat­säch­lich ein deutscher Sonder­weg: In allen Ländern, die mir gerade in den Sinn kommen, werden Steuern ge­sondert aus­ge­wiesen. Die V.A.T. wird an der Kasse auf­ge­schlagen, die MWSt. schon auf dem Preis­schild. Wieso? Viel­leicht, weil uns unsere Politiker tra­di­tionell für ver­blödet halten. Als ob wir im Ge­schäft alles auf den letzten Pfennig aus­geben würden und es dann an der Kasse ein böses Erwachen gäbe.

Dabei spielt die Politik schamlos mit dem Bild des Unternehmers, der sich beim Einsammeln der Steu­ern ungeniert aus der Börse der Bürger bedient. Dabei ist es genau umgekehrt. Wer nicht beim Ver­stecken der Steuern mit­hilft, be­kommt Ärger, nicht zu­letzt vom Wett­be­werb. Be­trof­fen ist selbst, wer aus­schließ­lich an ge­werb­liche Kun­den ver­kauft, also an Kunden, die höchst­wahr­schein­lich den Steuer­anteil zu­nächst wieder heraus­rechnen müssen. Sobald es nicht aus­zu­schließen ist, daß ein Privat­mann einen Preis sehen kann, muß der Brutto­preis an­ge­ge­ben werden. Der Netto­preis darf höchstens so groß ge­schrie­ben sein wie der Brutto­preis. Wir erinnern uns – der Netto­preis ist der Preis, den der Unter­nehmer er­zielt. Das ist der Preis, der ihn inter­es­siert. Der Rest ist eine er­zwungene Hilfs­lei­stung für den Staat.

Und somit ist jede Mehrwertsteueränderung mit Aufwand verbunden. Alle Preis­listen müssen neu gedruckt werden. Alle Preise müssen auch neu „schön“ gerechnet werden. Beim letzten Mal (16% ➯ 19%) mußten bei­spiels­weise Pro­dukte, die 9,90€ kosteten, zunächst auf 10,16€ an­ge­hoben werden. Aber 10,16€-Preise gibt es bei uns nur in den seltensten Fällen, das gab es höchstens in der DDR. Es stellt sich die Frage, ob das Produkt damals aus Preis­kos­metik­gründen künst­lich ver­billigt worden war, so daß es jetzt gleich auf 11,50€ schnellt (11,50€ ist glaub­würdiger als 10,16€ und die 50ct. von 11€ – auch schön – muß die Konsum­delle kom­pen­sieren, die ent­steht, wenn ein Produkt die 10€-Schall­mauer durch­bricht). Oder viel­leicht schluckt der Handel die Er­höhung, viel­leicht gab es noch etwas Luft in den Preisen. Viel­leicht also bleibt es bei 9,90€.

Jedenfalls sind diese Ängste der Politiker ein prima Anlaß, in Zukunft auf die separate Aus­weisung der Mehr­wert­steuer zu drängen. Kein Neu­drucken aller Preis­listen. Keine Re­kalkula­tion aller Pro­dukte. Kein Schielen zum Wett­be­wer­ber, ob dieser Än­de­run­gen viel­leicht auf­fängt, nach oben oder unten. Der gültige Mehr­wert­steuer­satz steht dann unten auf jeder Rechnung und wird auf den Preis auf­ge­schla­gen.

Und die Politiker können die Steuern senken, endlich. Und falls die Methode nicht verfängt, die ver­billig­ten Waren also wider Erwarten nicht ge­kauft werden, spielt es keine Rolle, ob die Steuer er­mäßigt worden ist oder nicht – es ist nichts verloren.

Also: Jetzt 10 Prozent Mehrwertsteuer für sechs Monate, dann 20 Prozent bis Jahresende. Und in Zukunft alle Preise zzgl. MWSt. Würden unsere Politiker das hinkriegen, wäre mir

bedeutend wohler….

 

Ein Kommentar zu “Noch mehr Wert”

  1. SvB-Blog » Blogarchiv » Freie Drinks auf der Titanic sagt:

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