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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Montag 14. April 2008

 

Die Empfehlungen der OECD (2)

OECD MitgliederBevor wir, wie gestern vorgeschlagen, die Österreicher fragen: Die 70er sind lange vorbei. Und wir haben inzwischen auch nur noch zwölf Jahre bis zum Abitur. Und vermutlich ist nichts mehr, wie es war. Die Hauptschulen sind, kann man den Meldungen trauen, Aufbewahranstalten geworden, in denen chancenlose Menschen auf Hartz IV-Karrieren vorbereitet werden. Die Kinder reicher Eltern kommen angeblich weiter als die der kinderreichen Eltern. Konnten zu meinen Schülerzeiten viele Kinder nach einigen Jahren immer noch nicht richtig schreiben und lesen, was als Skandal empfunden wurde, so können heute viele Schüler nicht einmal richtig reden. Weder Deutsch noch irgendeine andere Sprache, jedenfalls nicht gut.

Es ist also nicht alles zum Besten in Deutschland. Nicht einmal in Bayern, denn ich werde das Gefühl nicht los, wir rauben mit G8 den Kindern die Kindheit. Und mit den nicht nachzuvollziehenden Materialschlachten an Volksschulen versuchen wir, einkommensschwachen Eltern vor Augen zu führen, dass der Schulbesuch Pflicht und Privileg zugleich sein muß. Und wenn das nicht reicht, führen wir jedes Jahr neue Schulbücher ein. Die alten sind überholt, klar, es ändert sich ja so viel andauernd. Deshalb wurden auch gerade wieder neue Lateinbücher vorgestellt. Weil sich auch tote Sprachen ständig ändern. Oder ist es nur der Geschmack der Lehrer, die auch mal auf den Buchrücken erscheinen wollen?

Was ist die Lösung? Ich leiste mir jetzt mal die Anmaßung und tue so, als könnte ich das machen, was wir ja schon der OECD nicht gestatten. Ich fordere also, und antworte stereotyp auf alle Fragen nach der Finanzierung mit „wer nicht mehr investiert, sollte gleich Konkurs anmelden“:

  • Mehr Geld für den Bildungsbereich.
  • Aufwertung der pädagogischen Berufe, besonders für die jüngeren Kinder. Das bedeutet bessere Ausbildung und bessere Bezahlung der Vorschulkräfte und der Volksschullehrer.
  • Wiedereinführung der Lehrmittelfreiheit, jedoch bessere Kontrolle der eingesetzten Mittel (Lehrbücher mehrfach verwenden, fächerübergreifende Budgets, die die Lehrer einzuhalten haben, Abschaffung des „Kopiergeldes“)
  • Stärkere Konzentration auf Etappen. Nur wer Deutsch reden kann, kann in einer Klasse mit anderen Kindern sinnvoll lesen und schreiben lernen. D.h., Eignungstests für die Volksschule bedeuten auch Sprachtests.
  • Realitätssinn statt Bevormundung: Aufhebung der Sprengelpflicht, Zulassung und Förderung weiterer Schultypen, Ausweitung des Bildungsangebots (Musik, Bibliotheken, Sprachen, und alles bereits für Kinder im Volksschulalter).
  • Stärkere Durchlässigkeit. Immer noch. Wieso soll ein ehemaliger Lehrling mit guten Noten und einer guten Ausbildung nicht an einer Fachhochschule oder im Rahmen eines Bachelorstudiums weiterstudieren dürfen?
  • Schuluniformen für höhere Schulen. Wirklich? Das von mir? Ja, das ist mein Ernst. Das für merkwürdige Kleidung gesparte Geld kann sinnvoller in die Kinder investiert werden und die Kinder werden nicht schon so früh mit der Brutalität der sozialen Klassenunterschiede vertraut gemacht – jedenfalls nicht beim Preis von Polohemden.
  • Vielleicht der schwierigste Punkt: Marketing für Bildung. Das wird bereits gemacht. Sieger sitzen bei Jauch auf dem Stuhl und nicht bei Britt auf der Couch. Aber solange deutsche Politiker Wissenschaftler diffamieren, kann das nicht funktionieren. Diffamieren? Als was? Nun ja, als Wissenschaftler eben, als sei dies etwas Anrüchiges, anstatt sich daran zu erfreuen, dass wir zweifelsohne noch kluge Köpfe haben in Deutschland, selbst wenn diese vor all den Bildungsreformen und -reförmchen ausgebildet wurden. Ja, ich gestehe es, ich nehme es Herrn Schröder unverändert übel, dass er dafür gesorgt hat, dass es als Diffamierung angesehen wird, jemanden als „diesen Professor aus Heidelberg“ zu bezeichnen. Miserabler Stil.

