Strafverschärfung
Hoffentlich steht meine Einstellung zum Rassismus außer Frage. Die Ablehnung von Rassismus halte ich in Deutschland für common sense. Um so erstaunter las ich auf sueddeutsche.de:
In Deutschland wird noch zu wenig gegen die Diskriminierung von Ausländern und Minderheiten getan. Zu diesem Schluss kommt die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats in einem Bericht, der an diesem Dienstag vorgestellt wird. Hauptschwächen sehen die unabhängigen Experten im deutschen Strafrecht und im Justizwesen. Sie fordern die Bundesregierung „dringend“ auf, rassistische Motive bei allgemeinen Verbrechen im Strafrecht besonders zu erwähnen und strafverschärfend zu berücksichtigen.
Wie bitte?Ich hatte bislang nicht den Eindruck, daß der Rassismus in Deutschland besonders geduldet würde. Im Gegenteil. Besonders in Deutschland sind doch Diskriminierungen gesellschaftlich nicht toleriert, schon gar nicht solche mit rassistischem Hintergrund. Und Intoleranz gegenüber Intoleranz ist selbstverständlich.
Aber ich grüble schon weiter: Was genau soll die Schwäche unseres Strafrechts sein? Vielleicht das, daß wir doch meistens versuchen, besonders gerecht zu sein. Und da wäre es wieder kontraproduktiv, würde man beispielsweise körperliche Gewalt beispielsweise gegen Neger (rassistischer Hintergrund) stärker bestrafen als körperliche Gewalt gegen Frauen (das nennt man hoffentlich nicht inzwischen auch „rassistischen Hintergrund“…). Man kann sogar noch einen Schritt weitergehen: rassistische Übergriffe sind atavistische Verhaltensweisen. Xenophobie ist durchaus ein evolutionäres Erfolgsmodell gewesen. Erst infolge zivilisatorischer Errungenschaften verdammen wir so ein Verhalten (zu Recht!). Gewalt gegen Frauen hingegen ist eine soziopathische Aktion, weder in der steinzeitlichen Horde, noch in der Neuzeit zu entschuldigen. Gewalt gegen Kinder: dito. Ich finde unser an dieser Stelle erfreulich unpolitisches Recht durchaus verteidigenswert.
Andererseits ist das so eine Sache, einer leibhaftigen Kommission des Europarats widerspricht man nicht leichtherzig. So geht der Artikel weiter:
Richter, Staatsanwälte und Polizisten müssten intensiver ausgebildet und dazu angehalten werden, die Anti-Rassismus-Gesetze in der Praxis auch anzuwenden und nicht zu eng auszulegen. Vor deutschen Gerichten gelte häufig nur derjenige als Rassist, der Kontakt zur rechtsextremen Szene habe, meint die Kommission. Als Antwort auf mögliche Ausländerfeindlichkeit in den Reihen der Polizei müsse eine „unabhängige Aufklärungsinstanz“ geschaffen werden.
Richter in Deutschland sind immer noch unabhängig. Sie anzuhalten, irgendwelche Gesetze auf irgendeine besondere Art auszulegen, rüttelt an den Grundfesten meiner Überzeugung. Daß ein Gericht sich leichter tut, ein Mitglied der rechtsradikalen Szene des Rassismus für überführt zu halten als bei einem unorganisierten Hooligan könnte seinen Ursprung darin haben, daß man gerne Beweise sieht, vor allem als Richter. Mitgliedschaft in einer Wehrsportgruppe ist als Beweisvorstufe schon mal nicht schlecht. Und mit dem letzten Satz des Absatzes endet meine Toleranz endgültig. Eine von der Polizei „unabhängige Aufklärungsinstanz“? Was da steht, ist eine unglaubliche Unterstellung.
Man kann auch das ganze Original lesen. Es liegt geschmackvollerweise nur auf Englisch vor. Dort findet man:
ECRI recommends that Germany facilitate the acquisition of German citizenship for all longterm residents and persons born in Germany in order to promote the integration of those residents who may wish to acquire German citizenship without relinquishing their own.
Ob Deutschland Doppelstaatsbürgerschaften akzeptiert oder nicht kann man lang diskutieren. Man kann es wollen oder ablehnen, aber an einer Stelle herrscht doch hoffentlich noch Übereinstimmung: Das hat nichts zu tun mit Rassismus oder Intoleranz. Ich denke, wir sollten auf derartige Empfehlungen solch einer Kommission
verzichten.