Freiheit, Zensur und Hysterie
Beginnen wir mit der Freiheit. Dr. Grigori Perelman aus St. Petersburg hat die Poincaré-Vermutung bewiesen. Aber nicht nur das, ganz allgemein ist zumindest in Fachkreisen bekannt, dass es sich bei ihm um ein Ausnahmegenie handelt. Schon in der Vergangenheit sollte er die inoffiziell als „Nobelpreis für Mathematik“ bezeichnete Fields-Medaille bekommen. Er hat sie nicht angenommen. Na gut, Blech, nur Bares ist Wahres. Die Medaille bringt 15.000 Dollar, mehr nicht, neben der Unsterblichkeit natürlich. Ach ja, und es sind kanadische Dollar, zu allem Überfluß. Der gute Poincaré bringt, seit er als Millenniumsproblem benannt wurde, immerhin eine glatte Million Dollar Preisgeld. Amerikanische, dieses Mal. Dies sollte ihm nun überbracht werden, allein, er machte angeblich nicht mal die Tür auf und schickte die Boten fort. Er hat einfach keine Lust auf Leute, und irgendwie auch keine Verwendung für Geld.
Nun, ein bisserl Borderline ist das vielleicht, aber andererseits, und darum soll es hier gehen, ist das sein gutes Recht. Es steht niemandem zu, ihn dafür zu kritisieren.
Andere Geschichte, anderes Land, anderer Kontext: Eckart von Hirschhausen wurde von der Süddeutschen Zeitung um ein Interview gebeten. Seine Managerin schrieb einen offensichtlich ungewöhnlichen Brief. Das Interview wurde davon abhängig gemacht, dass erstens keine persönlichen Fragen gestellt werden, zweitens das gesamte Interview zur Autorisierung übersandt werden müßte und drittens, vielleicht ein bisschen schräg formuliert, das Recht vorbehalten wurde, auf Korrektur falscher Passagen zu bestehen. Der Rest war Technik: kommt ein Photograph? Wenn ja, soll er bitte eine Visagistin mitbringen.
Was fällt uns dazu ein? Glückwunsch, Herr v. Hirschhausen, im Gegensatz zu sogenannten „Promies“ haben Sie es offensichtlich nicht nötig, um Presseberichte zu betteln. Das haben Sie ein bißchen mit Vladimir Putin gemeinsam, der macht das genauso, bis auf auf die Visagistin, vermutlich. Ich meine, es ist jedermanns Sache, nicht einfach so mit jedem reden zu wollen. Beruflich ist es für Herrn v. H. vielleicht nicht schlau, aber das entscheidet er. Das ist Freiheit.
Und was macht die Süddeutsche? Der Reporter hat das Interview abgeblasen. Das ist sein gutes Recht. Aber dann widmet er diesem Vorfall die komplette Seite drei. Das sei Zensur, schäumt er. Und Hirschhausen sei eh nicht lustig. Zensur? Er darf doch schreiben. Nur kriegt er halt kein Interview, wenn er nicht einwilligt. Das ist kein Grund, das Ende des Abendlandes zu beschwören. Und es ist kein Grund, als beleidigte Leberwurst nun den ganzen Künstler abzulehnen. Gerade wollte er ihn doch noch interviewen, und das, weil er ihn mittelmäßig findet? Der Aufschrei, der uns nun von einen Großteil der Journalistengesamtheit entgegenschallt, ist doch blanke Hysterie.
Eine Gesellschaft, in der sich alle den Medien zu unterwerfen haben, ist halt einfach eine
Mediokratie
Bild: Dr. Grigori Perelman