Was wir uns hingegen schenken können:

  • Abschaffung der Hauptschulen. Wieso das denn? Hauptschulen bereiten auf praktische Berufe vor, oder zumindest sollen sie das. Realschulen bereiten auf Bürotätigkeiten vor, grob gesprochen. Also muss die Qualität der Hauptschulen verbessert werden, denn Realschulen könnten nicht leisten, was hier gefordert wäre.
  • Abschaffung der Gymnasien zugunsten der Einführung von allgemeinverbindlichen Gesamtschulen. Wieso das denn? War das nicht die Empfehlung der OECD? Nun, ich bin trotzdem dagegen. Ich glaube fest, dass es möglich ist, beides zu haben: Förderung der Spitzengruppe und immer wieder Nachziehen von möglichen Spätentwicklern.
  • Ein G8, dessen Lehrplan, der zuvor schon reichlich voll war, einfach durch Übertragung aus dem alten G9 entstand. Entrümpeln hieße die Devise. Bleibende Werte sind nicht mehr geworden und in den Naturwissenschaften sollte es immer noch mehr um Methoden gehen als um Detailwissen.
  • Bologna. Neuer Wein in alten Schläuchen. Nachdem man heute von vor allem den sozialdemokratischen, grünen oder linken Politikern bedauert wird, wenn man so unterprivilegiert ist, nicht zu studieren, müssen also alle an die Uni. Ein ernsthaftes Studium im ganz altmodischen Sinn ist für sehr viele Menschen allerdings völlig ungeeignet und auch unnötig. Na gut, nehmen wir Bologna, nennen wir den Schmalspurabschluß unerträglicherweise Bachelor, das echte Studium dann halt Master, aber warum müssen die Bachelors die Hörsäle der Universitäten füllen? Es gibt doch schon längst die Fachhochschulen, um Menschen mit Anfang 20 als Anfänger ins Berufsleben zu entlassen, oder aber ein akademisches Studium im alten Sinne daraufzusatteln. Fachhochschulen kann man nicht hoch genug loben für ihre praxisbezogene Berufsausbildung. Anstattdessen versucht man nun, Fachhochschulen und Universitäten möglichst anzugleichen.
  • Hochschulgebühren mit Abschreckungscharakter. Wieso sollte man solche Gebühren fordern? Ein Student koste den Staat jährlich (und hier kommt immer irgendein hoher Betrag) XXX Euro. Das wird so gerechnet: Kosten der Hochschulen geteilt durch Anzahl der Studenten. Milchmädchenalarm. Ein Student, der aus finanziellen Gründen weniger an der Uni als im Taxi sitzt, und zwar vorne, senkt die durchschnittlichen Kosten. Vergrault man ihn mit Studiengebühren, steigen diese an, anstatt zu sinken. Und ein Student, der sich nicht stromlinienförmig durch ein Schnellstudium bachelort, sondern sich in alter akademischer Tradition mit Fächern beschäftig, die nicht gleich zu seinem Diplom führen, wollen wir den vergraulen? Das ist vielleicht der Mensch, der bahnbrechende Erfolge in der Forschung haben wird. Weil er interdisziplinär denkt, auch wenn es sein Studium vielleicht verlängert? Man muß ja nicht gleich mit Faust kommen.
  • Und last but not least: Schenken sollten wir uns auch die Vereinheitlichung des Schulsystems in Deutschland. Bildung ist etwas dezentrales. Bayern haben vielleicht einfach andere Bedürfnisse als Niedersachsen. Und andere Ansprüche als Hessen, Bremer oder Saarländer. Die Durchlässigkeit sollte nicht aus den Augen verloren werden, aber eine Abschaffung der Länderhoheit über die Kultuspolitik hätte schlimme Folgen. Beispiel gefällig? Es wurde von einer norddeutschen Politikerin bereits angeregt, bundesweit von „Jungen“ und „Mädchen“ zu reden, nicht mehr von „Buben“, wie in Bayern.

Frei nach Ludwig Thoma: Der Mann mit dem grünen Hut gerät wieder in Zorn. Der Gamsbart auf seinem Hut zittert. Bei uns gibt es also „Buben“, und da lassen wir uns nicht vom Ausland dreinreden. Denn, wie der damalige bayerische Kultusminister bereits grantig bemerkte,

bei uns haben nur die Viecher Junge

 

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