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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Freitag 6. März 2009

Ich begreife nicht, daß eine Hand eine Zeitung berühren kann, ohne Krämpfe von Ekel zu bekommen.
Charles Baudelaire

 

Ekelhaft

tauss-potrSo so, ein Politiker als Pädophiler ent­larvt, wunder­bar, das ge­schieht ihm recht, die Politiker sind ja die schlimm­sten, etc. etc.

Stop! Da steht ja sein Name. Jörg Tauss. Wie­viele Leute heissen wohl so und haben ihren Wahl­kreis in Karls­ruhe? Aber der kann es ja gar nicht sein. Ich kenne ihn seit bald 20 Jahren. An­ständi­ger Kerl. Un­vor­stell­bar, dass die Vor­würfe einer Be­lastung stand­halten. Wie kommt es zu den An­schuldi­gungen? Eine Handy­nummer eines Pädo­philen hat er an­gerufen. Mehr­fach. Na toll, wenn er des­halb dran ist, dann kann ich warten, dass ich auch Ärger kriege, denn ich habe Jörg Tauss an­gerufen. Mehr­fach. Zuletzt im Januar.

Jörg Tauss war, seit ich mich erinnere, immer ein kom­peten­ter Fach­mann für Bürger­rechte auf der Daten­auto­bahn. So kom­petent, dass er den Job für die vor zehn Jahren noch völlig ahnungs­lose FDP gleich mit­erledigen musste. Und er kennt sich aus. Er hat noch sein Modem selbst kon­figuriert und heute weiss er, was tech­nisch mach­bar ist und was derzeit schon an Daten ge­sam­melt wird.

Stop!! Dann kann das ja nicht der Tauss sein, den ich kenne. Der hätte sich niemals so un­ge­schickt an­ge­stellt, wenn er be­wußt etwas Illega­les getan hätte. Etwas so er­schüt­ternd Illegales, dass sein ganzes bis­heriges Leben be­endet wäre zu dem Zeit­punkt, wo die Sache ruchbar wird – und das un­ver­schlüs­selt, ohne Anonymi­sierer? Da ist etwas faul. Man kann spe­ku­lieren, ob er bei seinen Recher­chen zu weit ge­gan­gen ist, oder man läßt es. Es bleibt den­noch dabei, hier wird van Helsing des Vampiris­mus be­zichtigt.

Aber ist er nicht doch schuldig? Es stand doch in der Zeitung… Stop!!! Es waren nur die üblichen Ver­däch­tigen. Focus Online. Spiegel Online. Stern Online. Und, be­son­ders schlimm, AZ. Wer solchen Quellen vertraut, BILDet sich keine eigene Mei­nung. In der AZ  stand glatt:

Kinderpornografie-Verdacht gegen SPD-Mann: Ermittler werden fündig

Ausgerechnet der Internet-Experte der SPD muss sich einem massiven Vorwurf stellen: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt gegen den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss wegen des Verdachts der Kinderpornografie. Tauss gilt als politischer Experte für dieses Gebiet.

Ermittler werden fündig!?! Was für eine gemeine Überschrift. So ge­sehen wer­den Er­mittler immer „fündig“, und wenn sie nach den Er­mitt­lun­gen nur heim­finden. Weiter unten wird re­lati­viert. Nur liest selten einer so weit, der ei­gent­liche Knüller steht doch schon oben. Aber unten heißt es:

Und dennoch: Nicht einmal die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass damit Tauss schon überführt ist. Es könne sich auch ergeben, dass dieser „komplett unschuldig“ sei, sagte ein Sprecher.

Schon wieder: Stop!!!! Er ist doch Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ter. Je­mand, des­sen Im­muni­tät doch nur in wirk­lich wohl­be­grün­de­ten Fällen auf­ge­hoben wird. Das kennt er. Schon vor ein paar Jahren wurde seine Immu­ni­tät ge­opfert, wegen einer anonymen(!) Steuer­an­zeige. Die sich im fol­genden als halt­los erwies. Und sieheda, seine Im­mu­ni­tät wurde dieses Mal wieder sofort auf­ge­hoben. Bedenk­zeit: Un­ge­fähr so lang wie man braucht, einen Stempel auf ein For­mular zu drücken und eine schwung­volle Unter­schrift zu malen. Sagt meine Intuition, be­weisen kann ich es nicht.

Schwer ver­ständ­lich auch, mit welchem Recht offen­bar der noch immune Ab­ge­ord­nete aus­ge­forscht worden war. Die Haus­durch­suchung war na­tür­lich nach der Auf­he­bung der Immuni­tät. Also waren be­reits vorher schon alle mög­li­chen Daten ge­sam­melt worden. Eine ge­zielte Er­mitt­lung, zu einem Zeit­punkt, als die Immuni­tät noch galt?

Die ganze Sache ist eine Kata­strophe. Eigent­lich sollte an dieser Stelle der fol­gende Artikel aus dem Focus im Schwer­punkt stehen:

Der Traum von der Internetsperrung

Eigentlich wollte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen die Provider zur Sperre von Kinderpornoseiten verpflichten. Sie scheint vorerst gescheitert.

