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Die Freiheit der Meinung setzt voraus, daß man eine hat (Heinrich Heine)

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Sonntag 8. Juni 2008

Das Bayerische ist eine Denkweise. Ein guter Bayer kann auch aus Afrika sein.
Georg Lohmeier

 

Schwarz ist eine Farbe

Barack ObamaBarack Obama hat es vermutlich geschafft. Er ist Kandidat. Ein sympathischer Mann mit Ausstrahlung, faszinierendes Charisma. Er wirkt ehrlich und glaubwürdig, obwohl er Politiker ist. Eine neue Hoffnung für Amerika und, tja, beinahe hätten wir es vergessen, er ist schwarz.

Na und? ist man hier versucht zu sagen, es gibt viele Schwarze, die es zu was gebracht haben. Kofi Anan. Morgan Freeman. Muhammad Ali. Louis Armstrong. Dr. Condoleezza Rice. Colin Powell. Die Reihe ließe sich durchaus fortsetzen. Aber es hat tatsächlich noch nie einen schwarzen Präsidenten in den Vereinigten Staaten von Amerika gegeben, auch wenn die Neger einen bestimmten Anteil an der Bevölkerung stellen. Da fragen wir doch am besten mal die, die es wissen müssen. Die US-amerikanische Botschaft:

1970 bezeichneten sich 99 Prozent aller Amerikaner als entweder weiß oder schwarz. Dreißig Jahre später war dieser Prozentsatz auf 87 Prozent gesunken, der Anteil der weißen Bevölkerung sank von 87,4 Prozent 1970 auf 75,1 Prozent im Jahr 2000, und der Anteil der Schwarzen an der Bevölkerung stieg im gleichen Zeitraum von 11,1 auf 12,3 Prozent. Diese Veränderung bei der weißen Bevölkerung wurde durch den Anstieg des Prozentsatzes „anderer“ Bevölkerungsgruppen ausgeglichen, von 1,4 Prozent 1970 auf 12,5 Prozent im Jahr 2000. 

Daraus kann man eine Menge Erkenntnisse ziehen: Rein statistisch sollte also rund jeder zwölfte Präsident schwarz sein. Nach Herbert Marcuse (siehe: Heiteres Beruferaten) wissen wir, dass normalerweise die Minderheit nicht ihrem Anteil entsprechend, sondern eher weniger zum Zuge kommt. Das betrifft natürlich eher politische Bekenntnisse – schwarz als Hautfarbe hat nichts mit schwarzer Gesinnung zu tun, freilich. Eine Quotenregelung wäre demnach künstlich und wenig hilfreich.

In einer idealen Welt ist es also höchstens statistisch gesehen auffällig, dass Obama schwarz ist. Mit der Frage, ob er Präsident werden sollte, hat das nichts zu tun. Aber diese Welt ist nicht ideal und so wird eine mögliche Wiedergeburt von John F. Kennedy immer wieder darauf reduziert, ein Neger zu sein.

Neger? Sagt man nicht. Wieso? Das hat nichts mit uns zu tun, das ist ein spezifisch amerikanisches Problem, das wir dennoch gedankenlos immer wieder importieren. Früher, vor hundert Jahren, hieß es bei uns noch Mohren. Im Struwwel­peter tauchte Sankt Nikolas die Buben Ludwig, Kaspar und Wilhelm in sein Tintenfaß (weswegen er dort auch nicht Nikolaus heissen darf, das würde sich ja nicht reimen).

Du siehst sie hier, wie schwarz sie sind,
Viel schwärzer als das Mohrenkind!
Der Mohr voraus im Sonnenschein,
Die Tintenbuben hintendrein;
Und hätten sie nicht so gelacht,
Hätt‘ Niklas sie nicht schwarz gemacht.

Die Mohren kamen sprachlich von den Mauren – Afrikaner, aber eigentlich nicht wirklich schwarz. Politisch waren die „Mohren“ irgendwann nicht mehr korrekt. Die Mohrenköpfe wurden in Negerküsse umgenannt. „Neger“ war aber ebenfalls irgendwann nicht mehr korrekt. In der Schule wurde ich verbessert, wenn ich „Neger“ sagte: Das hieße längst „Schwarze“. Nun gut. Umerziehung erfolgreich. Kurz darauf wurde ich aber schon wieder verbessert: Es hieße inzwischen „Farbige“, das grenze die Schwarzen nicht so aus. „Farbig“ war aber dann doch zu unspezifisch, und so bot sich eine deutsche Kreation an, der „Afroamerikaner“. Angelehnt an den „Afrolook“ und abgeleitet aus den amerikanischen „African Americans“. „Afro­ameri­kaner­küsse“ sucht man dennoch vergeblich – der Markt­führer, die Firma Dick­manns, nennt die Dinger „Schaum­küsse“, „Schoko­küsse“ oder „Dick­männer“. Die Kinder nennen sie immer noch Neger­küsse, aber wer weiss, wie lange noch.

Wie man sieht, alles recht willkürlich und zeitabhängig. Was gestern noch Ausdruck politischer Höflichkeit und bemühter Korrektheit war, ist heute bereits reaktionärer Jargon. Auch die Frage, wie sich die Neger selber nennen, führt nicht weiter, denn „die Neger“ sind keine Nation. Sie sind Bürger ihrer jeweiligen Länder und das einfachste ist es, sie als Amerikaner, Franzosen oder Bayern zu sehen.

In den Vereinigten Staaten ist es viel komplizierter. Die weißen Amerikaner sind zum überwiegenden Teil tief und ehrlich beschämt über ihre Vergangenheit. Sie sind wild entschlossen sind, pee cee zu sein, politically correct. So akzeptieren sie alle Namen, die sich Minderheiten selbst geben. Bis in die 60er hatten sich die Schwarzen noch selbst negroes genannt, Neger. Dann kamen Malcolm X, Black Power, die Nation of Islam. Um zu unterstreichen, dass ihre Vorfahren gegen ihren Willen aus Afrika verschleppt wurden, nannten sich immer mehr Schwarze African Americans.

Somit ist und bleibt es ein völliges Missverständnis, wenn nun hier ständig davon gesprochen wird, Barack Obama sei ein Afro­amerikaner. Zum einen ist er halb weiß, halb schwarz. Rassisten reden in so einem Fall von einem „Mischling“. Sein Vater kam aus Kenia. Nicht verschleppt. Ganz im Gegenteil, ein bisserl privilegierter: Barack Obama sen. war als Student in die Staaten gekommen. Die Mutter war eine geborene Dunham. Obgleich die Dunhams schon seit Generationen in den USA lebten, so liegt doch Dunham Castle in der Gegend von Manchester. Alternativ gäbe es noch ein Dunham-on-the-Hill in Cheshire. Egal, beides England. Ist Obama dann nicht ebenso ein Anglo­amerikaner? Aber, wenn denn den Paläontologen zu trauen ist, so muß man umgekehrt doch fragen:

Sind wir nicht alle Afrikaner?

 

2 Kommentare zu “Schwarz ist eine Farbe”

  1. SoGC sagt:

    Kleine Anmerkung: Ich hab diese Schaum-Schokoladen-Dinger als „Mohrenköpfe“ kennengelernt.. und solang ist es ja noch nicht her, dass ich klein war :). Auch das hat sich wohl wieder durchgesetzt.
    Viele Grüße.

  2. Fgc sagt:

    Ich finde dies auch sehr interessant… es ist doch sicherlich auch eine Beleidigung, einfach keinen „Namen“ zu haben !? Und es ist doch auch merkwürdig, dass mehrmals neutrale Namen zu negativen Bezeichnungen werden .
    Liebe Grüsse :).

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