Wenn es um Kinderpornografie geht, schlagen die Emotionen schnell hoch. „Missbrauch des Missbrauchs von Kindern“, schimpfte der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss, nachdem die Familienministerin im vergangenen Oktober zum ersten Mal mit dem ambitionierten Ziel an die Presse gegangen war, sie wolle die „Datenautobahn der Kinderpornografie“ schließen. Ihre Idee: Das Bundeskriminalamt habe eine Liste mit mehr als 1000 illegalen Seiten, auf denen kinderpornografische Abbildungen und Filme angeboten würde. Diese Seiten sollten in Zukunft von deutschen Providern für ihre Kunden gesperrt werden.

Von der Leyens Vorstoß, so Tauss, sei eine „reine Wahlkampfshow“. Die CDU-Abgeordnete Ilse Falk schoss scharf gegen die Kritiker zurück: Solche Äußerungen seien ein „verantwortungsloses Störfeuer“ und warf den Gegnern der geplanten Maßnahmen vor, die „Interessen von skrupellosen Geschäftemachern“ über den Schutz der Kinder zu stellen. Mit etwas gutem Willen seien die rechtlichen Fragen schnell zu klären.

Wie schön, ich hatte mich schon so auf eine beißende Spott­glosse an die Adresse dieser von Wissen völlig un­be­la­ste­ten Poli­tikerin Falk ge­freut. Die, wie man sieht, nur mein Blog hätte lesen müssen. Oder irgend­ein Blog zu dem Thema. Dann wäre ihre Aus­sage nicht so pein­lich aus­ge­fallen. Und chapeau! hätte ich gerufen, darauf hin­ge­wiesen, dass Jörg Tauss be­weist, dass der Schluß von Politiker auf Ahnungs­losig­keit nicht wirk­lich zwingend ist. Aber nun dies.

Man muss nicht paranoid sein, um Verschwörung zu wittern. Aber es hilft, wie man bei fefe lesen kann. Dass Tauss in der eigenen Partei bereits genug Feinde hat, sieht man daran, dass er für die SPD schon länger nicht mehr als Daten­schutz­ex­perte auftritt. Ab­ge­setzt, aus­ge­tauscht, Opfer eines partei­inter­nen Macht­ge­rangels, Schick­sal eines Un­be­quemen, strategi­sches Hara­kiri der SPD. So ist es nicht mehr so er­staun­lich, daß seine Partei-„Freunde“ es kaum ab­warten konnten. Gerade, daß sich die Knall­presse in Vor­ver­ur­teilun­gen erging, schon forderten sie den Rücktritt. Nicht nur von allen Ämtern, auch die Rück­gabe des Mandats wird verlangt, nachzulesen bei der Online­aus­gabe des Kölner Stadt­an­zeigers. Vor­sicht ist an­ge­bracht, viel­leicht phanta­siert der Kölner Stadt­an­zeiger ja nur („Fraktions­kreise“). Aber wenn nicht, ist das nicht nur frech, sondern auch mensch­lich mies. Was ist aus der Un­schulds­ver­mutung ge­wor­den?

Der Schaden ist nicht wieder gut zu machen. Wer stoppt denn nun die Schäubles und von der Leyens in Berlin? Tauss nicht mehr. Seine Unschuld muss er nicht beweisen. Nicht weil ihm eigent­lich zuerst eine Schuld nach­ge­wiesen wer­den müßte. Son­dern weil es nichts bringt. Die Knall­presse wird seinen Namen nie mehr nennen, ohne von einer Ver­wick­lung in die Kinder­porno-Affaire zu raunen. Paranoia? Wieso steht dann heute schon in so vielen Ver­öffent­lichun­gen ein Hin­weis auf seine „Verwicklung“ in eine Steuer­hinter­ziehungs­sache? (Wir erinnern uns: Anonyme An­zeige, Ein­stel­lung des Ver­fahrens, viel Lärm um nichts).

Er wird nie wieder für die Dinge kämpfen können, für die er bisher ge­kämpft hat. Zu­min­dest nicht erfolg­reich. Und da wundert sich je­mand, dass sofort Ver­schwörungs­theorien kursie­ren? So weit muß man nicht gehen. Lancierte Be­richte, unter­ge­schobenes be­lasten­des Mate­rial, ge­fälschte Be­weise, so weit ist es hier nicht. Es bleibt „politischer Mord“, italieni­sche Ver­hältnis­se zur Zeit Gari­baldis. Und die Bereit­willig­keit, einen un­be­quemen Kolle­gen durch äußerst will­fährige Auf­hebung der Immuni­tät los­zu­wer­den, ist ekel­haft.

So ekelhaft wie das ganze Thema.

Bildquelle: blog.spd-bw.de

 

Ein Kommentar zu “Ekelhaft”

  1. Jörg Tauss über Kinderpornographie im Internet: “Das schaut man sich aber nicht an ! “ /// Justizskandale.de sagt:

    […] Unter den Bloggern ist sich Sebastian v. Bomhard seiner Sache bzw. der von Tauss sicher. Er schreibt: […]

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